Bildungsnotstand 1968

(Quelle: Anzeige in der Zeitschrift TWEN, 1968)

Angeregt von >>> diesem Aufruf ANH’s gegen die sprachliche “Bereinigung” von Kinderbüchern fiel mir diese Anzeige aus einem alten TWEN-Heft ein, das ich gestern im Atelier durchgeblättert habe. Ich besitze alle Ausgaben dieses Heftes von 1968 – 1970… und sie sind eine Fundgrube für Worte wie “Neger”, “Busen” oder “Anti-Establishment”. (Außerdem fällt auf, dass die Leser:innen in den Artikeln und Anzeigen durchgehend geduzt werden – gibt’s das eigentlich heute noch in Zeitschriften für junge Erwachsene?)

Ich hab’ noch nicht wirklich nachgedacht über die aktuell diskutierten Sprachbereinigungsvorhaben. Was mir aber gegen den Strich geht, ist die Vorstellung, im Nachhinein Worte aus bestehenden Büchern durch neue zu ersetzen. Ist das nicht Geschichtsfälschung? Wo wird das aufhören? Rauchern die Zigarette wegzuretuschieren. Machen wir den dicken Kindern demnächst auch die Speckbäuche weg? In Zeiten, in denen fast jedes Kind sowieso an fast jedes Bild und fast jedes Unwort rankommt im Netz?
Ein Vater erzählte mir kürzlich, sein Kind habe aktuell in der Schule den Begriff “anders pigmentiert” gelernt.
Hm.
Klingt ein bisschen nach Hautkrankheit. Ich vermute fast, die Jugendlichen aller Couleur, mit denen ich arbeite, werden die Krätze kriegen bei diesem Begriff, aber ich kann mich täuschen. Werde ihn demnächst mal testen. Und meinen anders pigmentierten die Frage stellen, was sie davon halten, diskriminierende Worte in Kinderbüchern bei Neuauflagen durch vermeintlich neutralere zu ersetzen. Ob das auf lange Sicht helfen könnte gegen den alltäglichen Rassismus. Ich glaube ja, bin sicher, ich würde meinem Kind lieber diskriminierende Bezeichnungen erklären, wenn sie irgendwo auftauchen, anstatt sie verschwinden zu lassen.
(Ist “Busen” eigentlich diskriminierend? Der Busen ist verschwunden und durch die viel ungenauere Bezeichnung “Brust” ersetzt worden. Schade eigentlich.)

Sie sehen, das ist alles noch ziemlich zaudernd, was ich hier schreibe. Aber mir geht es nicht darum, hier eine Meinung rauszuhauen, sondern mir eine zu bilden. Das dauert seine Zeit.

78 Gedanken zu „Bildungsnotstand 1968

  1. Entgegen der Tendenz, sprachliche “Reinheit” und “politisch korrekte” Sprache von oben zu verordnen, quillt ja das Netz über vor übelsten Angriffen, unabhängig von Hautfarbe, Rasse, Religion, sexueller Orientierung, politischer Einstellung, Staatsangehörigkeit, Wohnort und so weiter. Hilft nur noch, den Menschen das Schreiben zu verbieten! Dann wird alles wieder gut 😉

    • Gute Idee! Tasten statt Schreiben! ; )

      Die Angelegenheit ist aber wirklich ärgerlich. Je mehr ich darüber lese – auch drüben in den Dschungeln zeichnet sich ja eine vielstimmige, aber klare Gegenposition ab – desto dreister fühlen sich die angesprochenen Sprachsäuberungsverordnungsversuche an. Mir kommt das alles wie ein weiterer Versuch vor, eigenwillige Meinungsbildung und Erziehung zu torpedieren. Und wer sich abwendet, aus Verdruss oder Trägheit, so wie ich oft genug, trägt dazu bei. Grrr.

    • Grrren Sie nicht, Sie wenden sich keineswegs vom Thema ab, denn Sie sprechen es ja, in Richtung Gegenposition tastend, an. Ich denke jedenfalls, daß unsere Gesellschaft so langsam eine Zwangsstörung ausbildet und kein Maß mehr findet, weil überall einfach zu viel Mißtrauen und Schwarz-Weiß-Malerei vorherrscht, so als sei nur der gegängelte Mensch ein produktives Mitglied unserer Leistungsgesellschaft und auch nur als solcher glücksfähig, zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem er nicht mehr gebraucht wird und eingeht in die Arbeitslosigkeit oder Rente, aber das ist ja schon wieder ein anderes Thema! 😉

