Also, die Lebensgier. Und was ihr auf dem Weg von der Identitätszelle in den Bedeutungshof so alles zustoßen kann. Irgendeiner kommt ja immer und behauptet, das bringt doch nix schalt’ doch mal einen Gang runter ich mach’ mir Sorgen um Dich mach’ Yoga komm’ Tatort gucken willste was essen.
Kennen Sie das? Vielleicht machen Sie ja andere Erfahrungen. Falls ja, speak up, honey. You’ve got an audience.
Die geile Gier. Die Gier nach der Gier, einhergehend mit der Ablehnung der Ungier. Manche können ja auch mit Lust was anfangen. Meinetwegen. Aber Hunger und Gier sind die besseren Erfüllungsgehilfen (manchmal auch Geh-Hilfen, hihi), weil die Lust, ach, die ist so ein schnäkiges Helferlein. Schnappt nur nach dem, was verzehrfertig aufpoliert ist und später beschwert sie sich, es wär’ immer das Gleiche. Menno, ich langweil’ mich… Jaja. Die Lust ist ein bisschen wie Schnick-Schnack-Schnuck spielen. Wenn man erst einmal raushat, wie schlicht die Manöver im Grunde sind, verliert sie an Biss. Flauschi ahoi. Da hülfe nur noch Gier, doch dazu müsste man die beschwichtigenden Stimmen aus dem Inneren der Identitätszelle ignorieren. Können.
Sieben Türen trennen uns vom Hof.
Die Vorsicht.
Die Abnutzungserscheinung.
Der Verzicht.
Die Bescheidenheit.
Das Gemeinwesen.
Die Trägheit.
Der Umkehrschluss.
(Nummer Sieben ist die übelste Tür von allen.)
(Denken Sie mal darüber nach.)
Es muss doch einen Grund haben, dass wir ermüden. Die Lust verlieren. Oder? Ich meine, wir ermüden, das ist nicht zu übersehen, wir verlieren an Verve. Das tut doch niemand freiwillig?! Wir gewöhnen uns so schnell an die Lust, ein Jammer ist das. Liegt an der Bewahrungsmentalität. Lock ’nd Lock. So heißen diese Sicherheits-Küchenbehälter, aus denen nichts ausläuft. Lebenslange Garantie. Wenn aber nix mehr rausläuft, läuft auch nichts mehr rein.
Verzeihen Sie, dass ich Sie so in einen Topf werfe heute, aber mich hier alleine hinzustellen und das zuzugeben wär’ echt viel verlangt. So viel verlange ich nicht von mir. (Iwo.)
Dabei fängt alles so gut an. Wir sind begeisterungsfähig. Kein Wunder, wir schnüffeln doch ständig. Wir denken, ja, das lässt sich gut an, hier setz’ ich meine Duftmarke ran, Trüffel, Moschus, Ponyhof, was auch immer. Wir sind markierungsbereit. Und die Anderen, wenn man’s genau nimmt, riechen auch nicht so übel. Lässt sich doch was draus machen. Alles, was wir brauchen, ist ein bisschen Schlüsselrasseln im Gang draußen, schon schnuppern wir Morgenluft. Das olle Ich wird ja schwer überschätzt. Das Ich kommt nie in die Brunst, so sieht’s nämlich aus. Und die Brunst ist das, worauf Verlass wäre: Nix mit Lock ’nd Lock. Die lässt sich nicht versiegeln.
Sagen wir also, der Aufbruch aus der Identität wäre geil. Man weiß noch nicht, ob man alle sieben Türen zum Hof aufkriegen wird, aber man ist schon mal gemeinsam im Gang. Dicke-Hosen-Treffen. Yo! Schluss mit Bescheidenheit – jeder zeigt, was er hat. Geist. Pläne. Schwellkörper. Glitsch. (Ohne Glitsch können Sie’s vergessen.) Halten Sie ungeniert nach jenen Mitinsassen Ausschau, die ihre Hände nicht in den Taschen behalten. Interaktionen im Gang sind erwünscht: Seid willens und erigiert, was Ihr habt. Und wenn Ihr’s nicht bis raus in den Hof schafft (sieben Türen sind ’ne Menge Holz, und ich hab’ wahrscheinlich ein paar vergessen) – der Gang tut’s auch.
Ich weiß noch nicht einmal, ob ich Sie richtig verstehe, raus aus der Identitätsfalle und weg von der Bescheidenheit. Erst einmal klingt das paradox, widersprüchlich, aber nein, Sie haben Recht, wenn man sich traut, wenn man sich zeigt, ohne sich ausstellen zu müssen, ist Identität eine Grundlage für Gemeinsamkeiten.
Ich mag dieses Gedankenfutter, möglicherweise ebnet es mir einen gangbaren Weg, ohne dass ich Türen zertrümmern muss, denn manchmal ist es doch auch ganz schön, eine Tür hinter sich schließen zu können. Gesetzt den Fall, man selbst hat den Schlüssel, sie auch wieder zu öffnen.
