Rezeptionsfragen, ff

Bescheidenheit ist etwas, das offensichtlich gerne mal mit Selbstbescheidung, ja Demut verwechselt wird. Das ist falsch, denn: sie ist ein Modus. Gestern >> kommentierte ich unter einer Opernkritik in die Dschungel, woraufhin mir jemand, der sich Impostor nannte, riet, ich könne ja ruhig der Oper und ihrer Sogwirkung verfallen, mich aber doch bitte nicht “so freundlich, höflich und bemüht” dazu äußern. Mich irritiert das. Hätte diese Irritation nur mit dem etwas schärferen Ton zu tun, der drüben herrscht, ich würde mich nicht weiter dazu äußern. Ich glaub’ aber, es geht darüber hinaus. Ich vermute da eine Behauptung – oder sagen wir Annahme – die Rezeption von Kunst sei etwas, das einem einfach so zufiele, ohne Vorbildung. Intuitiv, sozusagen. Da müsse nichts gelernt werden. Da wäre keine (durchaus genüßliche) Bemühung im Spiel. Da könne, mit gesundem Selbstbewusstsein, einfach zugegriffen werden.
Ich kann das aus eigener Erfahrung nicht bestätigen. Ob ich nu ins Theater gehe, ins Ballet, in die Oper, oder in eine Ausstellung mit Gegenwartskunst: Ich werde immer mehr davon haben, wenn ich neben meiner Intuition auch auf Erfahrung und bereits Verknüpftes zugreifen kann. Klar – die unverbildete Reaktion hat ihren eigenen Reiz; die gebildete wirkt manchmal betulich dagegen, oder starr. Für mich ist es trotzdem interessanter, künstlerische Erfahrungen mit jemandem zu teilen, der oder die sich auskennt. Manchmal, wenn ich mich selbst auch auskenne, wird’s dann ein Fachgespräch. Tu ich’s nicht, schalte ich auf Lernen um und hör’ mir das erstmal an. Ich nehme mir Zeit. Ich steige auch ein ins Gespräch, klar, aber eben in dem Wissen, dass es da ein Gefälle gibt. Da kann Bescheidenheit manchmal ein ganz angenehmer Grundton sein. Das nimmt mir nichts von meinem eigenen Erleben, sondern fügt etwas hinzu. Sollte doch eigentlich auf der Hand liegen (?) Lernen wollen ist jedenfalls kein Eingeständnis fehlenden Selbstwertgefühls.
So. Muss einen Text für die Stiftung schreiben jetzt. Würde mich aber sehr interessieren, wie Sie das sehen, geschätzte Leser:innen.

Donnerstag, 30. Juni 2011
Hier sammelt sich seit gestern einiges an Denkfutter, deswegen heute kein neues Tagesjournal. Möchte lieber Ihre Beiträge und Interaktionen nochmal lesen und eventuell reagieren. Vielleicht schalten sich ja heute noch ein paar neue Stimmen dazu. Blödler, übrigens, lösche ich weiterhin – ich hab’ nichts gegen Albernheit, aber es gibt so ein Gespür dafür, wann die einem Thema etwas hinzufügt und wann sie schwächt… und dieses Gespür erwarte ich einfach von TT-Kommentator:innen! ; )

80 Gedanken zu „Rezeptionsfragen, ff

  1. Warum sollte Freundlichkeit und Höflichkeit falsch sein? Man fragt sich, wie es dem Impostor denn sonst genehm wäre. Unhöflich? Unfreundlich? Frech? Unverschämt? Was ist das überhaupt für ein Einwand, wenn es denn einer ist?

    Verstehe ich nicht. Vielleicht bin ich auch nicht bemüht genug, um es zu verstehen.

    • @Strigops Habroptilus Ich glaube, es hat damit zu tun, wovon wir kürzlich erst sprachen: Zustimmung und Lob wird jenem, der es ausspricht, gerne mal als Schwäche, ja fast anbiedern wollen ausgelegt, wohingegen es scheinbar das Profil schärft, aggressiv dagegen zu schießen …

    • @Weberin Wenn nun jemand Ihre Geschichten lobt, liebe Weberin, was ja (und zurecht) sehr oft geschieht… gilt Ihnen da ein Lob nur, wenn es fundiert ist? Das ist keine Fangfrage. Ich sprach kürzlich mit einem Freund, der sagte, positive Leser:innenmeinungen seien ihm zwar angenehm, richtig ernst nehmen könne er aber nur Kritik, auch positive, von Menschen, die aufgrund hoher fachlicher Kompetenz sehr schwer zu überzeugen seien. Das ist nachvollziehbar. Führt aber in diese Gewässer, in denen man nur sicher zu fahren können glaubt, wenn man sich ständig harten Prüfungen aussetzt. Daran stört mich etwas, ich kann’s aber gerade noch nicht richtig benennen.

    • Prüfungslust. Auch die gibt’s. Die Prüfungsangst wird aus Gründen der Menge überschätzt.

      Prüfungslust ist auch, den Mount Everest zu ersteigen oder einen anderen Gipfel, auf den noch kein Fahrstuhl führt. Voll Prüfungslust ist jeder Leistungssport. Und wer mit der Kunst beginnt, braucht diese Lust rein zum Überleben. Schon, um nicht depressiv zu werden, sondern die andere Lust zu bewahren, die mit ihr zusammenhängt: die Lust am Lebendigsein.

    • @ Weberin, p.s. .. und dann gibt es ja noch die, die eine so eigene Sprache sprechen, dass sie gar nicht zur Beurteilung animieren, sondern zur Anverwandlung. Ihre Texte zum Beispiel lösen das manchmal bei mir aus: ich verfalle dieser Melancholie und will in einer Sprache antworten, die die gleiche Temperatur hat: die sich in den Bildern bewegt, die Sie vorgeben. Bei Shaima geht mir das auch manchmal so. Auch bei manchen Gedichten von Sturznest. Es gäbe da noch einige zu nennen, aber das führt jetzt zu weit. Auf jeden Fall ist es ein besonderer Effekt, der eintritt, wenn jemand eine sehr eigene, mir magnetisch erscheinende Sprache verwendet. Und es sind oft eher kürzere als längere Texte, die ihn auslösen.

    • @ Phyllis – in einer Sprache antworten Das geht mir auch so. Ich denke oft – auch wenn das gar nicht richtig sein muss, ja, vielleicht sogar unerwünscht sein könnte – ich müsse mich auf die Sprache des anderen einschwingen, um meine Wertschätzung adäquat zum Ausdruck bringen zu können. Um das, was ich loben möchte, nicht durch meine derbe Holzhackersprache gar zu zerkratzen. Vielleicht wie ein Bild, das man in die Hand nimmt, auf dem man seine Fingerabdrücke auch nicht hinterlassen möchte. Sicherlich habe ich noch andere Beweggründe. Das ist nur aus der Hüfte geschossen. Huch, spontan.

      Zum Lob und den Kompetenzen … mir fehlt sie ja an allen Ecken. Einer der Hauptgründe, warum ich so selten kommentiere.

      Bei mir darf und soll jeder so kommentieren, wie es auf die Zunge fällt. Sonst bin ich am Ende den Kommentaren in meinem eigenen Blog nicht gewachsen. Wo sollte dann das hinführen?

    • @ANH Meine Lust am Geprüftwerden hält sich in Grenzen. Vielleicht, weil ich in Prüfungssituationen – und ich meine nicht damals, in der Schule, sondern heute, in gesellschaftlichen und das berufliche Fortkommen betreffenden – also weil ich in solchen Situationen eigentlich meistens Männern gegenüber stand. Die hatten dann entweder etwas betont gönnerhaftes, oder die Lust an diesem “So, und an mir müssen Sie jetzt erstmal vorbei!” stand ihnen so deutlich ins Gesicht geschrieben, dass mir die Lust an der Prüfung verging, bevor sie sich hätte entfalten können. Mit Frauen in meinem beruflichen Umfeld machte ich bislang andere Erfahrungen: die prüfen zwar genauso hart, lassen’s aber nicht so raushängen.
      Ihr Beispiel mit dem Mount Everest scheint mir da nur teilweise vergleichbar: ein freiwillig in Angriff genommener sportlicher Wettbewerb unterliegt anderen Kriterien als die Beurteilung künstlerischen Handelns, finde ich.

