Entspannen Sie sich. Aber nicht zu sehr. Mittwoch, 26. Januar 2011.

(…) “Hier finde ich es entspannt, auf den beiden anderen blogs ist es mir irgendwie zu ambitioniert und anscheinend von “Denkgebäudeanskizzierungen” da schon besetzt” (…)

Aussagen wie diese, die gestern im Zusammenhang mit der Bilderdiskussion auftauchte, machen mich nachdenklich. Zum einen, ja, auch ich bin gern entspannt. Zum anderen las ich gestern leicht irritiert den Überlegungen hinterher, die andernorts zum Thema weiter gingen, während von Intensität (geschweige denn Relevanz) auf TT fast nichts mehr zu spüren war.

Was, zum Henker, ist gegen Ambition einzuwenden? Gegen Denkgebäude? Wenn die verhindern, dass interessante Themen in der Verbalschaumparty verenden, ist mir das allemal lieber als Entspannung.
Woran mir allerdings liegt, ist eine gewisse Durchlässigkeit.

Früher, während des Studiums, hatte ich ein riesiges Atelier mit anderen zusammen. Da war man, außer sehr früh morgens, eigentlich nie allein. Ein paar von uns malten, die anderen hingen auf den ausgeleierten Sofas rum, tranken Unmengen Kaffee (jaja, nicht immer nur Kaffee) und gaben ihre Meinungen ab, falls man sie denn hören wollte. Gelegentlich auch, wenn man sie partout nicht hören wollte. (Meinungen werden überschätzt)
Klar, klingt genau so, wie man sich’s vorstellt bei Kunststudenten, aber so war das eben. Es wurde endlos geredet, aber auch unmäßig viel gearbeitet. Und da wir alle voneinander wussten, womit wir uns gerade abquälten (soll keiner behaupten, Malen sei entspannend), wusste man auch immer, von welchem Punkt aus ein bestimmtes Argument, eine bestimmte Meinung, losgeschossen wurde: man gestand sich gegenseitig – wenn schon nichts anderes – eine gewisse Maßgeblichkeit zu. Wer arbeitet, darf auch ausreden.

Tja, so war das.
Sie ahnen, worauf ich hinaus will.

Hier auf TT spüre ich immer wieder, ich komme mit jenen Kommentator:innen am besten zurecht, die eine eigene Präsenz im Netz haben, völlig unabhängig davon, ob sie sich dort mit ihrem Privatleben zeigen, mit Kunst, Literatur, was auch immer; ich lasse mich gerne in andere Welten locken. Anonyme dagegen bleiben Phantome. Das wäre – um das Bild der Studentin zu bemühen, again – so, als wenn damals durch die offenstehende Ateliertür ein Windhauch gegangen wäre. Ein paar Minuten später wäre dann auf einem freien Stück Wand aus dem Nichts ein Satz aufgetaucht.
Wir hätten uns gefreut über diesen wundersamen Akt. Den Satz gelesen. Meinetwegen auch diskutiert und in eine neue Arbeit eingebaut, vorausgesetzt, er hätte etwas magisches gehabt. Wenn allerdings ständig neue, redundante, Sätze unsere Wände langsam so vereinnahmt hätten, dass kein Platz für unsere Bilder mehr gewesen wäre, wir hätten angefangen, uns zu ärgern. Und den Kram übermalt.

Verzeihen Sie mir die Schlichtheit meiner Nachtigall… mir liegt daran, dass mich die Phantome verstehen, deren Zeug ich immer wieder löschen muss. Was mir nicht immer fix gelingt, weil ich parallel zu diesem Weblog auch noch ein, zwei andere Kleinigkeiten in Arbeit habe.

Sie, geschätzte Leser:innen, sind übrigens nicht gemeint – ich habe nichts gegen Pseudonyme. Nur gegen Beliebigkeit.

To whom it may concern: Sie sind, so leid mir das tut (und das meine ich ernst) nicht maßgeblich für mich. Ich muss auch keine Wand übermalen, um Sie loszuwerden. Die Löscherei ist ein bißchen lästig manchmal, aber was solls. Nein, was mich als Künstlerin wirklich betrübt, ist, wie freiwillig Sie darauf verzichten, sich Gewicht zu verschaffen.
Sie kennen das Ding mit dem Satz, der Berge versetzen kann, oder? Sie aber kriegen nicht mal einen Maulwurfshaufen aus der Achse gerückt.
Try harder, kann ich da nur sagen.

Und vergessen Sie die Entspannung. Die kommt danach, for god’s sake.

