Mitteilung aus dem Büro der guten Absichten. Donnerstag, 19. Mai 2011

“Wird das so eine Art Orgie?” fragt Tusker am Telefon. Schlechte Verbindung. Draußen sägt jemand Metall, das hilft auch nicht gerade.
“Das Ding braucht noch ein- oder zwei explizite Kapitel” sage ich. “Vielleicht setze ich die Orgie sogar an den Schluss – der jetzige ist mir eh zu friedlich.”
“Wird der Athlet dabei sein?”
“Ich bin mir nicht sicher, ob eine Außenperspektive für die Szene notwendig ist.”
“Wie kommst du denn so voran?”
“Ganz gut. Die Aussicht, jetzt doch noch länger hierbleiben zu können, beruhigt mich allerdings sehr.”
“Im Ernst? Ich dachte, sie…”
“Sie hat ihre Pläne geändert. Außerdem findet sie, ich solle das Skript fertig kriegen.”
“Der liegt an dir.”
“Mir auch an ihr. Mir hüpft das Herz. Wunderbare Frau.”
“Kann man wohl sagen.”

Also, weiterarbeiten. Die Säge ist verstummt, dafür sind jetzt offenbar vor meinem Fenster gefühlte dreißig vierzig Kinder freigelassen worden, die spielen in Megaphonlautstärke. Guten Morgen, geschätzte Leser:innen!

14:23
Ach, Lars von Trier. Was sind Sie doch für ein Komplettidiot. Aber Melancholia seh’ ich mir trotzdem an. Und auch den nächsten. Und den übernächsten. Machen Sie einfach weiter Filme. Und bleiben Sie weg von Pressekonferenzen, Sie

16:08
Bin Schwach, suche Sinn. Bitte nur ernsthafte Zuschriften.

(Könnte heute Lady Gaga Konkurrenz machen, wenn sie denn wirklich eine wäre)
(Phyllis!!! Konzentrier’ dich.)

21:12
Was für ein seltsames Buch. Im Ernst. Am besten wird sein, Sie lesen es in einer Nacht durch, werden nachdenklich, gruseln sich, ärgern sich, werden geil, lachen, fühlen mit, runzeln die Brauen, tappen in die Falle und legen es um fünf Uhr morgens beiseite mit dem Gefühl, gut gefüttert worden zu sein. So ähnlich stelle ich mir das vor. So ähnlich würde es mir damit gehen, wenn ich nicht die Rapunzel wäre, die es schreiben muss ; )
Weil ich’s nicht die ganze Zeit mit mir aushielt, war ich übrigens heute auf einigen mir bisher unbekannten Weblogs stöbern. Auf den bekannten natürlich auch. Wir schreibendes Volk sind doch insgesamt ein ziemlich wundersamer Haufen. Werde von meinen Neuentdeckungen berichten. Ein anderes Mal. Bin zu fahrig jetzt.

83 Gedanken zu „Mitteilung aus dem Büro der guten Absichten. Donnerstag, 19. Mai 2011

    • @Julian Rosenberger Mir klang seine inkohärente Satzkette – nach dem, was das Video zeigt – eher nach Selbstbeschmutzung. So eine Art Autoaggresion. Anders als im Fall des Modedesigners John Galliano, der vor nicht allzu langer Zeit besoffen über “die Juden” herzog und dafür geächtet wurde, war von Trier nüchtern. Das heißt, er wird sich noch gut an seine Worte erinnen. Ich finde, jemand sollte rauskriegen, was mit ihm los ist. Der Mann scheint gestört. Kann sein, seine Depressionen sind massiv, vielleicht auch die Medikamentierung. Was weiß denn ich, was genau der Mann meint, wenn er sich als Nazi bezeichnet.
      Ach, keine Ahnung, mir tut’s einfach weh, dass man ihn wie einen Schulbuben abstraft; er ist ein großartiger Filmemacher.