  2. Ist “Busen” diskriminierend? Abgesehen davon, daß Busen zu früherer Zeit auch für die männliche Brust stand, ist das Thema Zensur schon in einem Büchlein aus den 1950er Jahren angesprochen, nämlich in dem 1956 erschienenen “In diesem Sinn Dein Onkel Franz. Eine Sittenlehre in 6-Episteln” von Hermann Mostar (Schert & Goverts Verlag, Stuttgart), dem ganz zu unrecht vergessenen und vielseitigen Schriftsteller sehr ernster und sehr komischer Werke. http://de.wikipedia.org/wiki/Herrmann_Mostar
    Es geht um die Film- und die Plakatzensur.
    Auf Seite 22f. heißt es:

    Der Film, man weiß, kann sittlich schaden
    Von wegen Busen, Hüften, Waden.
    Drum sehn, bevor’s der Laie kann,
    Sich ältre Herrn die Filme an,
    Die brachten’s ja erstaunlich weit
    Im heiklen Punkt der Sittlichkeit.
    Empfindet nun die Selbstkontrolle,
    Daß hier ein Busen zu sehr rolle,
    Dann sagt sie sich korrekt und ehrlich:
    Der Film da stimmt uns sehr begehrlich,
    Er schafft verdächtigen Genuß,
    So daß man ihn verbieten muß!
    (…)
    Indessen nein, sie wollen nun
    Durchaus was für die Kinder tun.
    Ihr würdet ja bei solchen Sachen
    Euch wenig denken und nur lachen,
    Drum wird der Film mit Kuß und Beinen
    Zu Recht verboten für die Kleinen,
    Indes die sittlich reifen Großen
    Sich heldisch und mit Lust dran stoßen.
    Doch ach! Muß man nicht auch vor Kindern
    Die Wucht des Filmplakats verhindern,
    Das zeigt ja auch das Bloße bloß,
    Und noch dazu bewegungslos –
    Und kaum daß dies der Zensor sah,
    War auch des Zensors Einfall da:
    Quer über alle Busenspitzen
    Muß nun ein schwarzes Viereck sitzen,
    Das gleiche Viereck muß erscheinen
    Auf jedem Treffpunkt von zwei Beinen – –
    Und schau, wie sich die Jugend drängt,
    Wenn irgendwo solch Bildnis hängt!
    (…)

  3. Der Busen, liebe Frau Phyllis. Bezeichnet nicht die Brüste, sondern eigentlich gemeint ist die Bucht zwischen ihnen. Daher auch “Meerbusen”. “Busen” wurde im alten Gebrauch aber auch für die Männerbrust, in weitesten Sinn: für das Herz verwendet, an das Mann oder Frau jemanden rückt, doch eben freundschaftlich, nicht erotisch. Nur in diesem Sinn können Frauen mit sehr kleinen Brüsten einen Busen haben – was nun schon wieder, ich weiß, eine diskriminierende und hochgradig sexistische Äußerung ist, wenn man sie so verstehen will – und zwar so oder so, nämlich indem, gesteht man solchen Frauen den Busen zu, man indirekt zu verstehen gibt, daß sie gar keine richtigen Frauen seien, oder indem man überhaupt dort hinguckt. Wie etwas interpretiert wird, hängt ganz vor allem von der schon mitgebrachten und bisweilen bewußt eingenommenen Perspektive ab.

  4. Meinungskochen Kinderbücher interessieren mich nicht die Bohne. Ich mag auch keine Kinder. Und Eltern, die ihre Kinder vor Wörtern zu schützen suchen, schon gar nicht. Das tut aber nichts zur Sache, ist mein Privatvergnügen.

    Mich interessierte die Auseinandersetzung an sich.

    Alsbald geneigt, ANHs Standpunkt emotional zu unterstützen, blieb mir dieser Weg gleichwohl versperrt, da ich doch unlängst erst einem zuweilen hier Auftretenden wegen dessen spezifischer Verwendung des Wortes “Nutte” ans eingebildete Gemächt ging. Damit versank der Dschungelanker ungenutzt.

    Eine Gegenposition ist drüben in DieDschungel ebenfalls verlinkt. Durchgelesen. Am Ende auf das Wort Toleranz gestoßen. Anker eingeholt.

    Brüten.

    Was geht m i c h der Scheiß an?

    Unruhe.

    Immer diese Schlandler!

    Ärgerliche Ratlosigkeit.

    Dann schließlich: zurück an den Start.

