Gewebeprobe: was die Hyäne sagt.

Man wird erfahrener, gewiss, und entwickelt diesen Vorbehalt gegenüber Verschwendung, besonders jener von Zeit, die Penetration der Welt wird methodisch, sollen doch die Jüngeren sich im Improvisieren verhaken: man wird geschmeidig. Frauen tun’s mit Planeten, nicht mit Körpern und sie fürchten die Fülle nicht so, das Ausufernde. Behaupte ich. Es gibt viele von uns hier oben; wir haben sie gemacht, die Schicht. Bevölkert. Verkörpert. Eine dünne Glasur über der ganzen Hitze, die wir indes ständig unterhöhlen, denken Sie an die Milliarden Kaninchen, Maulwürfe und Mulle, von unseren eigenen Schächten ganz zu schweigen.
Nein, bitte nicht schweigen.
Ich mag Frauen schmal, zickig und unterkühlt, sagt Pierre, nun, das sind drei Eigenschaften, die mir gänzlich abgehen. Ich war inwendig schon immer zarter als die, als die ich erscheine, doch das zählt nicht, Männer sind Augentiere, Frauen Gebirgszüge, zeitlos, unten heiß und gebunden, oben voller Witterung, stürmend. Sie sind d a, Männer nicht so, die sind gern zugange.
Ich weiß kaum, wovon ich schreibe, nur, meine erworbenen Fertigkeiten sind mir längst lästig, was, wenn man sie unterliefe. Was, wenn man spröde wäre. Nichts erklärte. Nichts abschliffe.
Schichten. Ich verwende Sandpapier, auch den Rasierapparat, um meine Winterlippen abzuschleifen, wenn die Kälte sie allzu blättrig macht, danach eine Schicht Creme, dass sie sich nicht entzünden, am nächsten Tag sind sie wie neu. Fleisch wächst nach. Wir haben der Schichtenbildung nichts entgegenzusetzen, weder der substanziellen noch der immateriellen, im Grunde sind wir Schichtmaterial, nichts anderes, wir verfüttern unser Fleisch an die Zeit; sie ist eine Hyäne, sie frisst nur das, was bereits abgestorben ist, nur: sie spürt es früher auf, als wir selbst uns dessen vergegenwärtigen.
Ah, Genitiv. Den mochte ich schon immer.
Du wirst dich eher von mir abkehren, als ich mich dir zuwenden kann, denke ich oft, wenn ich in einen Mann blicke. Erfahrungsgemäß ist es dann umgekehrt, ich bin es, die sich abwendet: ich bevorzuge Männer, die mich nicht brauchen, Steinschläge an meinen Hängen, klacklac, claclac, cla c la c. k.
Die Sprödigkeit. Ich bin des Gewussten überdrüssig, der Schmierfette, der fertigen Packungen. Menschen als gesellschaftliches convenience food, schnell im Regal auffindbar, ein kurzes Aufblitzen von aha und Geschmack und Wohlbefinden, bevor die Verdauung einsetzt. Welcome to the gutter. Man könnte auch unverpackt, vielleicht sollten wir gelegentlich ein paar Steine fressen: convenience wird überschätzt. Die Hyäne hat das Maul voll und kann nicht sprechen, doch ich weiß, was sie sagt, und Sie wissen es auch.

27 Gedanken zu „Gewebeprobe: was die Hyäne sagt.

  1. MEHR! krächzt die Hyäne, während die letzte Beute noch triefend aus den Winkeln ihres Maules hängt. In einer Spirale der Steigerung gefangen wird sie weiter fressen, verschlingen und vereinnahmen bis nichts bleibt… alles Bestehende verdampft und über die Kadaver herrscht die Hyäne. Doch wenn diese Hyäne nur frisst, was bereits abgestorben ist… wie konnte es absterben? Was wenn die Hyäne nur den Anstoß gibt? Resignation und Schicksalsergebenheit dann alles substanzielle wie immaterielle absterben lässt? Dann dürfen wir uns endlich selbst wieder in der Verantwortung stehen sehen.

