Morning briefing

Der alte Rosmarin, dicker Hauptstamm, schwächliches Blattwerk, aber Blüten en Masse. Die Kogge, wie jeden Morgen, wippend auf einem (zu dünnen) Zweig, auf mich herabäugend. Die olle Sonnenbrille (we call them shades, darlin’), die den ganzen Winter auf dem Balkon lag, jetzt zum ersten Mal wieder aufgesetzt, wettergegerbt und blütenstaubtrübe.
Der Amsel Gesang morgens um sechs: offensichtlich ein junger männlicher Vogel, der das Singen (noch) nicht allzugut draufhat.
Verkehrsgeräusche gut hörbar rund um den Häuserblock. Datentransfer, unhörbar, überall. Ein Säugling, gerade erwacht, leise blärrend. Himmelseidank nicht meiner. Flugzeugrauschen. (wurde auch Zeit)
Die Birke in meinem Hinterhof bereitet sich massiv auf die Besamung ihrer Umgebung vor. Tausende stäubende Würstchen, jedes davon imstande, meine Atemwege zu allergifizieren, von den Augen ganz zu schweigen. An allen Orten, an denen ich bisher gelebt habe, stand eine Birke.
Wenn ich erst groß bin, pflanze ich eine Linde. Für Astrid.
Die Meise schimpft, sie mag es nicht, wenn ich auf dem Balkon liege, grosses fleischiges Ding, und tippen tut es auch noch, lieber wegbleiben. (Aber natürlich nicht ohne Protest.)
Hat Jan Böhmermann zu hoch gegriffen? Beziehungsweise zu tief unter die Gürtellinie? Nö.
Und Griechenland erst. O la la. Erst draufschimpfen, weil sie pleite und faul seien und dann aber mit den bösen Aufgaben betrauen. Trauen wir’s ihnen zu? Sind wir ein Wir?
Gerade tröpfeln ein paar Dutzend Asylspezialistinnen aus der EU ein, doch die reichen ja hinten und vorne nicht bei so vielen Anträgen. Und ständig diese Frage: Wer ist wer und warum? Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen. Mir brennt das Herz.
Auswahlverfahren. Bitter. Immer. Vielleicht ein Grund, weswegen so viele Weichherzige nicht an die Schalthebel wollen.
Sinnstiften im Kleinen ist definitiv einfacher, aber: Viel hilft viel.
Während ich schreibe, wächst der Schnittlauch; man kann fast dabei zusehen. Nützt ihm nüscht, er wird nachher im Eiersalat gebraucht. Is seine Bestimmung.
Be-stimmung: einer Vorstellung eine Stimme geben. Und Sinn. Hans Werner macht das schon sein ganzes Leben lang.
Es gibt noch andere Welten als diese sagte der Junge. Und sprang in den Abgrund.
Springen.
Mir reicht fallenlassen: Massage, Sex, Kino, Gartenbuddeln, egal wie. (Bloss die Klamotten dürfen nicht kneifen dabei.)
Also. Warmschreiben hat schon mal geklappt. Jetzt nur noch Strom anschließen und losbrausen.
Ping:
„Pflegen Sie Ihre Leidenschaften“, schreibt gerade mein Online-Klamottenversand. Ah, eine Sprache zu entwickeln, die nicht marketingverseucht ist! Bei Leidenschaft jedenfalls denke i c h nicht an gepflegt. Sondern an Flächenbrand, Vulkanausbrüche, Aufbrausen und Vergehen. Leidenschaft, das ist das Gegenteil von Liebäugeln. (hübsches Wort)
Weiter.

2 Gedanken zu „Morning briefing

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