… Was mich auf dem Lande immer wieder fasziniert, ist die Vorstellung der den Dingen des Landlebens innewohnenden Pragmatik. Zum Beispiel, wenn ich ein Vogelhäuschen baue, weiß ich um die Fürsorgepflicht gegenüber diesem Objekt. Was also liegt näher, als die Bürste, mit der zu reinigen ich den Boden des Häuschens beabsichtige, gleich am Objekt selbst zu befestigen? Wen stört’s, dass die Bürste Plastik und blau ist? Die Vögel gewiss nicht.
Nur Madame TT, im winterlichen Garten lustwandelnd, denkt, hach, wie schön, wenn da ‘ne hübsche, nostalgische Bürste hinge, so eine, wie sie nur noch von Manufaktum gewieften Sentinemtalitätsvermarktern angeboten wird.
Ahnen Sie, was gleich danach passiert?
Madame schämt sich. Und denkt: Himmelarschundzwirn, glücklicherweise gibt es noch Ort in ihrem Leben, an denen es auf ihr vermeintlich verfeinertes Stilempfinden nicht ankommt. Orte, an denen Raffinesse Werbung nicht verfängt, noch nie verfangen hat, nie verfangen wird.
Denn Ladybird ist immun, und zwar mit Absicht.
Und das, denkt Madame TT, während sie die nassen Schuhe von den Füßen streift, ist tatsächlich Erholung. Nicht nur für die Meisen.
Warum die blaue Bürste? Weil auf dem Lande die Gegenwart stehengeblieben ist – das ist alles. Wir Stadtmenschen leben indessen immer in der Kerbe zwischen Vergangenheit und Zukunft.
Kerben sind für Cowboys, Norbert ; )
Ich weiß, die schnitzen die sich in den Griff ihres (einzigen) Messers 😉
Cowgirls, lieber Norbert, haben aber mehrere!
Guten Rutsch!
Phyllis
Na, ich bitte Sie die Natur mitsamt der dort lebenden Menschen ist doch kein Selbstzweck – sondern selbstverständlich eine Erfindung zivilisationsmüder Städter, einzig dem Zwecke ihrer Erbauung dienlich. Da ist Ihre Klobürste – blau hin oder her – ganz schön gemein!
Lieber Herr Dilettant, als Zivilisationshungrige fühle ich mich von Ihrer Beobachtung gänzlich unbehelligt!
Ob Klo oder nicht, gespült wird immer Das ist doch eine Spülbürste!
Darüber hinaus denke ich, daß es sich lohnt, nach der ersten Phase der Pragmatik, sich auf die Weisheit des Meeres zu verlassen: immer wieder an die Ecken und Kanten, auch wenn minimalst, zu feilen.
Das Werk zu begutachten, anschauen, von links kommend, von vorne liegend, um vielleicht, eines Tages, eine kleine Änderung vorzunehmen. Und später noch eine andere. Und vielleicht nach ein paar Monaten, das Ganze abzubauen und neu zusammen zu stellen, leicht verändert zwar (vielleicht mal alle Kreuzschlitze durch Torx austauschen).
Wir ändern uns, unsere Ansprüche ändern sich, aber immer präsent bleibt der Genuß, und er kann durchaus von dem Formen- und Farbenzusammenspiel einer Spülbürste aus hellem Holz (vielleicht geölt) auf dem Hintergrund eines dunkeln geraden Pfosten angenehm angeregt werden (gerade um 13 Uhr, da wo der Schatten der Bürste — falls Sonne — mit der Kante des Pfostens spielt).
Und da wir uns ändern, und unsere Ansprüche, Schwerpunkte, Interessen gleich mit, werden wir immer etwas zu verfeinern haben. Wenn schon die Mühe der Erstellung (Herstellung), dann auch so, daß es uns gut tut beim Anschauen, Berühren. Die Freude am verändern zum höheren Sinnesempfinden, die Quelle jeglicher Kreativität (auch wenn ihre Entfaltung zurück ins zerstörerische ein Endpunkt findet, der Urfunke, die Quelle im Verborgenem könnte es schon sein).
Das Auswechseln einer Spülbürste an dem Pfosten eines Vogelhauses ist ein weiterer kreativer Akt an einem Artfact.
Also, zögere nicht, das ist keine Sentimentalität, Du bist doch die Sentinelle Deiner (hoffentlich nicht verdrehte) Sinne*, das muß natürlich nicht das verwerbene M*** sein, aber tausche, wenn Auge und Gehirn im Einklang darauf drängeln.
Es bringt sofortige Belohnung, Glücksgefühle wie bei jedem gelungenen Arrangement.
Sur ce, bonne année et bonne nuit … Oder anders rum.
* Hier hat sich ein Rätsel versteckt, finde es, oh Du, aufmerksame Schreibeleserin
@Fabricker Das werde ich Ladybird vorlesen…! ; )
Alles Liebe und bis bald mal wieder, hoffentlich.
Phyllis