Eigentlich

Vor vielen Jahren, wir machten damals noch eine Ausstellung nach der anderen, gab es mal eine, die “69,99.-” hieß. Sie ahnen, warum: Jede dort gezeigte Arbeit konnte zu diesem Preis erworben werden. Allesamt waren es Zeichnungen, Collagen oder Fotos, 20 x 20 cm, einheitlich gerahmt. Wir waren >>> zwölf. Gemeinsam machten wir die “Fahrradhalle” – einen Aktions- und Ausstellungsraum, in dem wir fünf Jahre lang jeden Monat Arbeiten von Künstler:innen präsentierten, die wir interessant fanden. Manchmal auch unsere eigenen – so bei “69,99.-“.
Ich kaufte damals die Arbeit meines Kollegen A. v Z. … er ist inzwischen mit einer Modedesignerin verheiratet und hilft ihr, in ihrem Maßatelier galante Kleidung zu entwerfen. Ich erinnere mich, dass er damals schon sagte, wenn er es bis zu seinem Dreißigsten nicht geschafft haben würde, als Künstler erfolgreich zu sein, würde er umsatteln. Hat er dann auch getan. Obwohl er seinerzeit s e h r coole und aufwändige Objekte machte. Installationen. Wir alle dachten, den hält nichts auf. Wir alle dachten, u n s hält nichts auf!

Wie dem auch sei. Ich hatte jedenfalls heute Nacht diesen Traum – ein Hammer von einem Traum war das. Morgens blieb mir nur ein Bild noch eine Weile stehen: Ich befand mich in einem Gewölbe und stieg ein paar steinerne Treppenstufen zu einem Bassin hinunter, das mit einer dunklen, dickflüssigen Masse gefüllt war. Schlamm oder Schlimmeres? Keine Ahnung, jedenfalls war es warm. Ich watete langsam hindurch, stieg an der anderen Seite wieder nach oben, durchquerte einen angrenzenden, menschenleeren Raum und befand mich mit einem Mal wieder auf einer belebten Straße, von Kopf bis Fuß bedeckt mit … Schlamm. Denke ich. An irgendeine Art von Scham oder Verstörtsein angesichts meines Zustands kann ich mich nicht erinnern. Nur das Wort “eigentlich” kam mir in den Sinn.

Und das (um die Kurve zu kriegen) war genau das Wort, das der Kollege A. v Z. damals auf das 20 x 20 cm große Papier geprägt hatte, ganz klein, höchstens sieben Punkt Schriftgröße. Sonst war nichts auf dem Blatt, nur dieses winzige Wort, umgeben von ganz viel Weiß.
Sein “Eigentlich” (ich nahm es irgendwann aus dem Rahmen, weil ich ihn für etwas anderes brauchte) liegt bestimmt noch in irgendeinem Karton rum. Ich brauche es nicht mehr, denn seine Botschaft ist längst Teil meines Systems geworden. Das Wort “eigentlich” bewirkt bei mir ein Innehalten. Es bewirkt, dass ich mich frage, ob ich das, was ich gerade tu’, wirklich will, oder ob mein Handeln womöglich Ersatz für ein anderes Handeln ist, das mir aus Gründen, die ich dann auszuforschen suche, nicht möglich ist. “Eigentlich” bewirkt Vergegenwärtigung. Es ist nicht immer leicht, sich so selbst ins Aug’ zu blicken – logo. Vielleicht sogar schwieriger, als durch ein Bassin mit warmer Sie-wissen-schon zu waten ; )
Der Frühling, denke ich, ist jedenfalls ein verdammt guter Zeitraum, sich die eigenen Schlüssel- nein, Zauberworte vor Augen zu halten: the writing on the wall. Meine eigenen erkenne ich daran, dass sie Körpertemperatur haben und – Bilder sind. Manchmal sogar Flüssigkeiten.

23 Gedanken zu „Eigentlich

  1. EIGENLICHT was damals gedacht wurde ist und bleibt richtig- was damals nicht gedacht werden konnte ist die ausformung – und über dies damals gedachte bild sind diese hoffentlich schon lange weg so oder so.

    • Ich bezweifle stark, dass man jemals über etwas hinweg sein kann, das wirklich von Belang war. Es sinkt nur ab. Und manchmal geht man’s dann im Traum besuchen.