    • warum mag ich sie bloss so
      ( geradezu extrem )
      weil sie zeitdokumente womöglich gar imstande sind, leichtfertig zu löschen auf ihrem blog.
      sagen sie doch verschwinden sie lobster, was einer erwartbaren normsituation gemäss
      anwendervorschrift ausgeübt nach muffelshausen, bezirk trägheit und kommandoeinheit, bestenfalls folkes

    • Kapitulation Das ist mein Eindruck, als Lars von Trier seinen Gedankenbogen mit dem ironisierenden Sager abbrach: “Ok, I’m a Nazi.” Damit ergab er sich nach meinem Dafürhalten dem schockierten Unverständnis der Zuhörer. Er schaffte es nicht mehr, auf den Punkt zu kommen: “…but there will come a point at the end of this…” sagte er beschwichtigend zu seiner Nachbarin, als diese sich mit den Worten “oh my god…” erschüttert abwandte wegen der Aussage “… I can see him sitting in his bunker in the end”. Lars von Trier glaubt zu wissen, was im Menschen Hitler am Ende vorging. Das zu sagen oder gar zu erläutern ist ihm nicht gestattet. Darüber dürfen sich ausschließlich Kriminalpsychologen Gedanken machen – und von denen auch nur die durch Publikumsehrfurcht ausgezeichneten “Experten”.
      Was in der Folge dort abging (Ausschluss), ist eine Geistlosigkeit der Sonderklasse. Es offenbart sich darin kollektive Verweigerung von Denkarbeit. Und die Äußerung von Rosenberger bzw. der vom ihm verlinkte Aufsatz dokumentiert diese Verweigerung eindrucksvoll.
      Ich verstehe Lars von Trier und er hat meine tief empfundene Sympathie.

    • texte können in berieche von vergessenheitsanmutung geraten, deshalb schützt man texte und geht pflglich-begehrlich mit diesen texten um.

    • wahrscheinlich.
      vielleicht hat da jemand ( jammernd ) noch nix von handke, sich an bäumen leitend, wie an blumen des bösen und eines erfreulichen theaters der grausamkeit usw. losbester, eswahr vielleicht gemeint.
      z.b.

    • @Sturznest Das war nicht gemein von Ihnen, Sturznest, aber ich denke, Ihr Anspruch an Anstand und Moral war Ihrem Widerredner etwas zu hoch angesetzt.

    • Oha, das sieht der aber genau umgekehrt, denke ich, vermute ich, ich bin aber auch immer zu schnell auf Hundert, das muss nicht sein, ab morgen kommentiere ich nicht mehr, versprochen

    • fehlt ein etwas aussagenwollendes ich / es / über ich / du / eine funktionsuntüchtige schwiegermutter / ein biischen frieden und sondt die verdeckte gewalt.

    • Also wenn es nach mir geht, dann sollten Sie, Sturznest, bitte weiter kommentieren. Die Positionen von Moral und Anstand dürfen, müssen sogar manchmal polemisch vorgetragen werden. Und Kienspan, by the way, ist ja auch nicht gerade der hohe Priester des differenzierten Vortrags.

    • Dass mir das mal einer sagt, dass ich Moral und Anstand verteidige…Nein, das tue ich nicht, das kann ich gar nicht, das Einzige was ich kann ist lesen und wenn ich David Grossman lese, kann ich so etwas nicht stehen lassen, wie tiefempfundenes Mitleid. Das steht niemanden zu der so ein dummes Zeug erzählt.
      Was wird ihm denn so schlmmes passieren? Er wird in Cannes nicht mehr eingeladen, vielleicht, wird er nicht mehr eingeladen, er wird aber weiter Filme machen, anderen wurde das genommen, ist das Moral oder ist das nicht eigentlich das Normalste der Welt, dass man wissen sollte wo das Mitleid hingehört, das ist nämlich ein Mitleid dass auch uns betrifft, weil uns etwas genommen wurde..Sechs Millionen Menschen ungefähr….