    • @Shaima – magnetisch Einschwingen, um wertzuschätzen. Ja. Eine Holzhackersprache indes hab’ ich bei Ihnen noch nie feststellen können, selbst wenn Sie aus der Hüfte schießen. *grins*
      Ich würde Sie im übrigen immer hören und lesen wollen, spontan oder gedruckst. TT ist kein Seminar. Und selbst Seminare gehen ja schief, wenn sich die Leute nicht trauen, zu einer, wie Schlinkert sie nennt, “ungeschützten Meinung” zu stehen …

    • Meine Liebe, ich bekomme für meine Elaborate viel Lob, sehr viel Lob – und selten Kritik. Inzwischen schau ich mir an, von wem und aus welchen Motiven das Lob kommt. Sie können sich vielleicht vorstellen, wie erleichternd es war, als sich eine – ebenfalls “dichtende” Freundin einmal konkret zu einer Textzeile äußerte und sie etwas kritischer beleuchtete. Ich neige zum Mißtrauen. Weshalb ? Oft ist die Rezeption meiner Gedichte – und damit auch die Reaktion – allein auf Befindlichkeit, emotionale Nähe des Lesers zum Text abgestimmt, Handwerkliches kommt selten zur Sprache, scheint keine Rolle zu spielen. Das aber wäre für eine Weiterentwicklung nicht unwichtig. Nun hab ich, gottseidank, auch einige Schreibende, Lektoren und Textinen unter den Lesern – und wenn die mich loben, mag ich es annehmen und mich sogar ungeteilt darüber freuen. LG tinius

    • ich verstehe den freund und auch sie, phyllis. und das ist schon teil der antwort auf ihre frage. ich freue mich über resonanz. ich möchte selbstverständlich gerne erfahren, wie das was ich schreibe aufgenommen wird, was es auslöst. sowohl negatives als auch positives freut mich da. und jetzt wird es schwierig, ich nehme jede antwort, jede äußerung ernst, um mir wirklich etwas zu bedeuten, muss derjenige mich und meine texte kennen, ich muss zumindest das gefühl haben es gibt eine gemeinsame basis aus der heraus beurteilt wird. die meinung meines mannes, der mathematiker ist, ist mir häufig sehr viel wertvoller als die von germanisten und literaturwissenschaflern, die aus mir völlig fremden perspektiven auf das geschriebene schauen. das erzeugt dann auch keine reibung, weil es einfach an der sache vorbei geht.

    • @Tinius Das kann ich nachvollziehen. Ich wünsche mir ganz genauso, dass auf jene meiner Texte, die literarisch ambitioniert sind, auch konkret kritisch eingegangen wird.
      Vielleicht müsste man das hin- und wieder einfach aussprechen, auch wenn’s einem selbstverständlich scheint? Denn, wie die Weberin oben schon richtig schrieb, unbegründet sind sowohl Lob als auch Kritik einfach Formen der Selbstprofilierung.

    • @ANH Prüfungslust Das kenne ich. Da kann ich mich richtig reinsteigern. Mir selbst die Latte höher legen. Vor einigen Jahren eine Nachprüfung in Theologie (um die Fakulta zu erwerben). Karl Barth. Den ganzen Sommer in der Toskana habe ich mich da reingelesen. Textkonvolute. Ungefähr 200 Karteikarten beschriftet. Ich sollte eigentlich nur zur Bergpredigt geprüft werden. Aber ich hatte Feuer gefangen. Ohne eine Prüfung hätte ich aber nie soviel Ehrgeiz darein gesteckt. Ich wollte mir keine Blöße geben vor dem “Lehrstuhl für Dogmatik”. Hat mir Spaß gemacht zu glänzen. Geb ich einfach mal zu.

    • @ANH, MelusineB Was war das noch für ein Spruch: „Solange besser möglich ist, ist gut nicht genug!“ Ich denke, es ist in jedem Fall eine wichtige Grundlage für die Motivation (auch über eine Einzelprüfung hinaus), wenn man die eigenen Maßstäbe über die Norm setzt, die bei Prüfungen erfüllt werden muß. Man macht das ja nicht für die anderen, sondern für sich selbst, auch weil eine jede Prüfung eine Anmaßung ist und ein Mißtrauen ausdrückt, und zwar pauschal gegen alle Prüflinge. Mir hat es immer Spaß gemacht, mir in ausgewählten Fällen wirklich eigenes Wissen anzueignen und so, wenn alles zusammenpaßte, auf meine Art das Soll überzuerfüllen. Gelingt natürlich nicht immer (in meiner Jugend und Früherwachsenenzeit gar nicht), aber wenn, dann ist es die reinste Lust, auch für die Prüfer – die sind ja auch nur Menschen.

    • @Weberin zu Resonanz & ernst nehmen Es gibt ja immer einige, auf deren Reaktionen man baut, die sozusagen Fundament für neues Denken bilden. Wenn das die nächsten Vertrauten sind, kann man auch davon ausgehen, dass in deren Rückmeldungen weniger Egoboosting steckt als bei Fremden, bei denen die Profilierungsabsicht immer mehr oder weniger mitschwingt.
      Beide Reaktionen finde ich wichtig. Profilierung ist ein Nebeneffekt, gegen den nichts einzuwenden ist, im Gegenteil, das motiviert ja auch.

      In Ihrem Zeitnetz bin ich mir übrigens noch nicht so klar darüber, ob Sie sich auch kritische Stimmen wünschen, die sich konkret auf einzelne Texte oder Sätze beziehen. Sie haben da bereits eine Anzahl an Verteidigerinnen, die sofort einschreiten, falls mal ein anderer als lobender Ton laut wird, wie mir aufgefallen ist.
      Und diese “Weberin, Sie sind goldrichtig so, machen Sie einfach weiter” Ermutigungen sind natürlich wunderbar. Ich unterschreib’ die sofort. Trotzdem fand ich die Diskussion kürzlich, die sich um eine Formulierung bei Ihnen anbahnte, sehr interessant: mir persönlich würde es gefallen, wenn das häufiger geschähe. Will sagen: Sie werden bei sich “beschützt”, und das ist gut so. Trotzdem, gerade bei Ihren Texten, weil sie so kurz und eigen sind, könnte auch noch eine Ebene des Austausches hinzukommen, die sich auf die Texte selbst bezieht, nicht nur auf die Empfindungen, die sie auslösen. Würde Sie das interessieren?

    • Was ich mich immer wieder frage Für w e n schreiben die ernsthaft Ambitionierten? Für eine Handvoll “Koryphäen”? Für den Leser irgendwo da draußen? Für sich selbst?

      Das würde mich echt interessieren!

    • Liebe Shaima, die Weberin hat darauf auf Ihre Weise schon drüben bei sich reagiert. Ansonsten existieren zu dieser Frage so viele Antworten, wie es Gehirne gibt ; )
      Gibt es denn überhaupt Leute, für die man nicht schreibt?

    • Die ernsthaft Ambitionierten? Hört sich ein wenig an wie die “komplett Verrückten”! Nachdem sich Phyllis nun charmant um eine ausführliche Antwort herumgedrückt hat, indem sie in Kurzform alles dazu gesagt hat, will ich mal aus dem Stegreif ein paar Worte dazu verlieren, denn die Frage ist so zeitlos wie berechtigt. Ich gehe davon aus, daß es den meisten Menschen nicht egal ist, was sie tun, wie sie damit in der “Welt” positioniert sind, wie sie nach außen auf andere Menschen wirken. Daraus ergibt sich, daß der Einzelne inmitten einer wie auch immer sich zusammensetzenden Gemeinschaft lebt, von denen wiederum jeder Einzelne ein Interesse (von lateinisch inter-esse: inmitten sein) am anderen hat, ohne daß sich deshalb Hierarchien herausbilden müssen. Daraus folgt für mich: wenn ich mich äußere, richte ich mich an Menschen, die gleichsam zwischen meine Gedanken kommen wollen, um sich etwas erzählen zu lassen, um sich über etwas unterrichten zu lassen, um den neusten Kalauer mitzubekommen, um meine Meinung zu einem Thema zu erfahren, zu dem sie selbst etwas beizutragen haben und so weiter. Ich freue mich zum Beispiel, wenn ich mitbekomme, daß meine wissenschaftlichen Texte gelesen werden, auch wenn ich so gut wie nie weiß, von wem und warum, und das gleiche gilt für jede andere Textsorte auch, denn diese Texte kann nur ich so schreiben. Letzteres ist auch der Hauptgrund, warum ich Texte anderer lese, weil es sich nicht um austauschbare Ware handelt, sondern um Einmaliges, ja um Persönliches, das jedoch in Kunst “gegossen” und damit sozusagen freischwebend wird. Die Lust zu schreiben ist für mich also so etwas wie ein aktives Mittendrinsein durch einen bescheidenen Beitrag im allerbesten Sinne, den ich aus freien Stücken leiste, wenn auch nicht ohne praktischen Bezug, denn auch ein Schreiber muß ja von etwas leben – aber das ist ein anderes Thema (oder scheint ein anderes Thema zu sein).

    • Liebe Phyllis meine Frage ist wirklich zu kurz gefasst. Das liegt daran, dass ich gestern großteils nur mitlesen konnte, was hier geschrieben wurde; mir zig Sachen einfielen, die ich am liebsten sofort eingeworfen hätte. Am Abend fühlte ich mich damit überfordert und schwieg. Und heute wollte ich gelassen ansetzen. Spürte aber bei einigen Ansätzen zu viel persönliche Betroffenheit (In etwa so vorzustellen: ‘püüüüh, eingeschnappt!’ oder: ‘winselnd wie ein getretener Hund’) – naja, damit fühle ich mich natürlich nicht schick. Ich beschränkte mich also auf diese eine Frage, bekam es mit der Angst zu tun und löschte weiter, bis auf das, was nun als Kommentar da oben steht (und bei der Weberin auch gut gepasst hätte; was ich im Eifer des Ringens mit mir natürlich übersehen hatte). Ja, am liebsten sturzte ich den Rest hier aus dem Nest, aber ich reiße mich zusammen. *hihi*

      Schnell durchgefönt ist gut – das haut mich wenigstens nicht um. 😉

    • komplett verrückt Haha, lieber Herr Schlinkert, das hört sich nur deshalb so an, weil Sie mich nicht kennen! Ernsthaft: immer wenn ich unsicher werde, verschließt sich zusammen mit mir mein Wortschatzkästchen und ich weiß nicht mehr, wie ich etwas formulieren soll. Und ich dachte noch: hoffentlich kommt das dem Schlinkert nicht schräg rein. Es ist so, dass ich wirlich großen Respekt vor den ernsthaft Ambitionierten habe. Ich beneide euch um einiges. Natürlich ist mir auch klar, dass ein jeder auf meine Frage anders antworten wird. Ja, ich muss wohl zugeben, dass ich mich provoziert fühlte, als Kommentatorin im Befindlichkeitsmodus gering geschätzt, und also beleidigt schlussfolgerte: na, dann schreiben sie wohl nicht für eine Gemeine Leserin wie mich. Für wen (oder was) aber dann?

