Kurz vor K****. Montag, 9. Mai 2011

Lassen wir es langsam anlaufen. Wir haben Zeit.

Während L. auf der Straße dem Mann entgegen geht, der ihr Geliebter werden soll, verfolgt Paul in einem anderen Stadtteil seine Geschäfte, bei deren Erwähnung nur die allermutigsten – oder die gänzlich naiven – nicht erblassen. Ebba ist soeben hinter einer Häuserwand verschwunden und hinterläßt, so wünscht sie es, kaum Stoff für Erinnerungen. Dr. Tense öffnet in diesem Augenblick den Mund, um einen weiteren Beweis geistiger Erschütterung auf seine feige lauschende Gemeinde abzuladen. Alles ist so wie immer. Nein: Alles ist immer anders. Alles ist neutral. Alles ist gleichzeitig.
Treiben wir sie zusammen? Nein. Sie sind in der Nähe; das muß genügen. Die Stadt ist ein Moloch; wir richten das Brennglas auf unsere Figuren in diesem einen, glitzernden Moment, wir lassen sie unberührt. Es bleibt unserer Willkür überlassen, sie zu füttern oder verrecken zu lassen. Welche Sorte Zeit wählen wir? Dosieren wir nach hinten oder nach vorne? Auch diese Entscheidung mag zunichte gemacht werden durch eine unerwartete Wendung. Welche Sprache gefällt uns heute? Die Stadt ist groß und der Vorrat an Möglichkeiten unerschöpflich. Unsere Aufmerksamkeit flackert an diesem Ort auf, jetzt an jenem, unsere Konzentration ist gänzlich unzuverlässig; eventuell schwindet sie in Sekundenschnelle, um den Schauplatz wieder ins Dunkel sinken zu lassen. Wir planen, die Macht nach Gutdünken an uns zu reißen. Wir belieben anzunehmen, daß dies zu recht und in Einklang mit einfach allem geschieht. Wir bedenken unser Vorgehen nicht länger als nötig, um für einen kurzen Moment einen Blick werfen zu können.
Wir spielen ein pralles Spiel.
Wir verfolgen uns mit großem Interesse.

9 Gedanken zu „Kurz vor K****. Montag, 9. Mai 2011

  1. allemal ein pronominöses spiel, fast schon horaz, also ich wähle das lateinische: nunc et latentis proditor intumo /
    gratus puellae risus ab angulo / pignusque dereptum lacertis / aut digito male pertinaci (Oden I,9).

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