Farah Days Tagebuch, Vorspann

Der Parasit schlängelte sich in einem mit Wasser gefüllten Glas. Er war gelb, leicht ins Grünliche changierend, und man sagte, er phosphoresziere im Dunkeln. Jetzt, bei Tag, war das natürlich nur zu erahnen. Ich konnte den Blick nicht von ihm wenden: Wie elegant er war. Wie fein. Ich hatte ihn erkannt – er war mein. Da schon.

Wie ein Streifen gelber Seide sah er im Wasser aus. Ausgefranst an den Rändern, wie etwas aus zartem Gewebe Gerissenes. Winzigste Fasern, mit einer Verdickung an der Seite, an der sein Kopf ist. Wir konnten erkennen, dass er gefressen hatte: Da war eine leichte Verfärbung, ungefähr auf der Mitte seines Körpers. Jen füttert alle Würmer vorher, sonst würden sie gleich anfangen zu fressen. Das ist nicht erwünscht, wegen der Eingewöhnungsphase.


Die anderen hatten sofort mit den Vorbereitungen begonnen. Ich bot meine Hilfe an, doch Jen zog die rechte Braue hoch und machte dieses kleine Geräusch mit der Zunge, das er immer macht, wenn jemand etwas Unangemessenes sagt. Er kommt ganze Tage ohne Worte aus, nur mit diesem Schnalzen.

Also saß ich am Tisch und starrte auf den Parasiten. Sein Name war Cinz. Das war der Grund, weshalb ich ihn bekam: dass ich als Einzige seinen Namen wusste. Nachdem ich ihn ausgesprochen hatte, hatten die Anderen sich entspannt. Nur Franny hatte mir einen Blick zugeworfen, als ob sie mir etwas neiden … aber vielleicht auch nicht. Sie gehört zu den ältesten und ist schon vor Jahren getauft worden. Allerdings auf die alte Art: die, die noch schmerzhaft war.
Cinz hat mir nicht weh getan, als ich ihn hinunterschluckte. Und auch danach nicht.

Er lebt jetzt mit mir. Von außen sieht man nichts, ich meine, er nutzt meine Körperöffnungen nicht, um sich mal blicken zu lassen, oder schwimmt hinter die Augen, wie der andere Parasit es tut, der Schafe befällt. Der frisst auch die Hörner hohl, das muss man sich mal vorstellen. Das Horn wird dann irgendwann so dünn und durchsichtig, dass man erkennen kann, wie er sich innendrin bewegt. Und wächst.

Vermutlich könnte Cinz auf einer Ultraschall-Aufnahme entdeckt werden, doch da uns beiden nichts daran liegt, nehme ich an, er würde sich hinter einem Organ verstecken, solange die Untersuchung dauert. Man wird uns jetzt sowieso nicht mehr oft untersuchen. Die Zeiten sind vorbei.
Cinz und ich … für mich ist das ja alles neu. Die anderen winken nur ab, wenn ich auf ihn zu sprechen komme. Aber ich bin so erfüllt von ihm; es kommt mir fast wie ein Frevel vor, seine Existenz geheim zu halten.

Oh, Moment…


Ich muss Schluss machen.

5 Gedanken zu „Farah Days Tagebuch, Vorspann

    • @La-Mamma Vor allem, weil mich Farah seit einiger Zeit begleitet, ohne dass sie sich bisher zu Wort gemeldet hätte: ich fand bisher einfach keinen richtigen Anfang. Bis jetzt…

  1. Spaaaannnnend! (Kleine religiöse Gemeinschaft mit obskuren Riten und Praktiken, irgendwie naturwissenschaftlich geprägt …?) Bitte blättern sie weiter, Farah Day!

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