    Wer zum Teufel ist Otfried Preußler? Aber hallo. Der lebt ja noch. Was sagt denn Preußler zu der ganzen Aufregung? Beim Thienemann Verlag nachgesehen und Links auf Bericht über den und Erklärung des Verlages gefunden.
    Durchgelesen.
    Zwischenergebnis gesichert:

    – Das Vorhaben der in Rede stehenden textlichen Anpassungen existierte schon lange.
    – Das Vorhaben wurde von der Familie des Autors ebenso lange abgelehnt.
    – Gegen Ende des vorigen Jahres stimmte die Verwalterin der Werke Preußlers den Anpassungen doch zu.
    – Bekannt wurde die Chose erst heuer – und unverzüglich in Diskussion gezogen. Um es gesittet auszudrücken.

    Wollte man einem Autor das Recht nicht absprechen, seine Texte nachträglich zu verändern, bliebe nichts mehr zu diskutieren. Betrachtenswert indes wäre das Aufbrausen der öffentlichen Diskussion und die sich darin offenbarend bedrückende Ahnungslosigkeit. Aber anderes Thema das ist.

    PS: Später muss ich noch wichsen. Wenn die Schuhe endlich trocken sind.

    • @Kienspan. Einsicht gewachsen. „Mit der Zeit ist aber die Einsicht gewachsen, dass die Authentizität des Werks der sprachlichen Weiterentwicklung untergeordnet werden muss“, sagte Willberg.
      Zitat nach >>>> dort.

      Eine überaus bekannte Sprach- und Ergebnishaltung, nachdem Druck ausgeübt wurde. “Die Authentizität des Werkes muß untergeordnet werden”: Das lasse man sich auf der Zunge zergehen. Ich erinner mich an Zeiten. Je tiefer man gräbt, um so furchtbarer wird es.

    • @ANH Ihren Hinweis kann ich bestens nachvollziehen. Allein, es fragt sich: welcher – meint: der Art nach – und vor allem wessen Druck? Da hake i c h mit meiner angedeuteten Kritik ein. Dass Druck auf Preußler ausgeübt wurde, halte ich für höchst unwahrscheinlich, weil sich der Entscheidungsprozess über mehrere Jahre und von der interessierten Öffentlichkeit offenkundig unbemerkt hingezogen haben dürfte. Aus exakt diesem Grunde ist nach meiner Auffassung die Überarbeitung von Texten in Abstimmung mit dem Autor ein Nicht-Thema.

      Dass sich einen Begriff begleitende Präsuppositionen über die Zeit verändern, überrascht nicht weiter. Das ist wohl unzweifelhaft der hintergründigen Wirkung eines attribuierenden Sprachkontextes geschuldet. Man tausche “Neger” beispielsweise gegen “Grieche” aus und spüre der Wirkung nach – im Heute und vor 20 Jahren.

      Es ist das hysterische Gekreische der “Netzgemeinde” (zu diesem Begriff hat Keuschnig auf “Begleitschreiben” einen ausgesprochen bedenkenswerten Beitrag veröffentlicht) und dessen Entstehungsmechanik, das ich als kritikwürdig erachte – nicht nur im gegebenen Zusammenhang. Skepsis springt mich mittlerweile an, wenn “höheres Interesse” im Zuge einer Diskussion in Stellung gebracht wird. Wenn “höheres Interesse” mit “öffentlichem Interesse” gleichgesetzt werden sollte, müsste festgestellt werden, dass solches nicht mehr existiert, strukturell nicht mehr existieren k a n n. Ein trivialer shitstorm hat sich entwickelt. Das ist alles.

      Reden wir doch einmal exemplarisch von zeitgenössischem attribuierenden Sprachkontext, vulgo Diskriminierung:
      Leistungsträger (Antonym: Faulenzer)
      Grieche (Synonym: Faulenzer)
      Exportweltmeister (Übersetzung: “beggar thy neighbour” – weiß bloß keiner)
      etc. pp.
      – und befragen uns hernach faschistoide Tendenzen einer in Sprache gegossenen Geisteshaltung betreffend. Ich meine nicht IHRE, ANH, auch nicht IHRE, Phyllis; IHRE selbstverständlich auch nicht, NWS. Ich meine das sich als “Öffentlichkeit” anheischig machen wollende Konstrukt vernetzter Privatheit.

      Die von mir aufgestellte Grundthese ist in meiner Wahrnehmung allerdings noch nicht widerlegt: Der Autor sei befugt, sein Werk zu überarbeiten.