      Über Ihre ausführliche Antwort auf meine Frage freue ich mich. Ich bin so neugierig, was jeder einzelne dazu zu sagen hat. Kann sein, ich suche nach meiner Antwort. Ich könnte ja keine Antwort geben, denn leider darf ich mich nicht zu “komplett Verrückten” zählen.

    • @Shaima Ich habe durchaus nicht den Eindruck, liebe Shaima, daß es Ihnen an Ambitionen mangelt. Auch gibt es überhaupt keinen Grund, grundlos Hierarchien zu behaupten, die jeder Basis entbehren. Das mit den “komplett Verrückten” war übrigens nicht despektierlich gemeint, sondern nur mein Einstieg ins Stegreifdenken. Was die Annahme angeht, ich schriebe nicht für eine gemeine Leserin, so entbehrt auch das natürlich jeder Grundlage, wenn ich auch erwarte, daß mir Leser wie Leserinnen auf halbem Weg entgegenkommen, denn ohne ein Hineindenken und Hineinfühlen funktioniert’s nicht – das habe ich bei Ihrem Text auch gerade gemacht, so bleibt man in Bewegung und versteht sich besser, hoffe ich jedenfalls.

    • @Shaima & Norbert W. Schlinkert Es gibt so eine seltsame Scheu davor, als ambitioniert zu gelten, gerade in Verbindung mit “ernsthaft”. Anscheinend wird diese Kombination oft an der Grenze zum “Strebertum” verortet.
      Ich selbst mag ja Intensität beim Arbeiten … und die entsteht nun mal selten ohne Ambition. Vielleicht ist es ja eher der Aspekt der Ernsthaftigkeit, der so ein bißchen reibt: wie schöner wäre es doch, aus einem vollen Lachen heraus arbeiten zu können. Daran fehlt’s mir selbst auch ein bißchen: meine erste ernstzunehmende Falte ist die steile zwischen meinen Augenbrauen, die sich immer beim Schreiben eingräbt ; )

    • Das Strebertum also solches Die sich meiner Ansicht nach stellende Hauptfrage ist, wem nützt es, wenn ernsthafte Ambitionen als eher anstößig gelten? In meiner Jugend galt es jedenfalls schon als streberhaft, wenn man sich über die Maßen, also über das allgemein locker Akzeptierte hinaus, für eine Sache engagierte, da hatte man oft Nachteile. Ich habe zum Beispiel vor dem Trainingsbeginn (Fußball) schon immer für mich selbst trainiert, was den entscheidenden Vorteil hat, in den ersten Trainingstagen nicht kotzen zu müssen. Einmal hat mich mein Trainer beim vorsaisonlichen Waldlauf “erwischt”, er fand gut, was ich machte, doch das stimmungsmachende Gesocks im Verein hat natürlich losgelegt, der hält sich für was Besseres und so weiter. Dazu muß man wissen, daß in den 70er- und 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts das Ruhrgebiet so eine Art DDR ohne Stasi war, wo einem jeden knallhart klargemacht wurde, wo er hingehört, je nachdem, was die Eltern für Berufe hatten. Anders als in der DDR wurde aber nichts verdreht und quasi verkehrt herum gemacht (was ja auch schlimmstmöglicher Blödsinn ist), so daß nicht etwa ein Arbeiterkind studieren sollte. Nach Leistung ging es jedenfalls nicht, das war klar, da waren die Sozis aller Parteien strikt dagegen, allenfalls Facharbeiter durfte das Arbeiterkindlein werden. (Aus diesen Gründen ist das Ruhrgebiet auch heute noch die Welthauptstadt der Mittelmäßigkeit.) Zum Glück konnte man weg, die Grenzen wurden nicht bewacht. Was will ich damit sagen? Zum einen, daß ich diese Erfahrungen, die ich ganz ähnlich auch in der Schule gemacht habe, bestimmt nicht vergessen werde, und zum anderen, daß ich mich seit meiner Flucht absolut frei fühle, mein “Ding” so gut wie möglich zu machen, wobei ich mich hüte, allzu verbissen vorzugehen. Die “fehlende” Verbissenheit der in Berlin lebenden Künstler und Wissenschaftler wird übrigens in der Süddeutschen Zeitung (aus München, wo alles glänzt) gerne mal hervorgehoben, um pauschal allen diesen Menschen vorzuwerfen, sie hätten eine Versorgungsmentalität (und würden von anderer Leuts Geld leben statt pragmatisch einfach eigenes Geld zu verdienen), würden als Selbständige bei der HartzVierBeantragung betrügen und so weiter. Gleichzeitig preist man natürlich die Berliner Kunstszene als vielseitig an, ohne überhaupt zu erwähnen, wie viele hier Selbstausbeutung betreiben, weil sie in ihrem Bereich Ambitionen haben – ernsthafte. Wie ist also nun die Hauptfrage, wem es denn nützt, wenn ernsthafte Ambitionen als anstößig gelten, zu beantworten? Darüber sollte man ernsthaft nachdenken.

  2. @Phyllis Sie wollen wissen, wie ich das sehe? Genau so, auch wenn’s langweilig klingt, wie Sie, liebe Phyllis. Ich habe eben im Dschungel die gestrige Debatte entdeckt, die hat mich an andere dort stattgefundene erinnert, die auch jeweils mit einem frechen und hinterhältigen Überfall auf eine einfache Meinungsäußerung begannen. Die benutzten Knüppel sind dann meiner Ansicht nach immer aus dem selben Material gemacht, nämlich aus Impertinenz und polteriger Überheblichkeit. Das ist ziemlich typisch für den Dschungel (und ein Grund, mich dort in Zukunft sehr zurückzuhalten und eher hier zu schreiben), denn offensichtlich wollen dort viele immer nur quatschen statt zuzuhören oder selbst gute Beiträge zu schreiben, ja vieles hat dort oft die Anmutung kleinbürgerlicher Besserwisserei, die sich einerseits aus einer grundsätzlichen Ablehnung derer speist, die Fachwissen haben, wie zum Beispiel ANH in bezug auf die Oper, während andererseits jede ungeschützte Meinungsäußerung als Aufforderung verstanden wird, Menschen durch Beurteilungen abzuwerten, schon allein dadurch, daß keine Fragen gestellt werden mit dem Ziel eines Dialogs über die Sache, sondern einfach was behauptet wird.

    Ich hatte auch einmal im Dschungel geschrieben, ich nähme mir heraus, etwas einfach ganz naiv zu genießen, eben weil ich, es ging um Neue Musik, die ich gelegentlich gerne höre, kein Fachwissen habe und dieses auch nicht erlangen kann, da mir die Grundlagen fehlen. Da ging es aber los mit den Versuchen, mich zurechtzuweisen und herabzuwürdigen, alles natürlich aus der Position moralischer Überlegenheit heraus. Ich jedenfalls brauche kein making-of, um einen Film zu genießen, ich muß nicht zwingend die Geschichte der oder einer Oper kennen, denn sonst müßte man ja auch Geograph oder Landschaftsarchitekt sein, um eine Landschaft schön oder interessant zu finden. Wenn ich aber Wissen um die Sache habe, mich also gleichsam (auch) hinter den Kulissen bewege, ist es oft eine besondere Anstrengung, trotzdem etwas davon zu haben, etwas als spannend oder als schön empfinden zu können, obwohl ich weiß, wie es hergestellt ist, in welchem Kontext es steht und so weiter. Gelingt dies, ist das natürlich nicht mein Verdienst, sondern beruht auf der Qualität des Rezipierten. Dies alles scheinen einige Zeitgenossen nicht zu begreifen, wahrscheinlich solche, die mit Faktenwissen nur so um sich werfen und jedes Quiz gewinnen würden, ohne ihr “Wissen” um einer Sache willen anwenden zu können. Die, die echtes, belastbares Wissen haben, wissen auch, wo es endet und wie mühsam jeder weitere Schritt sein kann, um diese Grenzen zu erweitern. Zuhören und fragen statt einfach draufloszuquatschen ist dann nicht falsch, sondern das einzig Richtige. Das gilt für alle!