    • meinen ich meinte damit das ja das “eigentlich”kontraer zum “eigenlicht”
      steht das ohnehin brennt wies brennt und klar auf eine weise ist man nie darüber weg – aber man erkennt vielleicht akzeptabler den unterschied von einer gedachten idee und dem wie es sich dann ausgeformt hat.

  2. Das ist, liebe Phyllis, die moderne Version des Traums, den der “Heinrich von Ofterdingen” des Novalis zu Beginn des Romans träumt. Man geht in die (eigene) Innenwelt und kommt ganz verändert wieder hervor, nur daß Heinrich die Blaue Blume gesehen hat als Symbol des Inwendigen und Erotischen, während Sie aus dem Innenleben mit einer zweiten Haut hervorgehen, eben nicht gebadet und “gereinigt” wie Heinrich. Das Leben ist eben kein Roman.
    http://www.zeno.org/Literatur/M/Novalis/Romane/Heinrich+von+Ofterdingen/Erster+Theil%3A+Die+Erwartung/Erstes+Kapitel

    • Ah, Novalis! Über den hab’ ich die beste Deutscharbeit ever geschrieben, wie schön, dass Sie mich daran erinnern. Als Teenager war ich “richtig drauf” auf dem, um es mal in meinem damaligen Sprachgebrauch zu sagen : )
      Inzwischen – pssst! – bin ich eigentlich ganz froh, dass es in meinem Fall mit der inneren Läuterung (noch) nicht ganz so gut geklappt hat, blaue Blume hin- oder her.

      (der doppelte Beitrag ist entfernt, danke)

    • eigentlich verweist auf die eigentlichkeit des jargons einer eigentlichkeit, die als eines immer nur das eine des eigenen meinen kann, es sei denn sie ist vieles ( alles ) – eine art totalität, welche eigentlich nur systemisch die totalität des jeweils individuellen systems meinen kann, gar selbst aufzeigen qua sprache und nicht noch mithilfe von gestikulation ( gesten ) oder mimik.
      eigenartig / eigen / “eigenunartig” / eigens / der einzige und sein eigentum / solus ipse / usw. – lauter fragen vermutlich & letztlich – sowas wie echatologisieren wollend.

    • an was binde ich mich als eigen-sein-wollende:r künstler:in ?
      vielleicht an tradition ?
      an sprach-idendität ?
      an gar nazionale idendität ?
      bin ich da oder könnte ich soweit eigen sein ?
      meine eigenheit in gerasterten ( nein in grundschematisierten ) stragtegemen finden ?
      wollen usw.
      wie blöd bin ich oder wie gut ?
      oder ist vielleicht gar gut blöd und schlecht scharf ( intelligent ) ?
      naja – baby now home and i got too much time

    • warum ich so high und weise bin.

      weil es so ist.
      ( weil ich so bin )
      (( weil es niemand ausser mir geben kann ))
      ((( weil ich vielleicht eifersüchtig bin )))
      (((( weil alles nur gerecht ist, sozusagen schicksal ))))
      usw ( weil ein mensch high ist )

      high ( bear ) not

      now

    • @ fantasie du hättest dich gleich zur wehr setzen MÜSSEN.

      das verlange ich von einer frau.

      ( eigentlich )

    • warum müsst ihr mir bloss alle so dumm vorkommen ?
      ( nein nicht gleich nachkommen wollen )
      kamt ihr mir dumm ?
      das könnt nur ihr selber ( selbst ) wissen.

      ciao soweit

    • eril ihr so etwas wie eine fiktion seid wie wir.
      ihr seid wir.
      wir menschen.
      wir spezies.
      wie oberförsterforschungsgegenständlichkeit.
      wir oberentnazifizierungsgelegenheitsprojekt.
      wir verständigungshalberaufzarenfixiertekönigludwigadepten.
      uns adepten.
      mündig.

    • es gibt doch keine hauptschlüssel, es geibt gegenschlüsselchen zu gegenschlüsseln ( oder zu schlüsseln, es gibt penisse )

    • @Wavefeather Schreiben als “stream of consciousness”. Eigentlich nichts gegen einzuwenden, nur schwer mit anderen zu synchronisieren. Falls das überhaupt gewollt ist.

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