Die Luft im Park, im Herbst: wie verdünnte Milch.
Ich trabe meine Runden. Die Schnäbel der Gänse sind fleckig vom gemähten Gras.
Entschlossene Krähen.
Weit entfernt barkt ein Hund.
Liebe Phyllis, Ihr wunderbares Morgenpastell hat mich zu einer intensiven Meditation animiert.
Ich kann das gemähte Gras förmlich riechen
und den gedämpften Hufschlag eines Pferdes vernehmen.
Darauf eine gelassene Reiterin,
sich in Einklang mit dem tragenden Körper wiegend.
Nicht ausgeliefert,
sondern Richtung und Tempo
mit sanftem Schenkeldruck bestimmend,
die Zügel locker haltend.
Straff in der Haltung.
Die Krähen, entschlossen.
Auch sie gelassen.
Das höre ich aus dem Bild:
Kein unruhiges Geschnatter der Gänse.
Ungestört deren Erkundungslust,
die sich mir an den Flecken auf ihren Schnäbeln offenbart.
Allein der Hund.
Niemand in der Nähe.
Sein Blick,
seine ganze Aufmerksamkeit
auf die Gänse gerichtet.
Der Laut:
Nervös.
Verspannt.
Unschlüssig.
Er hält Distanz.
Ich gehe bedächtig seitwärts auf den Hund zu.
Nur knapp nimmt er Notiz von mir.
Barkt weiter.
Hocke mich neben ihn.
Warte.
Beobachte die Gänse.
Pausen zwischen den Lauten
greifen zunehmend Raum.
Ein letztes tiefes Grollen,
dann ein Nießen.
Er setzt sich,
hechelt noch leicht erregt.
Die Reiterin passiert uns in Steinwurfweite.
Ein kurzes Lächeln,
verklingender Hufschlag.
Der Hund legt sich hin,
atmet tief aus.
Gelassene Balance,
demütig.
Demütig erhebe ich mich
und verlasse das Herbstbild.
Wenn ich das meditative Bild nachträglich noch etwas erhellen wollte, müsste ich hinzufügen, dass ich mir darin selbst begegne. Tiere sind ganz ausgezeichnete Spiegel für menschliche Verfasstheit, wie man weiß. In der Meditation stellt der Hund eine Instanz meiner selbst dar, wie auch die Gänse, Krähen, Ross und Reiterin. Des Hundes Zustand erfassend trete ich durch den Spiegel also in mich selbst ein. Hundekenner wissen darum, auf welch lautlose Energien ihre Gefährten reagieren. Bei Menschen ist das nicht anders. Die eine Instanz bringt der anderen, was ihr gerade fehlt und geht mit dem sich einstellenden neuen Zustand aus dem Bild.
Ich kann aber auch ein ausdrucksstarkes, mit über jeden Zweifel hinweg steigender Wahrhaftigkeit ausgestattetes, fremdes Portrait in die Hand nehmen und beim Betrachten überwältigende Beruhigung erfahren. Oder Bestärkung. Ich kann in der sich verästelnden Reaktion auf das Portrait sogar meiner eigenen Identität nachspüren und dabei jene Stellen auffinden, die aufmerksamer Eigenpflege würdig sind.
Zur Demut vielleicht noch ein klärendes Wort: Ich gebrauche den Ausdruck im Sinne eines schamlosen Gewahrseins der eigenen Unvollkommenheit und des sich damit Abgefundenhabens. Keine leichte Übung, wenn sie aus dem Innersten geschöpft sein will (für mich jedenfalls). Das besondere am Zustand gelassener Demut, wie ich sie empfinde, ist die Entgrenzung oder besser: Ablösung vom “Ich”. Dieser Zustand kommt einer bedingungslosen Öffnung für alles Seinwollende – auch hinsichtlich der eigenen Kreativität und Gestaltungsfähigkeit – gleich, einer Angelegenheit von existenzieller Bedeutung also (für mich, abermals).
@Hans Ich würde auf Ihre Erhellungen gerne angemessen reagieren. Doch wie geht “angemessen”? Für eine im Zustand der Anomalie ist das fast unmöglich.Was ich sagen kann: Danke, dass Sie sich trauen. Was ich von Ihnen lese, ist ganz ohne Deckung. Das passiert hier nicht oft – und es ist etwas, das seinerseits mich vergewissern kann, ebenso, wie Ihnen mein Bild einen Halt gegeben zu haben scheint.
Zeigen, was i s t. Auch für mich momentan keine leichte Übung.
Und hier, wieder in Berlin, zogen gestern am Abend die Gänse in Formation südwärts: derart rufend, daß mein Sohn und ich im Hof stehenblieben, die Köpfe in den Nacken, und beinah mitgeflogen wären.
Wundervoll
Danke, liebe Momo.
>>“Weit entfernt barkt ein Hund.”<<
Hätte er ein Telefon, würde er bellen, oder?