    • Lieber Herr Kienspan, Selbstverständlich hat ein Autor dazu das Recht. Dies bedeutet aber nicht, daß seine Änderung richtig ist, wenigstens nicht dann, wenn ein Text bereits herausgegeben worden ist. Spätere Literarwissenschaftler sprechen in solchen Fällen von “Varianten”, über deren Gründe bisweilen eingehend geforscht wird. Ein besonders markanter Kandidat für Varianten-Literatur war Jean Paul, der seine Romane quasi mit jeder Neuauflage umschrieb. Besonders spannend wird die Variantenforschung werden, wenn erst einmal die im Netz erscheinende Literatur gesichtet werden wird, in der eindeutig der Hochliteratur zuzurechnende Texte von ihren Autoren oft innert kürzester Zeiten wieder- und wiederbearbeitet werden.

      Aber noch einmal zu Preußler. Interessant finde ich nicht nur die Mitteilung, der Autor habe nach jahrelangem Zögern zugestimmt, zumal in der vom Verleger gewählten Formulierung; ich kann mir gut vorstellen, welche Art Druck da ausgeübt worden ist, bis der alte Mann klein beigab. Interessanter ist die Bemerkung, die Erben hätten zugestimmt. Wie das? fragt man sich doch, wenn die Rechte bei Preußler liegen. Sollte es etwa so sein, daß er selbst gar nicht mehr rechtswirksam zustimmen konnte? Weshalb sonst die Erben? Noch lebt er ja.

      Es geht aber nicht nur um Preußler, sondern um einen Ansatz, der auf quasi alles bereinigend eingreifen will. >>>> Hier finden Sie eine vorläufige Vorschlagsliste; bislang sieht sie so aus:
      – Die Rache des Elefanten (Wilhelm Busch)
      – Schöner Leben mit dem kleinen Arschloch (Moers, Walter); Eichborn Verlag
      – Das kleine Gespenst (Otfried Preußler; Thienemann Verlag Stuttgart
      – “Hexe Lilli 14. Hexe Lilli auf der Jagd nach dem verlorenen Schatz: Mit vielen exotischen Zaubertricks!” (Knister); Arena Verlag Würzburg, 2003
      – Der kleine schwarze König (Langenstein, Paule; Pattloch Verlag, August 2007)
      – Herr Klingsor konnte ein bisschen zaubern
      (Otfried Preußler (Autor), Dietrich Lange (Illustrator); Thienemann Verlag 1987)
      – Mary Poppins (Travers Pamela L., Deutsch von Elisabeth Kessel; Verlag Süddeutsche Zeitung Junge Bibliothek, München 2005)
      – Max und Moritz: Eine Bubengeschichte in sieben Streichen
      (Busch, Wilhelm; Esslinger Verlag Schreiber, 1997)
      – Moni und der Monsteraffe” (Franzobel (Autor), Sibylle Vogel (Illustrationen); Picus Verlag Wien, 2008)
      – Wie ich Papa die Angst vor Fremden nahm (Rafik Schami & Ole Könnecke); Carl Hanser Verlag München
      – Pippi Langstrumpf, Pippi Langstrumpf geht an Bord, Pippi in Taka-Tuka-Land
      Lindgren, Astrid
      – Der Struwwelpeter (Hoffmann, Heinrich; Esslinger Verlag Schreiber 1997)
      – Wie schön weiß ich bin (Dolf Verroen); Hammer Verlag 2005
      – “Der weiße und der schwarze Bär” (Muggenthaler, Schubiger), Peter Hammer Verlag
      – Die Fahrt ins Wunderland (Fritz Baumgarten, Lena Hahn), Terzio Möllers & Bellinghausen Verlag
      – Der weiße N[..]r Wumbaba (Alex Hacke, Michael Sowa), Verlag Antje Kunstmann; Auflage: 10., Aufl. (30. August 2004)

      Ich bin mir sicher, der Lederstrumpf wird bald folgen; auch bei Karl May wird man durchsehen, Daniel Defoe sowieso, aber auch den großen Stevenson, den großen Scott (Ivanhoe -ausgerechnet! – etw) usw. Aus einem wirklichen W u n d e r der Libretto-Literatur, nämlich Hofmannsthals Rosenkavalier, wird der kleine Mohr verschwinden, ganz sicher. Und so weiter und kein Ende.