    • @Norbert W. Schlinkert Nee, auch d e n Schuh müssen wir uns nicht anziehen, dass Zustimmung langweilig klingt. Und gerade in Ihrem Fall bin ich mir sicher, dass wir uns auch wieder in die Wolle kriegen werden ; )
      Ja, ich erinnere mich, wie Sie eingesteckt haben drüben, als Sie eine “ungeschützte Meinung” zum Thema neuer Musik kundtaten. (Guter Ausdruck übrigens.) Meine Behauptung war ja die, dass schon die Äußerung einer solchen ungeschützten Meinung als Selbstabwertung verstanden wird – woraufhin die kommentierenden Abwerter dann leichten Matchball haben, um mal in ANH’s Sportassoziation zu bleiben. Gut. Lassen wir das mal so stehen – mir schadet das nicht, ich schreibe mir das einfach vom “Hals”.

      Ein “Wissen um die Sache” erschwert den Genuss, schreiben Sie. Das hab’ ich bei mir noch nicht feststellen können. Was mir den Genuss aber wirklich manchmal erschwert, ist ein Wissen anderer um die Sache, wenn es mir zu selbstzufrieden serviert wird. Andererseits: Kompetenzerwerb geht oft einher mit einer gewissen Festigkeit. So nach dem Motto: “Auf d e m Gebiet kann mir keiner was erzählen…” In solchen Fällen, wenn die Leute zu professoral werden, entscheide ich nach Neigung und Tagesform, ob ich mich darauf einlasse oder nicht. Die Geste, mit der jemand Wissen vermittelt, ist wichtig: von ihr kann es abhängen, ob man etwas annehmen kann oder nicht. Über die fachliche Kompetenz der Person sagt das allerdings gar nicht aus, nur über die psychologische. Ich unterscheide da sehr wohl.

    • Erfahrung kann auch den Blick auf etwas verstellen … Dennoch glaube ich, kann der mit Wissen und Verknüpfungsmöglichkeiten bewaffnete Blick noch mehr zu genießen als der, sagen wir “naive” (große Anführungszeichen) Blick. Es ist doch gerade das, was die Größe eines Kunstwerks ausmacht: die Vielschichtigkeit. Je mehr Schichten, desto mehr Bedeutung, desto mehr Genuß. Aber diese Schichten wollen erst einmal freigelegt werden. Oft hilft es, wenn man da auf bereits Geschautes zurückgreifen und es mit dem Unerwarteten in Beziehung setzen kann. Überhaupt scheint mir das wichtig: Einen Bezugsrahmen zu haben, in dem die Eindrücke sortiert und geordnet werden können. Ich fürchte, ohne einen solchen Rahmen ist jede Musik nur Lärm, jedes Bild nur Kleckserei. Im Prinzip wenigstens.

    • @Phyllis So ist das also bei Ihnen! Sie schreiben “was mir den Genuss aber wirklich manchmal erschwert, ist ein Wissen anderer um die Sache, wenn es mir zu selbstzufrieden serviert wird.” Das kommt vor, das habe ich an der Uni oft erlebt, meist bei den männlichen Koryphäen, zu deren Jüngern ich mich nicht zählen konnte. Doch wenn andere mit großer Geste sozusagen die Wahrheit über eine auch mich interessierende “Sache” in den Raum stellen, reizt mich das erstmal ungemein, diese von Grund auf selbst zu erforschen und so meinen eigenen Genuß zu haben – ich glaube dem Großgestiker erstmal nix, das wird alles überprüft, und das halten nur gute Hochschullehrer- und lehrerinnen aus. Ohne diese Herangehensweise hätte ich auch garnicht studieren können, denn mit Glauben und Wiederhersagen ist ja nichts gewonnen, das ist einfach nur anstrengend und führt allenfalls zu gutbezahlten Posten im heimelig-heiligen Betrieb der Uni.

      Ich werde also natürlich weiter meine “ungeschützte” Meinung an ausgewählten Orten wie TT auf meine Weise und auch ganz nach Stimmung kundtun, und wer das als Selbstabwertung oder meinethalben auch als Selbstüberbewertung verstehen will, dem ist wohl nicht mehr helfen – behaupte ich jetzt mal, einfach so.

    • lobsters senf dazu schaffe ich mir selbst kontrollinstanzen, die für mich heissen bewertungsgrundlagen oder insbesondere grundkriterien, welche später durch eine von mir dementsprechend zu schaffende künstlerische textur zu erfüllen ( einzulösen ) sind, so brauche ich hinterher weder lob noch kritik mehr – sprich hab ich das, was ich innerhalb einer konstruktion erreichen wollte, für mich anhand meiner selbstgesetzten prämissen für die künstlerische konstruktion überprüfbar erreicht, so wäre das eigentlich das geradezu einzige erfolgserlebnis welches ich mir irgendwie zubillige.
      ich würde da nicht von prüfungslust reden, sondern von lust an überprüfung des verhälnisses von einem jeweils gestecktem ziel ( + dem erfüllen der jeweiligen grundkriterien ) und dem jeweiligen dazugehörigen resultat, bis ich entweder aufgebe oder halt – zumindest für mich wenigstens befriedigend – abschliesse.
      so gehts mir mit lob und kritik an meinem zeug.
      ansonsten seh ich da was wie nws – um gefallen an einem garten zu haben muss ich kein landschaftsarchitekt sein genausowenig wie ich malen können muss, damit mir gemälde gefallen können usw.
      je konkreter ich allerdings meinen eigenes verhältnis zur kunst(-interpretation) definiere – so die bilanz – desto weniger bleibt an kunst übrig, die mir gefällt.

    • @Lobster Genuss entsteht ja nicht immer in Verbindung mit “gefallen”. Klar kann mir ein Bild, ein Garten gefallen, ohne etwas darüber zu wissen. Ich schrieb aber oben von “mehr davon haben” – und das geht eben manchmal über das gefallen weit hinaus. Außerdem besteht ein Riesenunterschied zwischen Situationsräumen, die sich mühelos über die Sinne erschließen lassen, siehe Garten, und der Rezeption moderner Kunst, die ja mit “Gemälde” nur sehr diffus, vor allem unzureichend beschrieben ist. Sehr viele künstlerische Positionen heutzutage erschließen sich fast nur über ihr Bedeutungsumfeld, man kann sie gar nicht verstehen, wenn man sie isoliert betrachtet, geschweige denn würdigen. Das nur auf die Schnelle, muss eben mal weg.

    • @Norbert W. Schlinkert. ein Grund, mich dort in Zukunft sehr zurückzuhalten und eher hier zu schreiben
      Das bedeutet dann aber, daß die Dschungelgegner erreichen, was sie wollen. Mir jedenfalls sind Ihre Kommentare immer sehr wichtig gewesen. Ich würde es deshalb ausgesprochen bedauern, wenn Ihre Stimme in Der Dschungel verstummte. Einige andere sind aus dem gleichen Grund verstummt. Letztlich geht es dort um die Frage, ob ich die anonyme Kommentarfunktion offenlasse oder nicht, die fast von Anfang an ein Dorn im Auge meiner Gegner gewesen ist. Viele ihrer Strategien gehen darauf aus, mich zum Schließen der anonymen Kommentarfunktion zu nötigen. Das ist den Entsprechenden deshalb wichtig, weil sie meinen, daß damit die Zugriffszahlen >>>> Der Dschungel in den Keller gehen würden, und zum anderen wollen sie das Konzept zerstören, daß sich fiktive und tatsächliche Kommentatoren mischen, was aber ein Standbein meiner literarischen Ästhetik ist: nämlich auch in den Romanen handeln “tatsächliche”, erfundene und hybride Personen. Das hat einen Grund, den ich schon mehrmals anderwärts ausgeführt habe und hier nicht noch einmal ausführen möchte, weil es dazu auch der ganz falsche Ort ist.

      An sich wollte ich zu Ihrer Einlassung gar nichts schreiben. Aber sie hat mich so erschreckt, daß ich hier jetzt doch pro domo schreibe. Ohne, selbstverständlich, daß ich Frau Phyllis jemanden “wegziehen” wollte. Im Gegenteil finde ich, daß sich diese beiden Weblogs recht gut aufeinander abzustimmen verstehen.

    • @ANH Ich schreibe, lieber ANH, auf Die Dschungel ja nicht, um Ihrem Konzept zu dienen, sondern um in Interaktion mit anderen Schreibern Gedanken hin und her zu wälzen, und zwar im besten Sinne ernsthafte Gedanken, was als Vorgang alles mögliche einschließt, nicht aber Häme, Spott, Beleidigungen und gleichsam hinterhältige Angriffe. Wenn Ihr Konzept aufgeht, dann ist es ja für das Gelingen eines Miteinanders gleichgültig, ob sich jemand als Person offen präsentiert oder als Anonymer agiert, denn dann kommt es zu ernsthaftem Austausch, und dieser ist ja wohl der Kern von Die Dschungel. In jedem Fall müssen aber Schreiber dort agieren, die sich an die Regeln des Decorums, des gedeihlichen Miteinanders halten, was sachliche Streitigkeiten nicht ausschließt und auch Mißverständnisse nicht verhindert, was aber gleichsam die Geschäftsgrundlage bildet. Wenn andere sich nun nicht daran halten, ich aber, wenigstens meinem Gefühl nach, allein solch einer kleinkariertkleinbürgerlichen und bornierten Bande gegenüberstehe, die sich dann u. U. auch noch zurückzieht, wenn man sich ernsthaft auf ihre Ausführungen einläßt, dann gehe ich lieber dahin, wo das nicht passiert, wo die Menschen, ob tatsächliche, erfundene oder hybride, sich zu benehmen wissen.