26 Gedanken zu „Entspannen Sie sich. Aber nicht zu sehr. Mittwoch, 26. Januar 2011.

  1. die forderung nach nicht-redundanz scheint mir nicht leicht zu erfüllen. aber das macht nichts, wie schon einmal erwähnt, erfrischen ihre beiträge und ermüden manche(sic!!!) kommentare. aber als gast muss man ja auch nicht alles essen, was am buffet steht;-)

    • @la-mamma Kann sich denn im Ernst jemand Beliebigkeit wünschen?
      Ich freu’ mich aber auch ganz oft an der Vorstellung, dass Gäste hierher kommen, da sind, und gelegentlich etwas einwerfen. Das muss nicht immer ausgegoren sein. Oder wichtig. Nur – und darauf muss ich nun mal bestehen – ist TT kein Ort für Leute, die (aus Gründen, die mir mehr als fern sind) Zeit totzuschlagen haben.
      Oder dieses Weblog -und damit mich- als Spielplatz missbrauchen, auf dem sie ihren Müll liegenlassen…

      Gute Erfrischung weiterhin ; )

    • Das werden Sie allerdings kaum verhindern können, werte Phyllis, auch dann nicht, wenn Sie das Kommentieren auf angemeldete twoday – Nutzer beschränkten. Kann sich jemand ernsthaft Beliebigkeit wünschen ?, fragen Sie, und ich antworte mit ja, ohne sie selbst für wünschenswert zu halten. Ja, weil ich meine, auch die durchaus ernsthaften, nichtsdesto weniger immer wieder abschweifenden Kommentare einiger Beteilgter laden geradeheraus dazu ein, weil ich denke, manch ein Thema ist Einladung zur Vermeidung, ohne daß ich wollte, Sie würden diese Themen aufgeben oder auch nur einschränken, drittens glaube ich an den unbedingten Drang zur Selbstdarstellung, dem jeder unterliegt, Leute ohne eigene Webpräsenz allerdings in fremden Residenzen ausleben müssen / wollen. Trotz allem habe ich ab und an den Eindruck, hier entstünde ein Gesamtkunstwerk, das ohne Kommentare zwar vollständig, aber nur halb so lebendig wäre. Wollten Sie dies steuern, bliebe Ihnen nur das Mittel der Kommentarmoderation, ebenso aufwendig und zeitintensiv wie nachheriges Löschen. (Die Zensurvorwürfe blieben nicht aus … ) Mein kleines, bescheidenes Blog hatte bislang wenig mit solchen Erscheinungen zu kämpfen, nur einmal mußte ich einer Leserin regelrecht untersagen, meine Gedichte mit ihr passenden Enden zu versehen. Sie verstand – und verschwand. LG tinius

    • @Tinius Manche Themen sind Einladungen zur Vermeidung, schreiben Sie.
      Also doch Tabus?
      Oder einfach die Lebensklugheit der Leser:innen, die lieber scherzend abschweifen, statt sich auf Treibsand einzulassen, den sie selbst vielleicht bereits überwunden haben?
      Ich kann keines meiner Themen aufgeben – man sucht sich die als Künstlerin nicht aus, man holt sie “nur” ans Licht.

      Stimmt, ich sehe TT auch als werdendes Gesamtkunstwerk; es wäre mir höchst unangenehm, Personen davon auszuschließen. Zudem will ich auch niemanden erziehen, sondern baue darauf, dass sich hier mit der Zeit etwas entwickelt, an dem neben der meinen möglichst viele unterschiedliche Stimmen Anteil haben. Anonyme sind willkommen, Selbstdarsteller ebenfalls, Spammer allerdings fliegen raus. Das hat mir auch Dr. Scheins Link (weiter unten in diesem thread) zu seiner eigenen Auseinandersetzung mit dem Thema nochmal deutlich gemacht.

      Danke, übrigens, für Ihren für mich wichtigen Kommentar – Sie schreiben doch normalerweise immer nur ganz kurz hier, was ist denn in Sie gefahren? ; )

  2. Ausgewogenheit usw. Hallo am schönen Mittwoch,
    es stimmt schon, dass man die Entspannung nicht vergessen soll – aber die kommt bei mir immer erst nach einer freudig getanen Arbeit. So hat mein Tag Ausgewogenheit und ich komme nicht in Zeitdruck. In der heutigen Zeit hört man so oft “Ich habe keine Zeit” – aber das stimmt ja nicht,
    denn jeder Mensch hat 24 Stunden Zeit am Tag – es kommt nur darauf an was man damit macht.
    Hat mich gefreut, den Beitrag oben zu lesen.
    Bis demnächst
    sternenbild

  3. Ich…bin ein anonymer Konsument. Ich hab das nicht so, mit dem selber bloggen, den Sprung habe ich noch nicht geschaft. Ich weis auch, dass Sie mich nicht als Phantom ansprechen. Aber um den Phantomen etwas weniger zu aehneln, hier etwas ueber mich. Ich bin Naturwissenschaftler, arbeite in der Forschung. Manchmal rede ich ganze Tage mit niemandem ausser mir selbst. Ich befasse mich mit genetischen Mutationen durch Umwelteinfluesse, momentatan grade mit der Fruchtfliege, weil man sie unter anderem praktisch einfrieren kann.Ich trinke zuviel Kaffee. Ich lese scioence fiction, aber auch neue Literatur. Ihre Zeichnungen, die schnellen und die langsamen, und Ihre Fotos sind fuer mich spannende Kunst, auch wen Hoeschen mir weniger wichtig sind, als einigen anderen anonymen Lesern.