    • moral ist das, was man mit anderen teilt.
      es gibt keine sklavenmoral ( etwas unteilbares ) sowie es keine teilbare herrenmoral gibt.
      wir hatten uns längst schon zu verabschiedes, madames.
      ( und ich noch ein wenig zeit, bis die kartoffelklösse so richtig glänzen )
      muss wohl noch einen rauchen.

    • mal so richtig eklig hier dazwischengefunktioniert, gell ?
      als alter stasioffizier, der jetzt fdp wählt, weil die cdu echt gleich einen auf panik macht, wenn frauen anfangen frauen sein zu wollen ( zu sein )

    • Na ja, manchen scheint das egal zu sein, wie jemand über das Dritte Reich und Hitler denkt: “Ach ja, der hat das doch nicht so gemeint. Ist ja auch ein Sportler, Künstler, Astronaut…. Lasst uns ihn nach seinen Leistungen beurteilen und nicht nach seiner politischen Gesinnung.” Eine solche Einstellung ist, zumindest nach meiner Meinung, sicherlich noch nicht manifestiert unmoralisch und unanständig, aber sie geht definitiv mit einer schwindenden Distanz zum Abschaum einher. Ähnlich übrigens damals die Diskussion um Polanski. Für mich sind das Diskusionen, bei denen es am Ende nicht nur, aber auch, um Moral und Anstand geht.

    • Im übrigen habe ich Sie nicht zm Verteidiger von Moral und Anstand erhoben. Das ist etwas, was ich nicht kann. Aber gefallen hat mir trotzdem, wie Sie Kienspan Kontra gegeben haben 🙂

    • Vielleicht sollte es uns auch egal sein, wie manche über Hitler und das dritte Reich denken, am Ende sind es bestimmt keine von diesen Speers usw.
      Manchmal sage ich mir das, aber immer merke ich, dass etwas daran falsch ist.
      Wenn Emir Kusturica, den ich mal sehr mochte, Karadzic verteidigt, wenn er sagt, ich war schon immer auf der Seite der Verfolgten, dann wird es schief, da kann zumindestens ich, seine Filme nicht mehr sehen.
      Oder eben einer der so einen Mist redet, wobei ich schon vorher keine Filme von dem gesehen habe, von daher, bin ich sowieso auf der sicheren Seite.
      Aber denken Sie nur an Cat Stevens, der zur Ermordung von Salman Rushdie aufrief. Was ist denn das?
      Was sind denn das für Künstler?

    • der schwindelnde abraum, corinna, kann stets nichts anderes bedeuten, als dass man etwas mit fäkalien zu tun hat, gemischt mit sperma, dunkelkeit und einer grossen hoffnungslosigkeit, ein wenig trost dazu, eine art liebesgebot ( du sollst nicht alles essen, von dem, was du bekommst ) liebesentzug, photovolltaik, gangstertum und knallharte strafmodi.
      hau mir mein auge raus und du liegst neben deiner verscharrten leber, oder dem herz oder wie wer, der ganz neben sich liegt, mitsamt der frau ?
      nachmittag, klar jetzt ist nachmittag

    • Er istr Künstler und ein Arschloch. Wer sagt denn, dass Künstler die besseren Menschen sind? Arno Breker, mit Verlaub, ist auch ein Künstler. Und ein Arschloch. Und Leni Riefenstahl? Und Heidegger? Und, und, und….

    • Ja das ist wahr und genau das meine ich, man kann sagen, okay er ist ein Künstler und trotzdem ist er ein Arschloch, das hat der Dänische Filmemache auch getan, aber Sperr ist eben nicht nur ein Arschloch, er hat mitgewirkt

    • Sehe ich auch so! Speer spielt in einer ganz anderen Liga. Hätte man zur Zeit der Nürnberger Prozesse die ganze Wahrheit um Speer gewusst, er hätte gebaumelt wie alle anderen Verbrecher. Und er war ein Verbrecher! Mag sein, dass von Trier ein bisschen wirr im Kopf ist. Das macht seine Anmerkungen zum Dritten Reich und Hitler nicht besser.