      Natürlich will ich nicht bei Die Dschungel “kündigen”, auch weil mir Ihr Konzept schon zusagte, bevor ich Ihre Heidelberger Vorlesungen las. Dennoch aber sind für alle, die sich eben nichtanonym auf Blogs zeigen, Sicherungen notwendig, schon allein deswegen, weil das Netz nichts vergißt, weil man im Zusammenhang mit unsäglichen Angriffen gefunden werden kann. Vielleicht gerät das jetzt einigen in den falschen Hals, aber mit gewissen Leuten will ich nicht “gesehen” werden, weil ich mit denen auch nichts zu tun haben will.

      Wie gesagt, ich werde mich erstmal zurückhalten, selbstverständlich aber weiter bei Ihnen lesen. Wann ich wieder Kommentare einstelle, weiß ich nicht, das kommt auf das Thema, den Kontext und die Beteiligten an.

    • @Norbert W. Schlinkert zu Atmosphären Auch ich habe ja hier auf TT ein wenig gekämpft gelegentlich, um gemäßigte Ausdrucksformen. Immer zu solchen Gelegenheiten kommt dann auch der ein- oder andere und behauptet, ja, schön und gut, doch so ein Weblog verliert an Lebendigkeit, wenn die Harmonie zu weit getrieben wird. Ich konnte aber bisher keinen Verlust an Esprit hier feststellen, im Gegenteil, ich finde, das Ganze entwickelt eine Selbstverständlichkeit des Umgangs, auch und gerade in der Heterogenität.
      Die Dschungel sind ein anderes Revier. Wir alle haben uns schon gewundert, warum dort manchmal so scharf, auch plump, und vor allem unter die Gürtellinie geschossen wird. Wobei ich immer den Eindruck habe, dass, selbst wenn Kommentator:innen angeschossen werden, jenen auch ‘nur’ geschadet werden soll, um damit ANH zu treffen.

      Vielleicht täusche ich mich da, doch ich dachte das schon mehrmals. Nun ist ANH auch selbst jemand, der kräftig austeilen kann, klar. Aber mir persönlich ist jemand, der nie in Deckung geht, und deshalb natürlich auch ständig verteidigungsbereit ist, allemal lieber als diese Naturen, die sich immer bedeckt halten, um sich’s ja mit niemandem zu verderben. Außerdem darf und muss es so etwas wie Typen geben, auch in der Netzwelt. Mit denen geht man vielleicht nicht immer d’accord, aber sie halten ein Terrain, und sie halten es so, dass man es ernst nimmt.

      Ich mag die Idee angrenzender Territorien, in denen unterschiedliche Diskussionsbedingungen herrschen. Und ich werde mich auch weiterhin nicht in Deckung begeben, wenn ich drüben kommentiere, nur, weil es dort ein paar ewig missgünstige Zeitgenoss:innen gibt. Will sagen: Sie sollen dort nicht den Eindruck haben, sie wären der Einzige, der gelegentlich was auf die Mütze bekommt. Ich auch. Hab’s ja gerade wieder mal erlebt, wenn auch in quasifreundlicher Weise. Aber: Die Dschungel waren eine d e r Motivationsquellen, weshalb ich selbst anfing ein weblog zu führen. Ich finde sie konzeptuell überzeugend und halte mich gerne dort auf. Und mir gefällt die Vorstellung nicht, dass es irgendjemandem -schon gar niemandem, der auch im Ernstfall auf einem Pseudonym beharrt – gelingen könnte, jene zu vertreiben (oder ihnen von Anfang an die Lust zu vergällen) die sich dort konstruktiv austauschen wollen.

    • @Phyllis Wenn man den Begriff des Dschungels ernst nimmt, dann muß man bei ANH mit allerlei rechnen, das in angrenzenden Kulturlandschaften nicht vorkommt. Aber das Bild ist nicht ganz stimmig, solange die Kulturmenschen nicht mit Macheten bewaffnet das Unterholz durchkämmen.

      Ich schreibe auch gerne in die Dschungel, doch scheint mir die Bereitschaft, sich auf Diskussionen einzulassen, in der letzten Zeit gesunken zu sein. Der eine oder die andere wartet eher meistens darauf, daß ANH ein ihnen gemäßes Stichwort liefert – und dann geht es los, mal rührig, mal zustimmend, mal ablehnend, mal höhnisch, und dies oft so selbstbezogen, als müßten die Schreiber ANH etwas beweisen, daß sie Paroli bieten können oder daß sie ihn so gut verstehen wie sonst niemand, ihn durchschauen oder was auch immer. Das Schlimme ist ja, daß so all die “Stichworte” untergehen, über die es sich zu reden lohnt, während man auf billige Anmachsprüche kaum sinnvoll antworten kann. Wie Sie richtig sagen, man will sich dort konstruktiv austauschen, und eben dies muß möglich sein bzw. wieder möglich gemacht werden.

      So eine ähnliche Diskussion hatten wir ja auch schon mal. Sind wir jetzt eigentlich weiter? http://taintedtalents.twoday.net/stories/14632052/

      Was also tun? Sich nicht allein in den Dschungel trauen? Dummes Zeug ignorieren? Löschen? Alles zusammen? Ich werde jedenfalls, wie gesagt, dort weiterlesen, und wenn ich kommentieren will, werde ich das weiterhin tun. Muß ich mich aber entscheiden, wo ich meine Zeit und Energie hintrage, werde ich sicher nicht einsam auf dem einen Blog im Dunkeln sitzen, während in anderen Party ist. Am besten ist es, man kann locker hin und her scharwenzeln, von einem Blog zum andern.

    • Sie fragen, ob wir weitergekommen sind. Ich bin überzeugt davon, ja. Allein dadurch, dass uns eben (auch) solche Fragestellungen beschäftigen. Und zwar so lange, wie es eben dauert, bis das auf dem Tisch ist, um was es wirklich gehen könnte. Falls es da etwas gibt – das weiß ich noch nicht. Ich will darüber noch einmal auf andere Weise nachdenken als heute. Bin nicht mehr ganz taufrisch gerade.

    • OT: Warum hacken eigentlich jetzt alle so auf dem Kleinbürger herum, warum soll sich ausgerechnet der hinter den Lianen verbergen? Ist er nicht in uns allen? – Ich glaube, ich muss dann nun hinzufügen: Jetzt bin ich schon der pseudointellektuelle, (wutbürgerliche,) gutmenschelnde Kleinbürger! (Komisch, von denen müsste es im Netz doch nur so wimmeln – ist doch jetzt selbst der Teufel schon so auf den Pudel gekommen..)

    • @Phorkyas Der gehackte Kleinbürger möge sich bitte melden, falls er sich zu Unrecht verwurstet fühlt! Ich glaube, ich hab den Begriff in meinem ganzen Leben vielleicht zweimal in den Mund genommen. Nee, es geht nicht um Kleinbürgertum, (ups, drittes Mal) es geht um künstlerische Produktions- und Rezeptionsbedingungen, unter anderem. Da ist mit Etiketten nicht viel zu holen.

    • Warum alle auf dem Kleinbürger rumhacken? Vielleicht einfach, weil bei diesem Typ Mensch Anspruch und Wirklichkeit ganz besonders weit auseinanderliegen, objektiv betrachtet. Selber merken kann er das nicht. Er ist also in sich ausweichend, hat aber von außen betrachtet feste Ansichten. Insofern ist er nicht in uns allen, obwohl er bestimmt überall vorkommt. Mehr fällt mir dazu nicht ein, 10° Grad Celsius weniger als gestern, bin auch nicht taufrisch.
      http://de.wikipedia.org/wiki/Kleinbürger

    • Hier sind’s umgekehrt 10°C mehr, aber ob’s dem Denkapparat hilft?

      Bei Herrn Herbst war mir der Kleinbürger als Gegenfolie schon öfter begegnet (insbesondere bei der Diskussion mit Herrn Keuschnig, glaube ich). Was ich da herauslas war, dass er es verabscheut, wie Leute sich und ihre Ansichten selbst klein halten, wie sie verbohrt an ihrem kleinen mäßigen Glück festhalten. – Nun kam bei Ihnen, Herr Schlinkert ein fieser Kleinbürger vor und auch bei Melusine (auch wenn sie sich nun selbst als einen bezeichnet) und da war ich irritiert bzw. fragte mich was nun auf dieser Gegenfolie stehe. Oder ob sie gar leer bleibe – hatte nämlich fast das Gefühl, dass hinter dem Etikett des Kleinbürgertumhacks nicht viel stecke (so dass ich mich gleich mal selbst verwurstete, um zu erfahren wie das sei).

      Wie Sie, phyllis, so schön sagen: Da ist mit Etiketten nicht viel zu holen. – Jeder wettert gerne gegen die bösen Schreibschulromane, gegen die feuilletonistische Schriftstellerverwurstung und Literaturbetriebsheinis, die sich dem andienen, da hat man einen gemeinsamen Feind, den Stolz nicht so einer zu sein.. und dabei ist es vielleicht nur ein ominöses Gefühl, weil möglicherweise gar nicht geklärt ist, was der Gegner sei, oder ob er denn überhaupt existiere.

