Sabbaticals seien dieser Tage schwer angesagt. Ich würd’ ja soweit gehen und sie vorschreiben, zumindest jenen Individuen, von denen man in Zukunft noch Großes erwartet.
(Also allen. Bin heimliche Idealistin)
Heimlich unbeholfen, heimlich geflissentlich, heimlich barock. Hm, was noch.
Bekennerschreiben Number one, erster Absatz:
Heimlich ist nicht geheim, doch das wisst ihr längst, ihr Blasebacken und Zurechtkalibrierer. Heimlichkeit, das ist die große Schwester der Unschlüssigkeit. She’s a bully, she’ll never let you be the star.
Manches von dem, was ich definitiv weiß, ist so heimlich, dass selbst mir der Zugriff darauf verwehrt bleibt, abgesehen von den paar Sternstunden pro Jahr.
Gerne offenbarte ich mehr, wär’ Öl auf den Maschinen, Wasser auf euren Mühlen, wär’ der Psalm und das Zünglein an der Waage. Grundsätzlich nicht diejenige (zu sein), die aufstemmt, sondern jene, die schon immer drin war.
Harhar. Ich hätt’ gern leichtes Spiel. Gerne auch zu zweit. Donnergrollen auf die, die stets von ihrem Hosenboden aus verkünden, dass nichts Gewicht haben könne, von dem man keine Hämorrhoiden kriegt.
Hey, bleeding guys!
Ich will nicht bluten, jetzt nicht, und später nicht!
Der Hosenboden der Tatsachen ist zerschlissen!
Niemand kann mir noch etwas beibringen, heutzutage. Wir sind alle gleichzeitig, alle Kanäle ausspioniert, alle Geheimnisse entheimlicht.
Ich wünschte nur, jemand würde bieten.
Kontinuität, zum Beispiel: So ziemlich das Einzige, was mir misslingt. An einer Sache dranbleiben. Manchmal denk’ ich, ich bin verhext. So flatterhaft kann doch niemand sein, so verstreut, so erschrocken.
Mein Gehirn wie ein Schwarm Fruchtfliegen: beim geringsten Luftzug stiebt es auseinander. Minutenlang liegt die Frucht dann ohne da, bis der Schwarm wieder landet. Das Unglaubliche, kaum Erträgliche daran ist: Man kann auch im Unintelligenten prima leben. Wenn der Schwarm gerade fort ist, verteilt auf Hunderte Koordinaten, wenn er wieder landet, stibitzt, gewitzt, wenn das Denken zurückkehrt, als wär’ nie was gewesen bis zur nächsten Störung: in allen diesen Zuständen lässt es sich besser als gedacht überleben.
Doch lassen wir das. Ich hab’ eh immer ein schlechtes Gewissen, allein auf der Welt zu sein, ohne Auftrag. Von Instinkten lass’ ich mich nicht beauftragen, von Erwachsenen ebenfalls nicht, weder von Gott noch von der Evolution, was bleibt da noch?
Schönschreiben.
Das Gefühl, wenn sich 478 Fruchtfliegen von einem gemeinsamen Schreck erholen. Stellt euch vor, wie sie wieder landen, alle 487 Stück. Dabei war’s auch ohne Hirn schön, zumindest das Schreiben. Und so unpolitisch.
Angesichts der Weltlage. Sie verstehen.
Zu wenig dieser geflügelten Miniaturen. Sie müßten einmal zu mir in die Küche kommen: Allein von den Bananen erheben sich – von den Bananen!, von den Pfirsichen sprech ich noch gar nicht -, – also erheben sich, wenn ich mich nähere, völlig undurchsichtige Schwärme. Millionen Atome sind das, nicht nur Hunderte. Wären die Einzelgeschöpfe von Mottengröße, würde ich ersticken.
Sie haben jetzt auch den Mülleimer erreicht, womit ich meine, daß sie irgend einen Einschlupf gefunden haben und dann, öffne ich, um etwas wegzuwerfen, den Deckel, in quasi Doppelschwärmen aus dem Inneren aufsteigen, wie erschreckt, wie in Panik, aber bevor ich den Deckel wieder schließe, senken sich diese Wolken in Sekundenschnelle in die Tiefe hinab. Orgien müssen im Dunkeln da vor sich gehen, von denen ihre Zeichnung, mit Verlaub, nicht die geringste Ahnung hat und sicher besser auch nicht haben w i l l. (Und, um es vorsichtig zu sagen, auch nicht sollte.)
Aber zum übrigen meine ich, daß es sich, ohne zu denken, nicht besser als gedacht überleben läßt, aber man merkt dann nicht, wenn man schon tot ist.
Meine Zeichnung ist abstrahiert, um individuelle Fruchtfliegenschwarmphantasien anzuregen, was ja auch trefflich gelungen ist. Ha! Die Orgie unter dem Mülleimerdeckel! Vielleicht muss ich sie doch noch zeichnen.
Liber ANH – aus meinem Komposteimer steigen sie auch gerade, die Schwaerme der mutationsfreudigen Drosophila Melanogaster. Wir haben ihrerzeits in Biologie einige Generationen verkrueppelt. Dieser Text ist allerdings viel mehr zusammen, und nicht verkrueppelt, was doch suggeriert, dass man auch mit schwarmhafter, unbaendiger, auseinanderstiebender Bewustseinsmasser verdammt gute Sachen erreichen kann.
Ich wuensche TT viele Sternstunden (und Ihnen auch).
Dankt sirrend!
Ich habe nicht kommentiert, bisher, Frau TT, weil mich sowas wie dieser Text sprachlos laesst. Ich dachte “Da kann ich nichts dazu sagen, das steht so.”
Dann sann ich darueber nach, dass ich selten etwas sage, unter solchen Umstaenden, und dachte, ich koennte doch mal sagen, dass ich den Text interessant, und spannend, und gut fand, ohne ihm irgendetwas Intellegentes hinzufuegen zu koennen (oder muessen).
Schön, dass Sie das thematisieren: Ich finde ja, dass man nicht immer unter Intelligenzbeweisdruck steht, weder als Autor:in noch als Kommentator:in. Seitdem ich mir das innig klar gemacht habe, schreibe ich hier freier als je zuvor! ; )
Anderenorts allerdings packt aber auch mich immer wieder der Selbstzweifel. Ich möchte unter einen gelungenen Text nicht einfach ein “Bravo!” kommentieren, hab’ aber oft weder Zeit noch Konzentration, ins Detail zu gehen, also halte ich die Klappe. Dabei weiß ich von mir selbst, dass mich schon ein einziges bestätigendes Wörtchen unter einem meiner Texte für Stunden beschwingen kann.