😉
@Lo Kann sein. Aber nicht in dieser Welt –
Liebe Phyllis, Ihr wunderbares Morgenpastell hat mich zu einer intensiven Meditation animiert.
Ich kann das gemähte Gras förmlich riechen
und den gedämpften Hufschlag eines Pferdes vernehmen.
Darauf eine gelassene Reiterin,
sich in Einklang mit dem tragenden Körper wiegend.
Nicht ausgeliefert,
sondern Richtung und Tempo
mit sanftem Schenkeldruck bestimmend,
die Zügel locker haltend.
Straff in der Haltung.
Die Krähen, entschlossen.
Auch sie gelassen.
Das höre ich aus dem Bild:
Kein unruhiges Geschnatter der Gänse.
Ungestört deren Erkundungslust,
die sich mir an den Flecken auf ihren Schnäbeln offenbart.
Allein der Hund.
Niemand in der Nähe.
Sein Blick,
seine ganze Aufmerksamkeit
auf die Gänse gerichtet.
Der Laut:
Nervös.
Verspannt.
Unschlüssig.
Er hält Distanz.
Ich gehe bedächtig seitwärts auf den Hund zu.
Nur knapp nimmt er Notiz von mir.
Barkt weiter.
Hocke mich neben ihn.
Warte.
Beobachte die Gänse.
Pausen zwischen den Lauten
greifen zunehmend Raum.
Ein letztes tiefes Grollen,
dann ein Nießen.
Er setzt sich,
hechelt noch leicht erregt.
Die Reiterin passiert uns in Steinwurfweite.
Ein kurzes Lächeln,
verklingender Hufschlag.
Der Hund legt sich hin,
atmet tief aus.
Gelassene Balance,
demütig.
Demütig erhebe ich mich
und verlasse das Herbstbild.
Es ist für mich immer etwas ganz Besonderes, wenn meine Texte, Zeilen und Sätze im Gegenüber Eigenes hervorbringen. Danke für Ihr Bild, lieber Hans!
Wenn ich das meditative Bild nachträglich noch etwas erhellen wollte, müsste ich hinzufügen, dass ich mir darin selbst begegne. Tiere sind ganz ausgezeichnete Spiegel für menschliche Verfasstheit, wie man weiß. In der Meditation stellt der Hund eine Instanz meiner selbst dar, wie auch die Gänse, Krähen, Ross und Reiterin. Des Hundes Zustand erfassend trete ich durch den Spiegel also in mich selbst ein. Hundekenner wissen darum, auf welch lautlose Energien ihre Gefährten reagieren. Bei Menschen ist das nicht anders. Die eine Instanz bringt der anderen, was ihr gerade fehlt und geht mit dem sich einstellenden neuen Zustand aus dem Bild.
Ich kann aber auch ein ausdrucksstarkes, mit über jeden Zweifel hinweg steigender Wahrhaftigkeit ausgestattetes, fremdes Portrait in die Hand nehmen und beim Betrachten überwältigende Beruhigung erfahren. Oder Bestärkung. Ich kann in der sich verästelnden Reaktion auf das Portrait sogar meiner eigenen Identität nachspüren und dabei jene Stellen auffinden, die aufmerksamer Eigenpflege würdig sind.
Zur Demut vielleicht noch ein klärendes Wort: Ich gebrauche den Ausdruck im Sinne eines schamlosen Gewahrseins der eigenen Unvollkommenheit und des sich damit Abgefundenhabens. Keine leichte Übung, wenn sie aus dem Innersten geschöpft sein will (für mich jedenfalls). Das besondere am Zustand gelassener Demut, wie ich sie empfinde, ist die Entgrenzung oder besser: Ablösung vom “Ich”. Dieser Zustand kommt einer bedingungslosen Öffnung für alles Seinwollende – auch hinsichtlich der eigenen Kreativität und Gestaltungsfähigkeit – gleich, einer Angelegenheit von existenzieller Bedeutung also (für mich, abermals).
@Hans Ich würde auf Ihre Erhellungen gerne angemessen reagieren. Doch wie geht “angemessen”? Für eine im Zustand der Anomalie ist das fast unmöglich.Was ich sagen kann: Danke, dass Sie sich trauen. Was ich von Ihnen lese, ist ganz ohne Deckung. Das passiert hier nicht oft – und es ist etwas, das seinerseits mich vergewissern kann, ebenso, wie Ihnen mein Bild einen Halt gegeben zu haben scheint.
Zeigen, was i s t. Auch für mich momentan keine leichte Übung.
Und hier, wieder in Berlin, zogen gestern am Abend die Gänse in Formation südwärts: derart rufend, daß mein Sohn und ich im Hof stehenblieben, die Köpfe in den Nacken, und beinah mitgeflogen wären.
Wie schade, dass Sie es nicht getan haben, ANH.