      (Genug herumgewurstelt – Fleisch gibt’s bei mir sonst höchstens einmal in der Woche.)

      PS. Was die Produktionsweisen, Künstlertum etc. anbelangt erinnert’s mich ein bisschen an hier: http://www.aleatorik.eu/2011/06/25/erfahrung-als-problem/

    • @Phorkyas Ich hatte nicht ohne Grund einen Wikipedia-link gesetzt, denn das dort Gesagte trifft in etwa das, was es im historischen Kontext dazu zu sagen gibt. Natürlich gibt es auch heute noch kleinbürgerlich und auch großbürgerlich denkende Menschen, über die viel zu sagen wäre, wenn es sich lohnte. Eigentlich aber benutze ich den Begriff Kleinbürger meist als einfachen Ersatz für bestimmte, sehr viel treffsicherere Begriffe, die ich hier der Höflichkeit halber nicht benutze. Es ist somit ein Sammelbegriff für …

    • @Phorkyas zu Kleinbürgern Ich habe innerhalb meines Lebensmodells kein Feindbild, das ich als Projektionsfläche für meine misslingenden Visionen, Wünsche und Unternehmungen verwenden könnte. Neige auch nicht dazu. Wogegen ich immer kämpfen werde, sind Verfestigungen im Denken, die bewirken, dass jemand die Neugier auf das Andersgeartete verliert. Die gibt’s aber durch alle Gesellschaftsschichten hindurch.

    • Das deckt sich ja erstaunlich gut mit der Definition:
      „Der Kleinbürger“, schreibt Roland Barthes in den „Mythen des Alltags“, „ist ein Mensch, der unfähig ist, sich den Anderen vorzustellen“
      (hier kommt dann die ganze linke Kritik dazu: http://www.seesslen-blog.de/2011/06/30/nachschriften-zu-den-blodmaschinen-2/ )

      ..und auch Herrn Schlinkerts Vorstellungen, der ein fest umrandetes, sauber Vorstadt-Garten-eingezäuntes Denken damit verbindet, das sich selbst genüge ist? (@Schlinkert: den Wikipedia-Eintrag hatte ich sogar angeklickt, aber war’s dann übergangen, weil ich’s eben für eine Metapher, einen Kampfbegriff hielt und das Historisch-Soziologische irrelevant erschien… wobei sich die Diskussion unten ja schon um die “Klassen”gegensätzte dreht)

      @Phyllis: Wogegen ich immer kämpfen werde, sind Verfestigungen im Denken, die bewirken, dass jemand die Neugier auf das Andersgeartete verliert.
      Das gefällt mir. Wo doch so viel von Neuroplastizität die Rede ist, könnten wir doch auch das Denken formbar halten (wollen – hoffentlich nicht schon verflüssigen – liquidieren). Es muss fließen können, aber auch wieder feste Form haben. Vielleicht ist man die ganze Zeit auf der Suche nach der großen geschlossenen Form für das eigene Denken und doch nur unterwegs – also kann ich wohl nichts tun, außer es mir möglichst offen zu halten.
      Fragen wollte ich allerdings noch, auf wen Sie das “jemand” beziehen. Auf andere, das könnte problematisch sein, weil es ja eine Anmaßung sein kann das Denken eines anderen von außen ändern zu wollen (und der das vielleicht gar nicht will). Auf sich selbst, da sollte man ehrlich genug sein, dass auch man selbst oft sehr starre Vorstellungen hat und es gar schmerzhaft sein könnte, daran etwas Grundlegendes zu ändern, so dass vielleicht doch nicht so viel fließt, wie ich mir das oben wünschte…

    • Aber ist man schon nur deshalb kein Kleinbürger, wenn man behauptet einer zu sein? Wie definiert sich denn das eigene Ich in dem Sinne, dass es sich selber erkennen kann?
      Sitzt der Kleinbürger nicht in uns allen?

    • @Phorkyas, Verfestigungen Ohne die würden wir durchdrehen, glaub’ ich. Aber mir hat schon immer das Bild eingeleuchtet, dass man nie in den gleichen Fluss springt.
      Und: doch, ja, ich würde gerne auf das Denken anderer einwirken. Wie sonst sollte sich etwas bewegen?? Es sollte nur in einer Weise geschehen (auch mir geschehen), die frei von Selbstgerechtigkeit ist. Mal ganz zu schweigen von Unterdrückung. Dieses Einwirkenwollen, das ist im Grunde keine Anmaßung: Jede Interaktion mit Anderen ist doch darauf aus, eben dies zu tun. Einzuwirken.

    • @Albert Lustige Frage, die Sie da stellen. Ja, ich glaub schon, dass allein die Selbstbezichtigung ausreicht, um keiner zu sein. Wenn sie von der “richtigen” Person ausgesprochen wird.
      Klar sitzt das Kleine in uns allen. Die Frage ist, wie, woran und unter welchen Bedingungen es über sich hinauswachsen kann.

    • einwirken ?
      ich kenne typen, die fast nur hardcoremucke hören – die sind für mich oftmals fitter, logischer und zuverlässiger ( obwohl sie nicht mal abi haben ) als leute, die ich kenne und die akademisch mit intellektualismen herumspielen ( können) und durchaus ‘neue musik’ hören.
      das wären für mich die attributiven indikatoren – wozu sollte ich denen z.b. ‘neue musik’ aber auch nur nahelegen wollen ?
      aus politischen gründen sicherlich nicht – das käme mir absurd vor.
      um ein für mich fitter mensch zu werden gehört höchstwahrscheinlich eben mehr als ein tiefgreifendes kunstverständnis.
      herz vor allem, sprich herzensbildung – so klischeemässig das jetzt klingen mag.

  3. Ein weites Feld…. 😉 – Werk und Ware Das ist ein schwieriges Thema. Und ich hasse selbst wenig mehr als ausgewogene Statements wie: „Das kann man so und so sehen“. Es gibt eine bequemliche Art von “Toleranz” (“alles Geschmacksache”), die im Grunde nichts anderes als getarnte Gleichgültigkeit ist (obgleich diese Haltung auf so abstraktem Gebiet selbstverständlich weniger abscheulich wirkt als anderswo).

    Dennoch: Die Fragestellung deckt ein Paradox (und ein Dilemma) moderner Kunst auf. Sie, die Kunst, verweigert sich einem (gesellschaftlichen?) Auftrag als autonome, um zugleich für sich das aus arbeitsteiligster Produktion abgeleitete Spezialistentum in Anspruch zu nehmen.

    Damit habe ich mich während des ganzen Studiums herumgeschlagen: die „Schwerverständlichkeit“ der modernen Kunst, der ganze Adorno rauf und runter – und damit, dass Kunstwerke und Künstler ihre eigene “Komplexität” und “Unverwertbarkeit” für ein “Massenpublikum” (also: die meisten Menschen) als einen Ausweis ihrer Qualität und damit vor allem als soziales Distinktionsmerkmal wie eine Monstranz vor sich hertragen. Das angeblich notwendige Expertentum (und wer kennt sie nicht die oft zu Recht parodierten, hochtrabend nichtssagenden Eröffnungsreden bei Vernissagen) wirkt vor allem ausgrenzend.

    Aber es gilt eben auch: Die Bedeutung der Kunst auch für die Ausgegrenzten und Marginalisierten in dieser Gesellschaft hängt gerade davon ab, dass sie nicht „konsumierbar“ ist. Das Paradox lautet: Die Kunst „dient“, in dem sie sich nicht dienstbar machen lässt.

    Dennoch: Sie wird zugleich und eben dadurch zum Statussymbol der besitzenden Klasse. (Man kann das z.B. auch daran erkennen, dass ein Künstler, der auf sich hält, ein bestimmtes Preisniveau nicht unterschreitet. D.h. Er selbst überlässt die „Bewertung“ seiner Kunst durch Nachfrage nur einem – sozial definierten – Publikum, das sich eben Kunst leisten kann. Etwas komplizierter wird die Angelegenheit, wenn es um das „soziale Kapital“ durch Anerkennung im „Betrieb“ geht. Im Prinzip läuft es aber ähnlich: Nur die Anerkennung durch einen bestimmten, kleinen Kreis – mit Bildungs- und Kommunikationskapital ausgestattet – „bringt was“.)

    Weniger abstrakt, mehr praktisch: Ich lerne durch Empathie. Um Verstehen bemühe ich mich, wenn ich liebe. Ich will immer verstehen, was jemanden bewegt, der mir etwas bedeutet. So bin ich zur Kunst gekommen, zur Literatur, zur Musik. Anders nie. Freilich emanzipiert sich das Interesse dann irgendwann und wird zum eigenen. (Ansonsten erlischt es wieder: Ich liebe meinen Sohn, aber ich werde Wrestling nie wirklich begreifen.) Auch hier scheint es geschlechtsspezifische feine Unterschiede zu geben: Männer wollen weniger besessen verstehen, was die Frauen bewegt, die sie lieben, als umgekehrt, habe ich beobachtet. (In „Punk Pygmalion“ thematisieren die Freundinnen das zu Beginn der Erzählung.: „Sie interessieren sich nicht für das, was uns interessiert.“ „Nein, stimmt. Sie interessieren sich für das, was sie mit uns machen können.“ „Pygmalion.“.) Es gibt aber Ausnahmen: Mein Vater, ein Techniker, dem Kunst und Literatur schnuppe sind, besucht Ausstellungen mit mir und liest, was ich schreibe. Ich mag es, wie er keinerlei Ehrfurcht vor großen Namen hat und keine Hemmung, sein Staunen, seine Abwehr, aber auch sein Vergnügen zu zeigen. Ich lerne auch von ihm, nicht nur von den „Experten“.