    • @Sturznest & Walker Allerdings. Eine Sache noch: Ich denke, “Künstler/Künstlerin” ist kein Orden, den man aberkennen kann, weil jemand gleichzeitig ein Vieh ist. Ich formuliere das mal absichtlich so drastisch. Jemand, der künstlerisch arbeitet, ist ein Künstler. Wie weit man diesen Begriff fasst, ob dazu Berühmtsein gehört oder Qualität, oder ob es ausreicht, dass sich jemand selbst als Künstler bezeichnet, wäre eine andere Diskussion.
      Wenn ein Künstler gleichzeitig ein Arschloch ist, oder gar ein Verbrecher, kann ich diesen Menschen mit den mir eigenen moralischen Kriterien beurteilen. Auch verurteilen. Das Künstlersein ihm absprechen kann ich nicht.
      Mit einer schwindenden Distanz zum Abschaum hat das für mich nichts zu tun: ich denke einfach, die Beurteilung von Kunstwerken sollte keinen moralischen Kriterien unterliegen. Nein, anders, sie sollte sich nicht von moralischen Kriterien abhängig machen. Sonst dürfte man beispielsweise auch keine Pyramiden mehr bewundern … oder?
      Kunst entsteht nicht selten aus einem zerstörerischen Impuls. Der geht entweder nach innen, autoaggressiv, oder nach außen.
      Zu Ende gedacht ist das noch nicht …

    • Zugegeben… …sehr provokativ: Aber wie sieht es aus mit Künstlern, die aus Menschenhaut dekorative Lampenschirme fertigen? Menschenhaut, nebenbei gesagt, die einem Juden vor seinem Gang ins Krematorium abgezogen wurde.
      Im übrigen ging es doch in der Diskussion nicht um die Aberkennung des “Status” Künstlers gegen solche Zeigenossen, deren politischer Instinkt etwas zu müffeln scheint.

    • Ihr Beispiel, Walker, ist ein Diskussionskiller.
      Und: doch, es ging um Status. Zitat Sturznest: “Irgendwann hat man den Anspruch “Künstler” zu sein verspielt, spätestens dann, wenn man erkennt, was dieser sogenannte Künstler unterstützt, gestützt und für gut befunden hat.”

    • Kein Diskussionskiller, sondern ein Faktum. Sperr ist kein Künstler.
      Schauen Sie mal, Ihr Freund zum Beispiel spricht mir mit einem Federstrich ab dass ich ein Künstler bin, da habe ich keine größere Aufregung von Ihnen gehört.
      Sperr ist kein Künstler und der Filmemacher wird weitermachen, man wird diesen Unsinn den er von sich gelassen hat, wieder vergessen, er hat ja niemanden umgebracht, er hat dummes Zeugs geredet

    • Ich sagte ja, dass das mit der Menschenhaut provokativ ist. Ich denke nur, dass man auch extreme Sachverhalte beleuchten sollte, wenn man zu einer belastbaren Aussage kommen möchte.

      Zur “Aberkennung” des Status Kümstler: Ja, das hat Sturznest geagt. Ich meine aber, dass sie/er ihre/seine Meinung im Laufe der Diskussion insofern revidiert hat, als dass die Kombination Künstler und gleichzeitig Arschloch die zuteffendste Bezeichnung für bestimmte Zeigenossen wäre. Aber eigentlich sollte Sturznest das noch mal klar stellen, wenn ihr/ihm etwas daran liegt. Ich halte es, wie in einer vorherigen Diskussion schon mal erwähnt, mit Beuys. Das macht jede Diskussion überflüssig, ob wer nun Künstler sei oder nicht.

    • @Sturznest Wir sprechen aneinander vorbei. Und ich weiß auch leider nicht, wie sich das ändern ließe. Das ist keine Schuldzuweisung, sondern einfach ein Feststellung. Kann genauso an mir liegen wie an Ihnen.

      (Was Kienspan Ihnen abgesprochen hat, sorry, hab’ ich nicht verfolgt, aber um Sie oder mich als Künstler geht’s ja wohl auch kaum bei dieser Diskussion, oder?)