Liebe Weberin, Sie verstehen mich wahrscheinlich da, wo es anregend ist: in den Missverständnissen.
Tschuldigung – schon wieder ein Paradox ; )
Ich denke sehr viel über Energie nach in letzter Zeit. Wie und wo sie – zunächst einmal für mich – entsteht und warum sie ebenso zuverlässig wieder in die Flaute gerät. Und mit ihr die Ideen, die von dieser Energie getragen wurden. Ich beschäftige mich mit Erregungs- und Erschöpfungszuständen. Und wie sich erstere länger ausdehnen ließen. Ich beobachte bei mir, dass ich meinen Körper in Arbeits- bzw Konzentrationsphasen einfach nur bewohne: das Rauschen der Arbeit übertönt die Stimme des Körpers. Irgendwann blicke ich dann auf und merke, ich bin völlig aus der Übung, hab’ vergessen, mit ihm zu spielen, den Singen seiner Säfte und seinen Signalen zu lauschen. Geschweige denn, ihnen nachzugehen. Das war so ungefähr mein Ausgangspunkt, als ich den heutigen Text schrieb.
Wir vergessen unsere Körper Hmm… wollten Sie einen Dauererregungszustand? Also ehrlich gesagt, ich nicht. 🙂
Der Körper braucht Phasen der Ruhe, der Schädel auch. Was den Flow betrifft, könnten Sie sich fragen, was es denn ausmacht, bzw. welche Merkmale das sind, die das, was Sie tun wollen, s o attraktiv machen, daß Sie’s immer wieder tun wollen. Es muß eine besondere Erlebniskonfiguration sein, die in der Wirkung ihrer Ausführung, durch eben diese Merkmale dafür sorgt, daß Sie ohne Probleme, ohne Ablenkung, aber was noch viel wichtiger ist, ohne ständig zu interpretieren – weil Anforderung und Rückmeldung der eigenen Fähigkeit auf höchstem Niveau übereinstimmen – klar erkennen, w a s zu tun ist. Ohne Fragen zu stellen. Solche Zustände kommen einfach, oder sie bleiben weg. Und Ihr Körper, der ist nicht leise, der paßt sich nur an, weil er in dem Moment merkt… oh da tut sich was. E s denkt sich nochnicht mal von allein, e s ist einfach da… und vom Gehirn kommen die Befehle, der Körper ist ausführendes Organ. Das Selbst schaltet sich aus, somit ist man K ö r p e r, weil einzig das Schaffen in dem Moment im Mittelpunkt steht.
Anders ausgedrückt, wenn Sie eine Kartoffel schälen wollen, denken Sie in dem Augenblick des Handelns darüber nach, w a s und w a r u m Sie das tun wollen? Nein. Und warum nicht? Weil die Anforderung Ihres handeln Wollens mit der Rückmeldung Ihrer eigenen Fähigkeit vollkommen übereinstimmt. Es glitscht sozusagen….
Erregung braucht immer einen Auslöser. Also die Frage nach der Konditionierung? Der Inhalt der Blackbox, der dann zwar in seiner Ursprünglichkeit, wenn er wahrgenommen wird, zwar spontan wahrgenommen, aber dann wie automatisch zielgerichtet wird. Also auch wieder K ö r p e r.
Sie experimentieren doch gern… pudern Sie sich mal Ihre Fußsohlen mit Graphit ein, und gehen damit über eine große Fläche Papier. Danach setzen Sie sich, heben Ihre Hand, und fragen sie, ob sie darauf reagieren möchte. Fragen Sie Ihre Hand, wie sie darauf reagieren, und was sie dazu sagen will. Geben Sie ihr einen Stift oder Pinsel, und lassen Sie sie antworten.
Die sexuelle Erregung betreffend wissen wir komischer Weise, daß wir Körper sind. Im täglich chronischen Bewegungsablauf vergessen wir unseren Körper aber wieder. Aber er ist es, der uns das alles, was wir tun wollen, ermöglicht. Auch das vergessen wir.
Dauererregung, liebe Syra, ist das Letzte, was ich mir wünsche, da müssen Sie irgendetwas missverstanden haben ; )
Aber vorab: schön, hier mal wieder von Ihnen zu hören.
Ihre Erklärung glitscht. Was Sie beschreiben, macht auch den berühmten FLOW aus, nach dem alle Künstler:innen (und wohl auch alle anderen) so schmachten. “Mit sich selbst deckungsgleich sein” nenne ich es immer für mich.
Was ich dennoch vermisse, was nicht durch Nach-Denken, sondern eher in Form eines wie von Ihnen vorgeschlagenen Experiments herzustellen wäre: das Sein im Körper. Immer wieder täusche ich mich da. Indem ich annehme, das müsste doch automatisch stattfinden. Tut’s aber nicht. Beim Sport, ja. Aber in der Sexualität eben noch besser – auch in der nicht ausgelebten, ach, was rede ich – jede, die bewusst wahrgenommen wird, ist doch ausgelebt, ob sie nun stattfindet oder nicht. Lust haben! Mit Erregung spielen, sich an sich selbst magnetisieren – und an anderen. D a s, finde ich, findet in mir und meiner Umgebung zu wenig statt. Das ist pure Energie, und wenn ich sie vergesse, weil mein Kopf woanders ist, vermisse ich sie noch nicht einmal.