    • Melusine theoretisch und was Hintergrundwissen angeht, kann ich ganz sicher nicht mit Ihnen mithalten, daher verstehe ich auch nur sehr wenig vom ersten Teil Ihrer Ausführungen.
      Den zweiten allerdings, verstehe ich nicht nur, sondern kann ich so unterschreiben. Gerade was Sie da von Liebe schreiben. Es muss eine gewisse Empathie vorhanden sein, damit Kritik und Lob fruchtbar werden können. Das ist wichtiger, als jegliches Expertentum.
      Außer natürlich, man hält Kunst für eine totes aus Theorien verfertigtes Gebilde, bei dem der mit den schlagensten Argumenten gewinnt.

    • @MelusineB. Sie wird zugleich und eben dadurch zum Statussymbol der besitzenden Klasse.
      Sie verkennen da mehrerlei, glaube ich.
      Zum einen ist das Statussymbol der besitzenden Klassen unterdessen der Pop, nicht etwas die Kunst. E r ist die Kunst des neuen Establishments, das sich ja aus Leuten zusammensetzt, die in den Siebzigern und Achtzigern sozialisiert worden sind, und das sind sie ganz sicher nicht mit den Werken der sog.-ernsten Kunst. Wenn man sich das heutige Opernpublikum einmal anschaut, findet man da diejenigen, die Sie vielleicht im Auge haben, in verschwindend kleinem Anteil. Ein offizieller Berater Gerhard Schröders für künstlerische Angelenheiten war z.B. Westernhagen.
      Ausnahmen sind gesellschaftliche Veranstaltungen mit Festival-Character, etwa Eröffnungen, aber auch nur die, der Bayreuther Festspiele. Kammermusikabende gähnen oft vor Leere und werden deshalb immer weniger, und die Leute, die dort dann sitzen, sind Studenten, Künstler, Musiker selbst und ein ganz bißchen “normales” Publikum. Beim Jazz ist es unterdessen übrigens gar nicht so anders, jedenfalls soweit es sich nicht um Dixie handelt oder um eine andere leichte Improvisationskost, die sofort eingängig ist.
      Die Entwicklung können Sie übrigens ziemlich gut in den Feuilletons der großen Zeitungen beobachten. Der Anteil dort besprochener E-Kunst ist signifikant ins Verschwinden gekommen gegenüber Pop-Berichten. Die FAZ und FAS stehen dafür exemplarisch.

    • Ich gebe zu, bei Musik (klassischer) kenne ich mich nicht genug aus. In der bildenden Kunst allerdings brauchen Sie einfach Geld – um etwas zu gelten (als Sammler oder Galerist). Ich kenne in dem Metier keinen, der nix geerbt hat – und “jemanden durchsetzen kann”.

      Für “den Pop” (aber ich will den alten Streit nicht wieder aufleben lassen, dass ich diese Zuschreibung einfach pauschalisierend und daher falsch finde) gilt gleichfalls: man muss sich die Karten leisten können (bei den “arrivierten” Pop-Musikern mindestens). Ansonsten hat sich “der Pop” auch immer Strategien der Avantgarde bedient.

      Und ich glaube, Sie verkennen, dass all jene, die Sie aufzählen (und die ihre Regale mit guten Büchern füllen und anspruchsvolle Konzerte und Opernaufführungen besuchen) zwar vielleicht nicht über ein hohes Einkommen, aber über Vermögen verfügen (soziales Kapital allemal – eine “höhere Bildung”, ein Privileg, das kaum jemand mehr als solches wahrzunehmen vermag, offenbar).

      Ich versuche Menschen, die aus “bildungsfernen” Schichten kommen, für Literatur, Theater, Kunst zu begeistern. Das ist nicht leicht. Auch deshalb, weil in den dortigen Diskursen Sprüche geklopft werden, die sie abstoßen und ausgrenzen. “Dachdecker lesen eh´nur Vampyrromane.” oder “Dumm wie ein Maurer”. Wissen Sie überhaupt, wie sehr einen das verletzen kann, wenn der eigene Vater ein Maurer ist? (Und ein guter vielleicht, der sein Handwerk versteht und stolz darauf ist?) So wie es unter dummen Kleinbürgern einen Intellektuellen-Hass gibt, den ich widerlich finde, so gibt es unter Intellektuellen eine Arroganz gegen “die kleinen Leute”, die per se als “zu blöd” gelten.

    • @MelusineB Auch ich bin in vielen Projekten unterwegs, über meine Stiftungsarbeit, in denen der Zugang zur so genannten “Hochkultur” für jene “Bildungsfernen” erleichtert werden soll. Manchmal geht’s auch schief, klar. Doch in den meisten Fällen lohnt sich das Engagement, zumindest dort, wo ich bisher zugange war.
      Ich will nur sagen, ich kenne dieses Recken nach dem, was mich selbst neugierig macht ebenso gut wie das Locken jener, die noch unaufgetaut sind für Kontexte, die sie nicht kennen…

      (Huch, eben kommt mein Besuch.
      Muss das später fortsetzen! : )

    • @Phyllis Ja, ich weiß. Und das lohnt sich doch – fast immer, finde ich. Vor wenigen Tagen schrieb mir ein junger Mann im Chat: “Wissen Sie noch, Frau *******, als wir Lenz gelesen haben. Der eine Satz geht mir immer wieder im Kopf herum: ´Müdigkeit spürte er keine, nur war es ihm manchmal unangenehm, daß er nicht auf dem Kopf gehn konnte.´ Danke noch mal dafür, dass Sie das mit uns gelesen haben.” Es ist fünf Jahre her. Sie taten sich schwer mit diesem Text, aber sie waren auch eigentümlich berührt. Wir versuchten, es über die Körper zu verstehen: wie sich diese Sätze anfühlen, wie sie klingen könnten. Erst viel später haben sie etwas “über Büchner” gelernt, geschichtliche Einordnung, literarischer Kontext und so. Nicht viel. Diese jungen Leute wollten nicht Germanisten werden oder Literaten. Aber es hat ihnen etwas bedeutet – und einige lesen immer noch viel. Und schreiben mir davon. Das bedeutet mir was.

    • @MelusineB. In der bildenden Kunst allerdings brauchen Sie einfach Geld – um etwas zu gelten (als Sammler oder Galerist).
      Ja klar. Aber für die ist Kunst – meistens – nicht gemacht; sie erhalten sie aber am Leben. Wollte unsereins vom Volk leben, würde er sterben – es sei denn, er bedient das Volk mit dem, was das Volk will. >>>> Eigner hat das mal treffend ausgedrückt: „Kunst ist Maquis – auch wenn und weil Fürsten die ökonomischen Grundlagen bilden zu ihrer Entstehung. Kunst ist immer politisch; es sei denn, sie wolle staatstragend sein (…). So hat denn der Künstler weder die Absicht, einem Montagearbeiter den röhrenden Hirsch überm Sofa von der Blümchentapete zu reißen und ihm den Feierabend mit serieller Musik zu vergällen, noch seinem (…) Bedürfnis nach Wirklichkeitsflucht spielerisch-platt zu entsprechen” (Gerd-Peter Eigner, Kunst, Kultur & Kauderwelsch, in: Kulturplatz, 2. Jg Nr. 4 o.J. [1976].

      Für “den Pop” (…gilt gleichfalls: man muss sich die Karten leisten können
      Erstaunlich voll sind Madonnas Konzerte immer, und voll junger Leute, die Bücher zu teuer finden. Für ihren letzten Auftritt in Berlin lagen die Schwarzmarktpreise bei 450 Euro – und die wurden von jungen Leuten bezahlt.

      Ansonsten hat sich “der Pop” auch immer Strategien der Avantgarde bedient.
      Will ich nicht bestreiten, aber wenn er populär wurde, also hohe Absatzzahlen und Einkünfte erlangt hat, hat er diese Strategien auf die billigste Bedürfnisbefriedigung heruntergebrochen. Was meinen Sie wohl, weshalb “Stars” in Millionen bezahlt werden?

      Und ich glaube, Sie verkennen, dass all jene, die Sie aufzählen,(…) zwar vielleicht nicht über ein hohes Einkommen, aber über Vermögen verfügen (soziales Kapital allemal – eine “höhere Bildung”, ein Privileg, das kaum jemand mehr als solches wahrzunehmen vermag, offenbar).
      Selbstverständlich verfügen diese über ein höheres soziales Vermögen; ich vermeide allerdings diese Begrifflichkeit und ziehe das schlichte alte Wort “Bildung” vor. Die Weichen stellen sich doch bereits bei der Berufswahl: Wer seinen Beruf danach auswählt, was sie oder er darin verdienen kann, finanziell, ist bereits auf dem Holzweg, der sozial allerdings als der richtige gilt. Es ist eine Frage der Werte, die jemand hat und an sein Leben anlegen will. Und es ist eine Frage des Muts.