    • Nicht Kienspan hat mir das abgesprochen…
      Aber egal.
      Sie haben ja vollkommen Recht, es ist am Ende eine müssige Diskussion. Faschismus, da sind wir uns doch alle einig, will keiner

    • Nur, was mich aufgebracht hat, war die Wörter

      “tiefste Symphatie” und dass im Zusammenhang mit einem Zitat, dass kein Mensch braucht, dass sie ja selbst auch als Vollidiotisch benannt haben.

      Dem Filmemacher passiert doch nichts, er wird einige Fragen gestellt bekommen, einige werden sauer auf ihn sein, aber mit der Zeit wird das wieder vergessen.
      Ein Schriftsteller wie Bruno Schulz wurde von einem Nazi erschossen, einfach so, ohne irgendwelchen Grund, weil er eben kein Mensch für ihn war, genauso hätte Sperr Bruno Schulz umgebracht

    • @Julian Rosenberger Soeben habe ich bemerkt, dass Sie die Kommentare auf Ihrem Blog moderieren.
      Hm.
      An der Diskussion hier beteiligten Sie sich nicht.
      Hm.
      Warum wohl?

  1. @Phyllis Ich unterlege meine Sympathie für von Trier noch mit dem ebenfalls sehr kontrovers diskutierten Beispiel Bruno Ganz, der im Interview darlegte, “für kurze Momente Mitleid mit diesem erbärmlichen Menschen” empfunden zu haben. Er meinte Hitler, den er im Film “Der Untergang” in grandioser und gleichzeitig berührender Weise darstellte. Diese Arbeit wäre ihm, so Ganz, ohne Einfühlung in den Menschen Hitler nicht möglich gewesen (von Trier sagte: “…I sympathize with him…”). Aber auch der Film selbst wurde damals wegen des “Tabubruchs” teils vehement angefeindet.
    Aus der Diskussion hier habe ich mich wegen Aussichtslosigkeit zurückgezogen, das will ich mit meiner Ergänzung nicht ändern.

    • Na wenn schon zitiert wird dann aber auch mal der

      “”Es ist ein widerwärtiges und schreckenerregendes Land. Ich konnte die Deutschen noch nie ertragen, den schweinischen deutschen Geist, aber in der gegenwärtigen Lage (die im übrigen ganz gut zu ihnen passt) wurde das Leben für mich dort völlig unerträglich, und ich sage das nicht einfach, weil ich mit einer jüdischen Frau verheiratet bin.”

      Vladimir Nabokov

      oder

      “”Die Tour ist ein Mißerfolg. Deutschland ist gräßlich. Das Geld ist knapp. Ich bin die ganze Zeit müde.”

      Samuel Beckett

    • Ich sag’s nur dieses eine mal, Sturznest: Ich werde in Hinkunft nicht mehr auf Sie reagieren. Die Zeit dafür ist mir zu knapp.

    • Weil ich zitiere?
      Jetzt wird es aber komisch, sie dürfen zitieren, ich nicht. Gefällt ihnen das nicht was Nabokov gesagt hat, nun, seine Frau wäre umgebracht worden, wenn sie im NaziDeutschland gelebt hätte, er konnte schon deshalb nicht mit diesem Land symphatisieren… Wer konnte das, frage ich Sie

    • @Kienspan Ohne die Bereitschaft, Tabus zu durchqueren, mögen das nun gesellschaftliche oder persönliche sein, scheint mir eine reale Ausprägung dessen, was als “eigene Meinung” bezeichnet wird, kaum möglich. Ich bin im Grunde eh misstrauisch, was “Meinungen” angeht, denn: Was heißt das schon? Was wiegt das? Mich interessiert Handeln mehr als Meinungen haben. Mich interessiert Haltung.

