Farah Days Tagebuch, 12

Dienstag, 18. Juni 2013

Ich wäre ein Schmaltier auf überlangen Beinen, ein Fluchtgeschöpf, nervös und dünn, ich käme niemandem nah, spürte meine Rippen, von hinten sähest Du mich kaum. Ich neigte den Kopf, wenn Gefühle mich jagten, wenn Geheul anfinge, wenn nur der Wind drehte, Brüste in Zweierreihen, klein, verschwänden im kurzen Fell. Mein Körper passte in ein Körbchen, eine Wiege, zwischen zwei Nussschalen, er spräche leise, nicht mit Fleisch, das zum Angriff drängt, nicht mit Nacken, auf dem der Anderen ein Amboss wächst, ich fürchtete nicht zu versiegen, ich liefe schneller als der Verlust, viel schneller, ich dürfte Angst haben.
Wie seltsam dagegen dieser muskelbepackte Körper, der nicht zurückweichen will.

11 Gedanken zu „Farah Days Tagebuch, 12

    • Meine Erfahrung: Poetisch dichte und abgeschlossene Texte werden von Lesern nur ungern berührt – vielleicht, weil sie fürchten, etwas daran zu zerstören; so, wie man auch keinen Schmetterlingsflügel anfaßt, weil das Tier davon sterben kann. Insofern läßt sich das Schweigen als ein besonderer Ausdruck von Achtung verstehen, die sich mit Liebe berührt. Vielleicht ist das nicht immer so, aber ebenso vielleicht viel öfter, als wir denken.

    • Ich habe den Text natürlich gelesen und, ausnahmsweise, mal nicht darauf reagiert, weil … also ungefähr aus den Gründen, die ANH anführt. Ich lese auch, zum Beispiel, von Andreas Wolf auf seinem Sichten und Ordnen eigentlich alle seiner durchgängig wirklich guten Texte, kann aber nicht immer etwas dazu schreiben.

    • Liebe Iris, ich war heute so überdreht und wollte mit meiner Antwort auf Ihren Kommentar warten, bis ich wieder ruhiger wäre. Jetzt also. Es tut mir immer gut, Sie zu lesen; Ihre Kommentare sind immer kleine Briefe. Mag ich.
      Und was die Anmerkungen betrifft: Auch ich trau’ mich nie so recht, bei Ihnen, Ihren Gedichten, welche zu machen, weil ich immer befürchte, sie könnten nicht so ankommen, wie ich sie abgeschickt und gemeint habe.
      Vielleicht sollten wir alle uns da mehr trauen. Ich weiß jedenfalls von mir, dass ich mich bei Texten, die das entsprechende Potential haben, immer freue, wenn gespiegelt wird, Vorschläge kommen, kritische Einwände.

      Liebe Grüße,
      Phyllis

    • Trauen und Vertrauen, liebe Iris: sich trauen, Verbindung aufzunehmen. Ich kann das Stummbleiben zwar immer nachvollziehen, weil ich’s selbst so oft bin in fremden Revieren, aber mich stört, an mir selbst, doch immer wieder die Zaghaftigkeit. Die vorauseilende Befürchtung, nicht den “richtigen” Ton zu treffen. Das ist unnötig, eben weil Kunst nicht für Kritiker gemacht wird. Und weil ich außerdem weiß, dass Texte, manche zumindest, wie ein Sonar sind – sie senden Impulse und warten auf ein Ping, um sich ihrer Gegenwart vergewissern zu können.

      Auch Ihnen einen schönen Tag!
      Phyllis

  1. @Norbert Ich kenne das Phänomen ja selbst: dass ich leichtfüßige Plaudertexte anderer viel leichter kommentiere. Je literarischer ein Text, desto mehr Konzentration verlangt er den Kommentatoren ab. Manchmal irritiert mich das: wenn mir ein in sich geschlossener Text wirklich gut gefällt, werde ich so streng mit mir, dass ich meistens gar nichts drunterschreibe. Schade eigentlich.

  2. Dreimal hatte ich angesetzt, um einen Kommentar zu schreiben. Dreimal hab ich’s dann doch gelassen. Und zwar aus den von ANH beschriebenen Gründen.
    Und beim blitzmelancholischen Mohnhummelgedicht ging’s mir genauso.

    Eine Anmerkung aber doch noch: Als besonders schön empfand ich bei beiden den Konjunktiv, der macht die Texte so zart und antastbar.

    Liebe Grüße,
    Iris

    • Liebe Phyllis, ich hab noch ein bisschen weiter darüber nachgedacht, was mich manchmal dran hindert, Kommentare zu schreiben, vor allem zu poetischen Texten.
      Es liegt nicht nur daran, dass ich fürchte, dem Text nicht gerecht werden zu können oder vielleicht nicht zart genug zu sein (entsprechend ANHs Bild mit den Schmetterlingsflügeln). Es ist darüberhinaus auch so, dass mich solche Texte häufig stumm machen.
      Was ich immer spontan äußern könnte, wäre ein ‘Wie schön!’ oder ein ‘Danke’ oder einfach nur ein ‘Ja!’. Aber die will ich nicht inflationär benutzen, dann haben sie für mich nicht mehr Aussagekraft als ein Likebutton.
      Danach setzen die Texte sich aber unter der Oberfläche fest und beschäftigen mich länger, so dass ich nicht so schnell zu einem “Schluss” komme. Bis es soweit ist, sind häufig längst andere Texte aktuell.
      Oder sie wirken auf einer Ebene weiter, die sich der Sprache nahezu entzieht. Aus dieser Wirkung heraus zu schreiben, finde ich schwierig, es müsste dann ebenfalls wieder Poesie her, aber dann besteht die Gefahr der Verkryptelung oder auch der Übertönung des Ausgangstextes.
      Ich könnte mich auch literaturkritikermäßig von dem Text distanzieren und ihn von außen betrachten und bewerten, aber das liegt mir nicht, es widerstrebt mir sogar, ich finde nicht, dass Kunst für Kritiker gemacht wird.
      Wahrscheinlich gibt’s aber irgendeinen unkomplizierten Mittelweg, der mit Trauen und Vertrauen zu tun hat. So wie Sie schreiben: “Vielleicht sollten wir alle uns da mehr trauen.”
      Ich werde es mir zu Herzen nehmen. 🙂
      Übrigens freue ich mich auch bei mir drüben über stumme Leser genauso wie über spontane oder durchdachte Kommentare. Ich mag das alles.

      Einen schönen Tag wünsche ich Ihnen!
      Iris

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