Die Sache mit dem Graphit – die probiere ich aus!
Was ich sonst nie tue, aber diesen Text habe ich mir ausgedruckt. Zum Anfreunden.
Ich hoffe, Sie schreiben darüber. Falls es klappt mit dem Anfreunden ; )
Nee, schreiben will ich nicht darüber, dazu ist mir die Lust zu launisch, ein Phasentier, undomestizierbar, aber schön weil wild. Ich könnte nicht einmal behaupten, auch nur ansatzweise an ihr irgendetwas verstehen zu wollen. Erst wenn sie geht, höre und sehe ich wieder, und die Erkenntnis erschlägt mich, dass sie in der Lage ist, bewohnbare und unbewohnbare Gebäude zu errichten. Von außen allerdings nicht zu erkennen. Es ist mitunter so, als setzte man sich real auf ein imaginäres Sofa, oder plumpse in ein Federbett, obwohl man von der Brücke sprang.
Mit der Lust habe ich mich angefreundet.
Die Gier schließt m.E. keine Freundschaften -von daher nehme ich sie wie die Sonne oder ein Gewitter freudig hin, wenn sie mich aufsucht.
Eigentlich bin ich immer ein bisschen verliebt, das macht die Sache leichter.
Das mit der Lust haben Sie gerade mal sehr lässig
auf den Punkt gebracht, Frau Rinpotsche.
Auf das Phasentier!
Ich gehöre zu denen, die einen Text immer auch gleich umstülpen und dann den Gesichtsausdruck sehen, der während des Verfassens Wache gestanden hat. Ist natürlich nur imaginiert und muß mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben. Na, dann denke ich mal nach, live sozusagen, als Erholung von der Erwerbsarbeit, denn natürlich fällt mir eine Menge ein zu ihrem Text, weil: kenn ich, kennt jeder. (Lehrer diskutieren im Moment wie wild, ob sie Schülern so ein Weil-Doppelpunkt-Deutsch durchgehen lassen sollen, dürfen oder gar müssen!)
Dieses Lustverlieren ist ja unter Umständen die Folge der gefühlten Wiederholung des Immergleichen, obwohl dieses Immergleiche doch immer wieder neu sich in die eigene Zeit hineinsetzt, denn sonst würde niemand weder zum xten Mal die selbe Oper sehen wollen noch jedes Jahr diese Pokalendspiele. Warum also tut man dies? Die Antwort ist wohl, weil es unmittelbar, unvermittelt geschieht, der Mensch sich dem hingeben kann, aus Lust am Spiel, ohne aber selbst spielen zu müssen oder auch nur zu wollen. Vielleicht liegt da ein Unterschied in den Lüsten begründet, denn will die eine Lust empfangen werden, die gelungene Inszenierung, die Schönheit eines besonderen Spiels (gleich welcher Spielsportart), so ist die andere mit einer gewissen Verantwortung beladen für die Lust des anderen Menschen, was am Anfang der Lust unmittelbar beide Menschen betrifft, aber noch überhaupt kein Gewicht hat (oder haben sollte), weil noch keine Erfahrung vorausplanend und vorauswissend sich einmischt, denn es gibt noch ein Terrain zu erobern, mit Lust und Laune und ohne der Gedanken Schwere. Letztere will ja auch generell vertrieben sein, das weiß jeder, der eine oder die andere kann das einfach so, mancher und manche kriegt die Gedanken und die bekannte Vorstellung des noch Folgenden nicht aus dem Schädel, was die Notwendigkeit alkoholischer Getränke für das Wohl des Menschen beweist. Dennoch sollte man aus dem Ganzen kein System machen, weil man sein Leben dann in zwei Teile zu teilen hätte, den lustvoll-hedonistischen und den vernünftig-pragmatischen Teil. Oder sollte man doch? Ich jedenfalls versuche seit ewigen Zeiten den alten Spruch, erst die Arbeit, dann das Vergnügen, umzudrehen, wenngleich da nicht jeder gleich mitmachen will, vielleicht wegen des Belohnungsprinzips, das Kern der Erziehung ist? Ich weiß es auch nicht! So, und nu’ an die Arbeit.
Lieber Norbert, mit allem d’accord, außer…
aber lassen Sie mich darüber nochmal kurz nachdenken. Möglichst mit den Füßen im Grase.
Oder, liebe Phyllis, mit den Füßen in der Luft!? So lange Sie nicht den Kopf in den Sand stecken …
Nö. Aber an ihm schnuppern muss erlaubt sein. Besonders an Regentagen.
Klar, schnuppern ist immer erlaubt, denn der Mensch, das haben viele nicht auf der Pfanne, ist ein Schnupper- und Schnüffelwesen – das Werkzeug dafür sitzt mitten im Gesicht.