      Was nun Bruno Ganz und ähnliche Kontexte angeht: Der Prozess des künstlerisches Schaffens hat meines Erachtens immer mit der Anverwandlung von Welt zu tun. Ob man sich jetzt das Wahre Schöne Gute zu eigen macht, oder die Abgründe, oder beides: Es findet Vermischung statt. Würden Künstler vor der Vermischung mit dem Abgründigen zurückschrecken, sehr viele Werke entstünden gar nicht erst.

    • was ist denn ein tabu durchqueren, für sie?
      ist es ernsthaft mutig zu sagen, ich kann hitler verstehen? oder, ich habe mitleid mit einem menschen, der sechs millionen juden umbrachte?

      Wieso kann nicht Tabu brechen sein, sich diesen Film über Kinder im Warschauer Gettho anschauen.
      Die Art, wie die kleinen Kinderleichen, in den Keller geschoben und dort gestapelt werden, die Gesichter derhungrigen Kinder.
      Das tägliche Morden in Ausschwitz?
      Die Art und Weise wie man Menschen tötet?

      Was ist am anderen denn ein Tabubruch, welcher Mensch will denn wissen was Hitler in der letzten Nacht dachte, ich möchte wissen was ein Mensch dachte, bevor er von diesen Verbrechern umgebracht wurde.

    • Das bleibt Ihnen doch unbenommen, Sturznest. Uns allen. Und ich h a b e mir solche Filme bereits angesehen. Ich muss auch nicht mehr auf Moral und Mitgefühl und Entsetzen beim Fehlen der beiden getrimmt werden: ist alles vorhanden. Die einzige Sache, bei der ich mit Ihnen uneins bin, ist Ihre Meinung, Verbrecher verlören ihren Künstlerstatus. Darüber kann man tatsächlich streiten.

      Aber ich will und muss mit meinem Manuskript weiterkommen, deswegen kann ich mich heute schlichtweg nicht weiter engagieren in der Sache.

    • Ja aber das ist meine Meinung, mir macht es Schwierigkeiten Handke zu lesen, ich krieg das nicht hin, ich kann seine zwei Idiotenbücher über Jugoslawien nicht vergessen, andere sind da ganz anderer Meinung.
      Was jemand betrifft wie Sperr, warum soll ich so einen als Künstler bezeichnen, wo es andere gibt, die durch solche wie Sperr umgebracht wurden, mich interessieren die, die umgebracht worden mehr als ihre Mörder.
      Das klingt jetzt schrecklich moralisch. Aber ich kann es nicht ändern.
      Aber Sie werden doch weiterhin die Filme von diesem Herrn anschauen, ob ich da etwas dagegen sagen würde (was ich niemals tun würde, ich würde auch keinen sagen, lies kein Handke, auch dafür sind die Faschisten zuständig, die einem ja vorgaben, was man als Deutscher zu lesen hat und was nicht.)

    • @Phyllis Ich teile Ihre Ansicht, was die Notwendigkeit zur Tabudurchquerung betrifft, denn das Tabu enthebt die Mitglieder einer Gesellschaft der Verantwortung, sich zu gegebenen (oder, allgemeiner: angenommenen) Sachverhalten eine eigenständige Meinung zu bilden. Was bleibt, sind Stereotypen, die einer breiten Verständnisweitung entgegenstehen. Das ist ein herber Verlust an Entwicklungsmöglichkeiten. Wenn nun Künstler aber sich des Tabuisierten nicht annehmen würden – wer sonst könnte es wagen? Bestenfalls noch die Wissenschaft, allerdings nur sehr, sehr eingeschränkt. Tabubrechende, nicht-künstlerische Einzelindividuen werden scharf zurückgepfiffen.
      Ich meine allerdings auch, dass Künstlern die Vermischung mit dem Tabuisierten nicht einfach aufzubürden (im Sinne von zuzuweisen) ist. Wenn sie es dennoch (gelingend) tun, sollte es ein Gewinn für die Gesellschaft sein. Ist es aber nicht. Die Beharrungskräfte sind stärker, wie man immer wieder beobachten kann.
      Zwischen Abgründigem und Tabuisiertem erkenne ich, das will ich noch ausführen, eine deutliche Trennlinie. Niemand macht sich heute Gedanken über Gewaltdarstellungen und Trickaufnahmen, in denen Hirn wie Matsch an die Wand klatscht. Auch gegen die Darstellung sexueller Abgründe regt sich kaum Widerstand. Ganz im Gegenteil, je realistischer, desto besser. Das sind nämlich keine Tabus mehr, eben “nur” Abgründe – ein “Das tut man nicht”.
      Hingegen wird die Aussage, sich in die pathologische Entrücktheit Hitlers einfühlen zu können, als nicht hinnehmbar empfunden (“Das denkt man nicht”). Solche Menschen werden geschasst, noch dazu von einer Ansammlung von Menschen, die mit ihren Werturteilen einen Kunstbegriff formen wollen.