  2. http://www.pieterhugo.com/selected-work/the-hyena-other-men/7.jpg/
    Neulich eine längere Debatte über den Verpisser geführt und mich gefragt, ob der Verpisser sich nur wie Chaplin unter den nun zu erwartenden Schlägen wegduckt, oder ob der Verpisser nicht viel mehr im verpissen der Austeiler ist, abschließende Ergebnisse werden Anfang nächsten Jahres preisgegeben. Erfahrungsgemäß bin ich eh zu nicht ganz so viel zu gebrauchen, kann weder Buchhhaltung noch Börsenspekulation, so gesehen bevorzuge ich solche Männer auch, allein, weil ich nix Brauchbares anzubieten hab.

    • @sowieso, gebrauchen Dichterinnen sollten behaucht werden, und dann mit der Fingerspitze ein Dezemberwort drauf schreiben, das bis in den Januar sichtbar bleibt, wenn das Licht richtig fällt

  3. Times´s smoking us up Ein guter Text, der viele Assoziationsketten auslöst und an unerwarteter Stelle einhakt. Schon in der ersten Zeile: “die Penetration der Welt”. Selten empfinde ich so. Meist fühle ich, wie die Welt in mich eindringt, die ich vergeblich Dämme gegen sie baue. Und manchmal reiße ich selber Löcher hinein, in die Schlammwände, die ich aufgeschüttet habe. Die Hyäne hat ein großes Maul, sie verschlingt viel und bleibt doch stets mager.

    (Wir werden, liebe Phyllis, uns – wie Sie bereits feststellten – wohl nie über Männer “in die Haare” geraten. Ich bevorzuge welche, die mich brauchen – aber es gut verbergen können. ;-))

    • ich hab mal nen stein gefressen, ein gramm, im sommer meiner jugend nach einem gig oder so es waren keine papers mehr da, schnick schnack schnuck ( ? ) und dann legte ich mich eine stunde später auf ne wiese in der stadt und ein sternenklarer himmel war über mir, die arme die clavicularlinie streckend gerade verlängernd bis zu den handflächen und vielleicht noch weiter auf dem rücken auf dem dunklen gras in den lichtbepunkteten himmel starrend bis feuchte kühle entstand ( zog sie herauf oder senkte sie sich oder geschah beides ? ) und ich zu der nächstgelegenen parkbank dislozieren musste um mich womöglich nicht zu verletzen und ich dort schlief bis in die ersten sonnenstrahlen rein.
      seitdem tat ich das nicht mehr mit dieser speziellen art des fressens.
      ( planeten dürften aber schon auch als körper bezeichnet werden können, sag ich mal so pingelich vorlaut und unpoetisch )
      pierre in die bowl ( of a pipe ) wäre sozialer gewesen oder so.
      sorry dass ich schon wieder kommentiere.
      ach so ja es ging um’s steine essen, hm.

    • Schlamm-Schlacht Kuschelig oder nicht: Sich im Schlamm wälzen und brauchen lassen (psst, Altersfreigabe ab 18), macht Spaß. Doch: Auf der Krone des Dammes steht der Chor (weiß gewandet, glatter Scheitel, Madonnen-Antlitze) und singt: “Immer sauber bleiben.” Mal verstärkt ihn die Hyäne, mal betäubt sie.

  4. Das Bild von den Schichten ist mir vertraut. Ich denke es mir in von anderen verliehenen Mänteln. Mich daraus zu befreien, Lage um Lage, ist Lebensaufgabe, um mich dereinst nackt und geworden ausatmen zu können.

    • ob das so gänzlich funktioniert hans ?
      je mehr man an simulation, an kopiertem verliert, desto nackter wird das eigentliche ich – das dürfte so stimmen.
      voraus gesetzt man erreicht sich selbst, das eigentliche und eigene wesen in all seiner blösse so beginnt wohl das werden erst so richtig, das ausbauen, das neu einkleiden des (wieder)gefundenen ich’s mit adäquaten simulationspatterns ( verhaltensweisen, sprachmustern ) bis hin zu eigenkreationen ?
      sorry bin zwar kommunikationsfreudig anscheinend aber irgendwie wohl was unlogisch ?
      hm.
      dieses werde der du bist ging mir kürzlich auch nochmal durch den kopf, deswegen grübelte ich grad noch mal über ihren schönen gedanken

    • Das funktioniert so, dessen bin ich mir sicher, werter Lobster.
      Abgehen von erlernten, aber für das Selbst unangemessene Interpretationswegen der vorgefundenen Realität; aufgeben der Erfüllungswünsche fremder Erwartungshaltungen; die Welt durch die eigenen Augen sehen lernen. Im Idealfall geht es so. Un-ideal funktioniert es aber auch. Das weiß ich aus Erfahrung.