    • mich irritiert nicht dass sie löschen sondern was sie löschen.
      ( bei herbst ist das genauso )
      und was steht oben ?
      ambitioniert.
      wenn sie da nicht etwas ambitioniertes löschten gestern.
      ich weiss nicht wer da kommentierte gestern.
      ich wollte eigentlich nur einen kommentar noch gesetzt haben, da bemerkte ich
      die löschung, spürte dem nach und wollte eigentlich nur wissen, wie ambitioniert spiessig reaktionen sein können.

      meine frage war, für wen der mann auf der zeichnung tatsächlich erotischer ist mit slip als gänzlich nackt, wäre er gänzlich nackt.

      dass ich letztlich dann selbst spielgetrieben entgleiste, ist dem alkohol geschuldet aber auch der gesamtsituation, ausserdem unterlief mir bei einem kopiervorgang ein fehler.
      ich hatte nicht vor, die ganze linke spalte zu kopieren und zu posten, ich überlegte mir, ob ich nicht das schon gelöschte für mich investigativ speichern sollte wie sherlock oder so.
      machte ich nicht, war mir zu blöd, bin kein schnüffler.

      sorry.

  4. Mit Sprache Räume bauen, in die das Licht nicht mit Eimern getragen werden muß. Mit Fenstern zum Hinein- und Hinausschauen, mit Türen, die man in beide Richtungen benutzen kann. In diesen Räumen wird kommuniziert, manche geben etwas zum besten, andere schweigen lieber, doch das wechselt natürlich, je nach Thema. So könnte man das Wesen eines Blogs ohne Inanspruchnahme von Theorie umschreiben, denke ich. So weit so gut. Dennoch stehen mindestens zwei wichtige Fragen im Raum: wollen diejenigen, die sich im Raum befinden, unter sich bleiben, eine mehr oder weniger homogene Interessensgruppe bilden, oder wollen sie Interessierten den Zugang von außen gewähren? Gemeinhin gilt sicher letzteres, doch dann taucht die Frage auf nach den Regeln, an die sich alle zu halten haben. So weit, so schlicht. Doch was geschieht, wenn nicht faßbare Anonyme die Wände beschmieren und randalieren? Alle Unbekannten sofort und generell hinausschmeißen, sie am besten garnicht erst hineinlassen? Fenster und Türen zumauern? Nein, natürlich nicht! Am ehesten erfolgsversprechend wäre sicher die Installation eines (freundlichen) Torwächters, bei dem die Anonymen eine Sicherheit hinterlassen müssen, eine reale E-Mail-Adresse mit Klarnamen, denn dann wäre allen Wohlwollenden gedient und den Anonymen nicht zu viel abverlangt. Ein Blog kann sicher ein Wir-Gefühl erzeugen, doch dann sollte dieses Wir auch aus einzelnen Ichs bestehen. Denke ich.

  5. @Lobster Gestern hatte ich wieder einmal versucht, zu einer Zeichnung von Frau Kiehl einen Gedankenfaden abzuwickeln. Ein “Lobster” legte den seinen offenbar dazu. Ich versuchte ihn aufzunehmen. Doch was soll ich sagen? Im Dickicht farbloser Sprechfussel geschwätziger Trolle befällt mich Atemnot. Wenn ich dann nicht mal mehr hinsehen will, nehme ich am Ende meinen eigenen Thread wieder weg – d i e Freiheit nehme ich mir. Hatt’ ich übrigens gestern auch erklärt.

    Den Lobster unter den vielen Lobsters, die sich gestern hier tummelten, herauszuschälen, ist mir schlicht zu mühsam. Außerdem hege ich mittlerweile Zweifel daran, dass Sie an einer Kommunikation mit jemanden anders, als der Künstlerin selbst (oder vielleicht noch Künstlerkollegen – ich denke da z.B. an a23h) überhaupt interessiert sein könnten.

    Intellektuelle Kurzatmer mit beständig wenigstens einer Hand im Schritt gibt es mehr, als die Welt verträgt. Ich zählte Sie n i c h t dazu. Allerdings interessiert mich auch nicht, welche Kreisel bei Ihnen unter Alkoholeinfluss in Bewegung kommen oder welche Breite Sie einnehmen, wenn die Rauchtemperatur passt. Es ist noch nicht mal unhöflich, nein, es ist einfach nur lästig. Ist d a s Ihre Mission? Lästig sein?
    Ich mag’s noch immer nicht glauben.
    Diese Plaque musste ich mir mal aus den verärgerten Hirnverwinkelungen schaben.
    sorry

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