      Ihr verlinkter Beitrag: Große Klasse!
      Haltung gewinnen, Flagge zeigen.
      Ja, unbedingt!

    • Dass sich Kienspan gern so geschwollen ausdrückt, ist natürlich für uns Normalsterbliche unangenehm. Und auch schade. Schließlich erreicht man auf diese Weise nur wenige.
      Aber in diesem Fall würde ich ihr/ihm zögerlich recht geben. Aber warum kann er/sie sich nicht einfach einer gängigen Alltagssprache bedienen; auf seine Weise vermittelt man doch normalerweise nur schlechte Nachrichten oder politische Entscheide? (typischer Blog-Beitrag)

      Jetzt mal zur Sache: LvT ist als typischer Welthasser, Depressiver und Apokalyptiker selbstverständlich daran interessiert und auch bestens in der Lage, sich in krankhafte Persönlichkeiten einzudenken. Deshalb wird ihn die Psyche Hitlers immer interessiert haben. Hat er höchstwahrscheinlich irgendwann mal gemacht, und das jetzt sehr, sehr ungeschickt geäußert.
      Dass er jetzt einvernehmlich als “persona non grata” geadelt wird, zeigt nur wie wenig unfortgeschritten die Aufarbeitung dieser entsetzlichen deutschen Phase ist. Wie soll dieses unsagbar Schlimme jemals über diese blöde “Von deutschem Boden soll nie wieder ein Krieg ausgehen” hinausgehen und tiefergehend verstanden werden (vielleicht zur Verhinderung) , wenn man noch darüber streitet, ob Harald Schmidt Hitlerwitze machen darf oder ein kranker LvT sich dazu äußern darf.

      Dass Harrald Schmidt

    • @Irgendwer Wie sich hier Kommentatoren ausdrücken, ist sehr verschieden, und ich hoffe auch, dass das so bleibt. Je mehr sich hier allerdings die von Ihnen offenbar favorisierte Alltagssprache als Norm durchsetzen würde, desto trauriger würde ich: ich mag nämlich diese Sprache, die Sie als geschwollen bezeichnen. Ich empfinde sie als angenehm. Ebenso wie die Ihre, übrigens. Bei manch anderen geht mir deren (manchmal allzu) salopper Stil manchmal gegen den sprachästhetischen Strich, aber was solls. Jeder soll so schreiben, wie es ihm/ihr eigen ist.

      In der Sache, das wird Sie nicht wundern, gebe ich Ihnen recht: dieses mundtot machen wollen von Leuten, die sich in eigen-williger Weise über das Thema äußern, hat was sehr unausgegorenes. Das wirkt hilflos. Und da Sie von “Verhinderung” sprechen: Ich glaube ja, Verbrechen dieser Dimension lassen sich nur verhindern, wenn das freie, sich individuell entwickelnde Denken nicht überbügelt wird von irgendwelchen “Nie wieder” – Credos, die dann doch nicht standhalten würden, wenn’s darauf ankäme.

