Ricarda Junge / Eine schöne Geschichte

“Einmal habe ich das örtliche Telefonbuch von der ersten bis zur letzten Seite gelesen.”

Eine schöne Geschichte, S. Fischer Verlag, 2008

Der Titel führt irre, der erste Satz auch, die Geschichte ist weder schön, noch ist Marie, die Hauptfigur, eine Zwangsneurotikerin.
Oder nein, die erste Behauptung nehme ich zurück, die Geschichte ist doch schön. Unter anderem. Vor allem ist sie bemerkenswert. Nachdem ich diese Stadt, in der alles verschwindet und an anderer Stelle wieder auftaucht, und in der man nur findet, was man n i c h t sucht, eingetaucht war, kehrte ich nur widerwillig in meine eigene zurück.

9 Gedanken zu „Ricarda Junge / Eine schöne Geschichte

    • Dagegen steht dann der ganz und gar klare Satz, der dem Roman den Rahmen gibt, etwa bei Adalbert Stifters ‘Der Nachsommer’ (1857): “Mein Vater war ein Kaufmann.”
      Doch das ist natürlich eine Ausnahme, meistens geht es tatsächlich darum, den Leser zu Beginn irre zu machen, auf daß er eben dies am Ende weiß. In Halldór Laxness’ Erzählung ‘Das gute Fräulein’ (1933) heißt es: “Der Sommer ist kurz vor dem Herbst am schönsten. Deshalb beginnen gute Geschichten, während noch Sommer ist und die Vögel singen und die Sonne ihre Strahlen über Land und Meer ergießt. Zu dieser Zeit beginnt auch die Geschichte von dem guten Fräulein Rannveig, der Tochter des Propstes, die sich nun endlich dazu entschlossen hatte, ins Ausland zu reisen, und an diesem Spätsommertag durch ihr Dorf ging, um Abschied zu nehmen, während die Schären sich wie stolze Burgen in Luftspiegelungen über die glatte Fläche des Meeres erhoben.”

    • Da haben Sie ja was ein- bzw. angerichtet! Seit der Einrichtung der Rubrik ‘Erste Sätze: Romananfänge’ muß ich in alle möglichen Lieblingsbücher hineinsehen, um den Anfang zu lesen. Das ist hier und da auch schon mal enttäuschend, gelegentlich aber auch sofort wieder sogbildend. Ein Beispiel:
      “Es ist nicht allgemein bekannt, wie ich den alten Phillip Mathers umgebracht habe; ich zerschmetterte ihm die Kinnlade mit meinem Spaten.” Flann O’Brien: Der dritte Polizist. Erstveröffentlichung bei Macgibbon & Kee, London 1967.

    • Lustig, dass Sie das schreiben; mir geht’s natürlich genauso – und auf die Enttäuschung, wie wenig saugend viele meiner Lieblingsromane anfangen, war ich schlecht vorbereitet.
      Hm.
      Der von Flann O’Brien ist definitiv ein Gegenbeispiel.
      Ich such’ mal eben nach einem weiteren …

    • @anh Ich fragte nicht nach Ihrem besten ersten Satz. Sondern danach, ob Schönheit allein auch bei Ihnen, wie bei Aragon, ausreicht, Sie an eine Frau zu binden.
      (Indiskret ist die Frage aber immer noch, deswegen wird sie auch ein zweites Mal zurückgezogen)

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