      Im übrigen wurde, meines Wissens, Astrid Lindgren n i c h t gefragt, wegen Pippi Langstrumpf, die aber auch wirklich das Musterbild einer menschenverachtenden Rassistin war. Bald wird man ihr gewiß den Vornamen nehmen, sie wird dann Jutta Langstrumpf heißen, weil es – im Deutschen – ein Mädchen ja nun wirklich diskriminiert, nach einer Ausscheidung benannt zun sein; das Zusatz-P spielt nach der Deutschen Rechtschreibreform wirklich keine en Schmerz mäßigende Rolle mehr. Wie dieses Kind gehänselt würde! Und wann immer sich irgend jemand wegen einer Begriffsverwendung im Buch zurückgesetzt fühlt, hat er das Recht, Änderung zu beantragen, bis bald überhaupt nichts mehr sich schreiben läßt, das nicht mehrfach und juristisch abgesichert wurde.

      Es geht nicht darum, rassistische Begriffe weiterzuverwenden, in gar keiner Weise. Aber sie wurden verwendet, und zwar auch in nicht-rassistischem Sinn, etwa von Hannah Arendt. Das ebenfalls streichen? – Was verhindert wird, ist Reifung – nämlich zu lernen, daß erwachsen zu sein bedeutet, mit Ambivalenzen zu leben. Kinder lernen dies schneller als Erwachsene, einfach deshalb, weil ihre Synapsen sich noch schneller, rasend schnell, bilden und neubilden. Es geht um Vermittlung, nicht darum, Unbequemes umzuschreiben. Aus Kinderbüchern “unmoralische” Begriffe herauszustreichen, bedeutet eine komplette Kapitulation der Pädagogik zugunsten, schließlich, einer Programmierung von Gesellschaft auf Eineindeutigkeit. Da wird kein Platz mehr für Zwischenräume sein, zu denen eben auch das unmoralische Sprechen und Schreiben gehört. Hier muß entschieden ein Menschenrecht auf Unrecht eingefordert werden, damit ein kultivierter Prozeß des Umgangs damit überhaupt erst eingeleitet werden kann.

      Auch ich bin immer wieder getroffen, wenn, namentlich in US-amerikanischen Filmen, von Deutschen, zu denen auch ich gehöre, als von “Krauts” gesprochen wird. Ich fühlte mich davon schon als Junge verletzt, aber habe zu verstehen gelernt und akzeptiere es heute, gerade, weil ich die Hintergründe begriffen habe. Und ganz gewiß mag sich ein Junge von anderer Hautfarbe als der meinen diurch den Begriff “Mohr”, wenn er ihn irgendwo liest, zurückgesetzt fühlen, aber entscheidend ist zum einen, ob er heute noch diskriminierend behandelt wird – dagegen wäre entschieden vorzugehen -, zum anderen, daß die Geschichte eben so war und wir, wir alle, lernen, mit ihr zu leben. Da nicht nur die Deutschen (und Österreicher und Schweizer) gegenüber anderen Ethnien abfällig waren und teils sind – sogenannte schwarze Völker gegenüber schwarzen Völkern, Semiten gegenüber Semiten, der Sikh gegenüber dem Hindu, der Hindu gegenüber Moslems, Jaints, Christen, der Japaner gegenüber dem Chinesen undsoundsoundsoweiter -, sondern die gleiche Struktur in nahezu sämtlichen Völkern bestand und teils besteht, wird der Dunkelhäutige sehr schnell verstehen, welcher Prozeß hier vorlag und wirkte, als ein Buch geschrieben wurde. Es gehört zum Fortschritt der Geschichte, ihn überwunden zu haben, ohne die Vergangenheit zu leugnen.

      (Ganze Wortfelder, übrigens, auch nichtrassistische, sind betroffen. Auf “Schuhe wichsen” haben Sie selbst angespielt; der Säuberungswahn will die Doppelbedeutung eliminieren, weil sie sexuell, also schmutzig, sei. Das genau wirkt da mit, und zwar jetzt und heute, immer noch. Das Umschreiben von Büchern steht der Aufklärung radikal entgegen, es ist tief reaktionär.)

      Seien Sie mir grimmig gegrüßt,
      Ihr
      ANH

    • Verbeugung vor Ihrer aufwändigen und zielsicheren Argumentation.
      Meinen Syntheseversuch will ich auf höherem Niveau, als dem meiner letzten Einlassung, unternehmen. Dafür muss ich mir Zeit zugestehen – es könnte Abend werden.

      glimmend erwidernd
      Ihr
      Kienspan

    • Wir wollen gar nicht reden von der Lieblingsoper der Deutschen: Mozarts “Zauberflöte”. Monostatos muss da ganz verschwinden! Geht politisch gar nicht!