    • @irgendwer Eine geschwollene Sprache (gelegentlich auch als Schriftsprache bezeichnet), die Sie an mir beanstanden, verhilft dazu, sich über die eigenen Impulse hinweg zu heben. Es wäre niemandem (auch mir selbst nicht) damit gedient, würde ich Ihnen oder jemandem anderen in die Fresse schlagen. Verbal, versteht sich.
      (es wäre auch nicht wohlgelitten)
      verdammt, schon wieder so geschteltst geschwurbelt

    • @Kienspan, Schriftsprache Es gibt Weblogs, da findet man sich ein und atmet auf und durch: In meinem Fall sind das (von einigen Ausnahmen abgesehen) jene, auf denen sich die Schreibenden einer elaborierten Sprache bedienen. Aus reinem Vergnügen an der Sache. Ich liebe es, ungewöhnlichen Worten und Redewendungen zu begegnen. Ich liebe Melusines sprachliche Souveränität, ANH’s stilistische Finesse, Dr. Scheins geistreiche Miniaturen, die poetische Geschliffenheit der Weberin und Aleas Eleganz – um nur einige zu nennen. Auf solchen Weblogs zu kommentieren ist immer eine Herausforderung, weil man dem, was der Autor/die Autorin vorgegeben hat, gerne sprachlich gerecht werden möchte. Bei anderen von mir ebenso geschätzten Weblogs, auf denen eher Umgangssprache vorherrscht, fällt mir das Kommentieren leichter, braucht weniger Grübeln, da tu ich’s dann auch häufiger. Ich lese regelmäßig ein knappes Dutzend Weblogs. Nicht lesen würde ich unter anderem jene, bei denen von Kommentatorenseite einfach drauflosgeredet wird, als wäre man in der Kneipe. Ich mag Form, und habe das auch schon oft genug thematisiert. Auch das Ringen um Form mag ich: mir ist ein Text, der fast gut ist, dem ich die Suche noch anmerke, immer lieber als einer, der so tut, als gäb’s keinen Unterschied zwischen Alltags- und Schriftsprache.
      Wohlgemerkt, das ist alles sehr subjektiv.
      Und eigentlich nur das Intro, um Ihnen zu sagen: Schreiben Sie bitte weiter so ; )

  2. zur Info Gerade habe ich einige verwaiste Antworten an Sturznest weggenommen.
    Der Mann, dieser Allerwerteste, löscht seine Rempeleien nachträglich in manipulativer Absicht.
    Ich hab die Schnauze gestrichen voll.

    • @Kienspan Man schadet sich mit dieser nachträglichen Löscherei ja im Grunde am meisten selbst, weil Andere, sobald sie das ein paar Mal miterlebt haben, auf solche Kommentator:innen nicht mehr reagieren – es ist einfach zu ärgerlich, wenn sich nach einer Stunde oder einem Tag die Hälfte davon in Luft auflöst.

      Anyway, ich glaube trotzdem, Sie täuschen sich, wenn Sie Sturznest Manipulationsabsichten unterstellen. Mir scheint das eher impulsiv.

    • Sie reden genauso eine künstliche Stuss wie all ihre Beiträge, nix mit dem Leben zu tun haben, meine Güte Atmen sie mal tief ein und dann wieder aus, ich habe gelöscht, weil es hier eine Möglichkeit gibt zu löschen.
      Meine Güte, wir leben auf einem Planeten

    • Aber einer, Sturznest, dessen Geduldsfaden auch irgendwann reißt. Mir leuchten Ihre Gedichte weit mehr ein als alles, was Sie bislang hier auf TT geschrieben haben. Sorry.
      Kienspan zu attackieren, weil er sich mit recht über Ihre Löschungen ärgert, macht’s in meinen Augen auch nicht besser. Ja, wir leben auf einem Planeten. Vor allem aber im Netz. Also genug Platz, um Abstand zu halten von Leuten, mit denen man nicht kann.

    • @Phyllis Nicht die Löschungen per se ärgerten mich, sondern die Überlegtheit dessen, was stehen bleibe sollte. Ich kann mich nämlich in diesen Mann bestens einfühlen, weil ich selbst so ein Mistkerl bin (allerdings verwirkliche ich es nicht).
      Genug geärgert.
      *mähähähähähä!* ; )

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