    • frag mich grad ein wenig abschweifend, ob man in der musik ne aussage verweigern kann, also ob es also so etwas wie eine verweigerte musikalische aussage geben kann?
      eine aussage – “musik ist stets ausdruck von sexualität” hielte ich echt für absurd.
      beschreibt die musik zum beispiel einen üblen bankeinbruch, so müsste es eine bankeinbrechende sexualität geben!
      so eine leere gibt es also noch zusätzlich zu hyän:innen, steinen, zicken, gebirgen, mänteln, die vielleicht gar alle tarnmäntel sind, um sein schönes wesen zu schützen vor anderen getarnten schönen wesen, naja, sorry soll nicht arrogant wirken, mehr
      etwas sehr debil. vielleicht.
      tja.

    • dann verweigert man die musik, also macht keine mehr, zumindest für sich nicht, sag ich mal.
      also die töne kommen ja zurück zu einem selbst und lassen einen zumindest vorübergehend mitschwingen.
      das (mit)schwingen halte ich für eine antwort, die einen womöglich beschädigen kann, arbeitet man unkontrolliert und intensiv vor allem mit harten, unübersichtlichen wellenkonglomeraten.
      naja, das wäre so meine interpretation des wortes > antwort.

    • Da muss ich verfeinern: Ich kann in meiner Musik Antworten verweigern gegenüber den Bedürftigkeiten anderer. Das musikalische Artikulieren meiner eigenen Bedürftigkeit ist mir gleichzeitig Antwort. Ich verstehe wohl Ihre geäußerte Befürchtung der Selbstbeschädigung in der unkontrollierten Arbeit. Doch meine ich, dass dem eigenen bedürfnisgetriebenen Musikschaffen eine Antwort darin innewohnt, als durch das Werk eine Tür aufgestoßen wird, durch die Bedürftigkeit schließlich verlassen werden kann.
      Selbstbefreiung, so to say

    • naja ich rede aus erfahrung nicht befürchtung.
      der die höhrer:in konnte sich ja abwenden.
      das war aber nicht türaufstossen, das war knallfrösche bauen.
      endlos so wie in serie rock around the clock.
      beim musikmachen, musik hören, selbstbefreiung, hörbar gemacht.
      wo entstehen im umkreis konventionen, siich verbinden wollende floskeln z.b.
      die nicht-ganz-utopie wahrscheinlichkeitsrechung wahrscheinlich. 🙂
      sorry.

    • @die Restbesteigende : ) Das ist eben der Unterschied zwischen Ansprechen und Teilhabenlassen (das Publikum, nämlich). Wenn ich mich in meiner Musik nackt mache und transzendiere, können die Hörer:innen gerne folgen, wenn sie wollen. Sie müssen nicht. Und falls sie sich abwenden: who cares?

    • lobster die ambivalenz in person, die bin ich mutter oder kind entscheidung.
      entsetzlich.
      heisst bestimmt so etwas wie, wer maschine ist oder wer vater ( terminator I ) ?
      nach was klingt sprache.
      wie klingt ein klingelbeutel, wie eine machinegun oder wie klingst du selbst, auch auf die gefahr hin dich kaum vom beiden soundbeispielen unterscheiden zu wollen ?

    • kann echt wieder mal nicht raus.
      sorry.
      so warm und fantasievoll, trotz der unerbittlichkeit des erzählen wollens.
      naja, the reports-wo-men haben eine eigenartlichkeit entickelt innerhalb der spezies.
      so on, babays ( es ), knattertrocken sich fühlend

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