    • @Leser à propos Kinder- und Jugendbuchliteratur. Extrem wichtig, es auf Gefahrenquellen durchzusehen: Tarzan. Vor allem aber der gesamte Jules Verne. Für die Erwachsenen muß Dostojewski dran und besonders Heimito von Doderer. (Übrigens bin ich mir sicher, daß wir auch in, sagen wir, islamischer Belletristik entsprechende Stellen über Christen finden werden. Da muß man dann ebenfalls bei. Nur wie? Ich könnte auch mal im Kamasutra nachgucken – eigentlich, volkswirtschaftlich betrachtet, ist das ‘ne riesige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme.)

      US-amerikanische Autoren der Fünfziger und Sechziger, ah ja, richtig (von vorher red ich mal nicht).

    • Shakespeare mit Othello – liegt in diesem Machwerk nicht der Urgrund allen Übels: der triebgesteuerte Neger ermordet Dame der Herren- oder Damenrasse!

    • Shakespeare mit Othello – liegt in diesem Machwerk nicht der Urgrund allen Übels: der triebgesteuerte Neger ermordet Dame der Herren- oder Damenrasse!

    • Und was tun wir. Mit der gesamten Literatur der Romantik, Spätromantik und jungen Moderne, wo noch ganz rücksichtslos von “Krüppeln” gesprochen wird, auch wenn man ihre, wie etwa Victor Hugo, Partei vertritt? Das muß doch “disabled persons” oder so ähnlich heißen. Wenn das heute jemand Betroffenes in die Hände bekommt, dann wird ihn das einfach fertigmachen, weil zunmindest dann klar ist, daß z.B. Hugo in Wahrheit zu seinen Schindern gehört hat, wenn er, der Betroffene, nicht die Bildung bekam, Zusammenhänge zu verstehen. Oft kommen diese Menschen ja aus Familien, denen man das nicht zutrauen kann, noch darf, sondern solche Konflikte abzuwehren, dafür müssen Kommissionen gebildet werden aus gebildeten Menschen, die dann FSK und so sagen. Die das auch können, weil sie besser wissen als die eigentlichen Eltern, was für deren Kinder gut ist. Ich schlage Bibliothekare&innen vor, weil die einerseits die Bildung haben, von ihnen andererseits aber auch keine sinnliche Gewalt ausgeht, jedenfalls nicht regelmäßig, die unseren Nachwuchs gefährden könnte. Und natürlich muß das Internet abgeschafft werden, weil die Kinder sonst schon zu früh zu sehen bekommen, was sie früh längst gesehen haben. Wie schädlich das ist, sehen wir an den Kriegen, die von solchen Kindern begonnen wurden, während Menschen, die als Kinder nicht dem unheilvollen Einfuß des Internets ausgesetzt waren, Kriege gar niemals geführt und auch niemals jemanden umgebracht oder sonstwie geschädigt haben.
      Die Schleusen sind endlich geöffnet, und zwar von der richtigen, von der moralisch wertvollen Seite. Lassen wir also die Wasser herein!

    • Man muß ja schon sehr aufpassen, was man liest, keine Frage, aber auch auf das achten, was man selber schreibt oder gar sagt. Vor einer Weile habe ich mal geäußert, ich fände Stephen Hawking unsympathisch – was denken Sie, was da für ein Sturm der Empörung losbrach. “Aber der ist doch behindert”, hieß es, und man strafte mich mit Blicken, die, wenn Blicke töten könnten …

    • Dieses Leben ist halt eines der gefährlichsten. Wie gut, daß es so großartige Literaturreinigungskräfte (von “Putze” wollen wir politisch korrekt nicht sprechen, nicht einmal dran denken!) gibt wie den Verleger Willberg, der mit preußischem Pflicht- und Anstandsbewußtsein Hexenwerk vollbringt und uns entnegert. Er wichst sozusagen die Bücher blank!

    • Der beste Reiniger der deutschen Literatur seit Jahrzehnten ist aber Denis Scheck, der gleich ganze Bücher vor laufender Kamera in den Müll entsorgt. Sicher würde er sie auch gerne ganz und gar telegen zum Beispiel in ein heidnisches Osterfeuer werfen, aber das haben ihm wohl die kirchlichen Vertreter im Rundfunkrat untersagt, die aber wiederum …

    • die flachen Pfeifen pfeifen überall hin… – genug jetzt! Konzentrieren Sie sich! Sie arbeiten für die Steuer. Die Wowereits brauchen was zum Ausmfesterschmeißen!

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