      Ich versuche Menschen, die aus “bildungsfernen” Schichten kommen, für Literatur, Theater, Kunst zu begeistern.
      Habe auch ich immer getan und tu es weiter.weil in den dortigen Diskursen Sprüche geklopft werden, die sie abstoßen und ausgrenzen. “Dachdecker lesen eh´nur Vampyrromane.” oder “Dumm wie ein Maurer”.
      Ah ja? Und umgekehrt klopfte das “einfache Volk” nicht auch Sprüche über Intellektuelle? Hier verkennen S i e die Situation: Intellektuelle sind mit solchen Sprüchen sehr viel vorsichtiger, schon aus den Gründen ihrer politischen Position.
      Wissen Sie überhaupt, wie sehr einen das verletzen kann, wenn der eigene Vater ein Maurer ist? (Und ein guter vielleicht, der sein Handwerk versteht und stolz darauf ist?)
      Wissen Sie überhaupt, wie einen das verletzen kann, wenn man permanent als Spinner bezeichnet wird von den Kleinbürgern, weil man eben nicht deren Sehnsucht nach Häuschen und Garten teilt? Ich kann Ihnen da persönliche Geschichten von Demütigung erzählen, die sich gewaschen haben. Ich war ja mal aktives Mitglied in der SPD…
      Im übrigen bin gerade ich einer, der seinen Respekt vor dem Handwerk immer offen bekundet hat.
      Nein, die sog. kleinen Leute sind nicht dumm, überhaupt nicht. Nur ihre Werte – das, was zu erstreben sei im Leben – sind andere. Und es kann vorkommen, daß sich Werte ausschließen.

    • @MelusineB & ANH Ich beginne die politische Dimension dieser Pop-Diskussion zu erschnuppern. Langsam (!) Auch, was Sie, ANH, immer mit Ihrer Unterscheidung zwischen ernsthaft und unterhaltend bezwecken – die mit einer Zuspitzung der “Feindschaft” zwischen Pop und U-Kunst eigentlich gar nicht so treffend beschrieben ist. Finde ich.
      Mir scheint es da eher um eine Trauer zu gehen. Das, was emotional leicht konsumierbar ist und schnell marketingrelevante „Ergebnisse“ bewirkt, nimmt inzwischen so viel Raum ein, dass die Antennen für die Rezeption unzugänglicherer Musik/Kunst eventuell verwahrlosen. Oder gar nicht erst entstehen. Es ist also, wenn ich recht verstehe, ein Verlust von Geist und Komplexität, den Sie beklagen. Den müssten Sie aber nicht bei Ihren Dschungel-Leser:innen beklagen, die sich doch offensichtlich ohne abzustumpfen genüßlich in beiden Welten bewegen, sondern bei jenen, die von Anfang an mit nichts anderem als kulturellem Fast-Food aufwachsen. (Oder?)

      Es ginge also darum, den schwerer erschließbaren Künsten wieder mehr Selbstverständlichkeit zu verschaffen, die Freude an ihnen zu wecken, und zwar schon ziemlich früh, damit die Antennen genug Zeit haben, sich auszubilden. Womit wir bei Arbeitsfeldern wären, die junge Leute an die so genannte „Hochkultur“ heran … führen will ich nicht sagen … lieber: die ihnen komplexere künstlerische Vorstellungswelten zum selbst erobern öffnen.
      Politisch daran wäre für mich die Idee, dass Kunsthandeln eben nicht einer gut informierten Minderheit verständlich ist, sondern wieder mehr zum allgemeinen Gut gehört. Womit die Hoffnung wüchse, dass mehr Neugier, Individualität und eine – in Maßen – Abkehr vom ständigen Konsumdiktat wieder mehr junge Leute dazu brächte, sich erstmal über Berufungen Gedanken zu machen, bevor sie den erstbesten Brot- oder Prestigeberuf anstreben.

      Oje, ich drücke mich heute schrecklich verknorzt aus!

    • eine anekdote aus meinem leben – in früheren zeiten, als ich gelegentlich noch musik zum sex auflegte legte ich mal stockhausens ‘trans’ dazu auf und die frau, mit der ich sex hatte, meinte hinterher, jetzt hätte sie die musik verstanden.
      unironisch.
      ( das erschien mir übrigens ebenfalls schlüssig & allerdings hörte die frau vorher schon relativ atonalen jazz. )

      überhaupt war damals und vorher stockhausen für manche eine kommunikative hintergrundmusik bei gesprächen und er galt für manche als popstar.
      stockhausen hat nicht nur zappa beeinflusst, björk wuchs zumindest mit musik von ihm auf, bei can spielten studenten von ihm und sonic youth besuchten ihn wohl mal als sie in schland auf tour waren.
      bürgers hörten aber wohl rebellisches aus der musik von ihm.
      als ich ihn das letzte mal sah ( an der glotze ) anlässlich eines von redbull organisierten festes, wo seine helikoptermusik aufgeführt wurde,
      sah er aus wie ein clown ( im positiven sinn ) – ganz unauffällig und mit köfferchen ( es hätte noch die pappnase gefehlt ).
      kaum einer der anwesenden promis aus fff ( film funk und fernsehen ) hatte etwas von ihm vorher gehört oder kannte gar seinen namen.
      stockhausen, einer der fähigsten komponisten des 20ten jahrhunderts.

      trans ist wahrscheinlich noch auf tube – ich verlinke das jetzt nicht.

      was ich aber sagen will – ich brauch doch keine bildung für so eine musik, es reicht wenn mich die musik interessiert.

    • @Das finde ich alles richtig – außer der Formulierung “wieder mehr”. Wann waren es je mehr (total oder anteilig)? Die Beschwörung einer Vergangenheit, in der es ein größeres Verständnis für Komplexität, Vielfalt, Variation jenseits der Verwertbarkeit gegeben habe, scheint mir immer ein Ausweichmanöver. Der “gebildete Mensch” (nicht der Bildungsgut-Besitzer!!! – denn bilden kann man sich nur selbst und eben nicht “gebildet werden”) war immer eine Utopie. Und bleibt es auch. An der man sich orientieren kann. Ich möchte nicht in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine Frau Mitte 40 gewesen sein. Oder in den 90ern des vorvergangenen. Jetzt gibt es bestimmte Chancen. Die gilt es wahrzunehmen. Wie zu jeder Zeit. Einige kämpfen darum, die Spielräume zu erweitern und andere um ihre Verengung. In der Kunst, wie in anderen Lebensbereichen auch.

    • Stimmt, Melusine, die Formulierung ist unglücklich. Ich nehme das “wieder” zurück und ordne das “mehr” einer Utopie zur Erweiterung der Spiel-räume zu.

  4. Gehackte Kleinbürger Ich bin kleinbürgerlich. Und lasse nicht auf mir rumhacken. Jedenfalls nicht, ohne den Schnabel selbst aufzureißen. Aber: die selbstverschuldete Dummheit gehört in allen Klassen und Schichten bekämpft. Deshalb hack´ ich aus autobiographischen Gründen besonders gern gegen arrogante Bildungsbürger, Besitzbürger und Mittelstandsbäuche (zu denen ich inzwischen auch noch gehöre, shit happens! – Nur den Bauch zieh´ ich ein!) Und natürlich auf Intellektuellenhasser geh´ ich auch drauf. Und so weiter. Ich bin halt gar nicht der friedfertige Typ.

    Zu Kunst- und Literaturrezeption noch mal: Es wird viel zu wenig versucht, die Körper in eine Hermeneutik einzubeziehen. Sich zu einem Bild aufstellen. Eine Skulptur ertasten. Einen Text erlauschen. Oder mit der Hand abschreiben.

    • @MelusineB, zu Werk und Ware Ich habe mit Kunst und künstlerischen Handeln schon auf unterschiedlichsten Ebenen zu tun gehabt: Zum einen durch das Studium. Dann durch den Rückzug ins Atelier, also den Schaffensprozess selbst. Ich habe auch jahrelang einen so genannten „Off Space“ – Kunstraum geführt, mit anderen, in dem wir Arbeiten von Künstler:innen ausstellten und Autor:innen präsentierten, die wir interessant fanden. Ich schrieb unzählige Pressetexte zu unseren Ausstellungen und für Kataloge. Ich habe Galerien und deren Betreiber:innen kennen gelernt, einer davon, ein Londoner Galerist, brachte mich in Kontakt mit berühmten, schwerreichen Künstlern, so daß mir auch diese Ebene nicht mehr fremd ist. Ich beobachtete, wie manche meiner Kollegen (ich schreibe bewusst nicht :innen, denn es waren hauptsächlich Männer) tatsächlich im Laufe der Jahre Karriere machten. Viele davon mit Ansätzen und Arbeiten, die sich für meine Begriffe qualitativ kaum von jenen derer unterschieden, die unbeachtet blieben. Sie waren einfach nur bissiger, entschlossener und unverfrorener, meistens. Glück und Beziehungen spielten natürlich auch eine Rolle.
      Warum erzähle ich das?
      Sie schreiben, dass Sie sich um Verstehen bemühen, wenn Sie lieben. Ich würde modifizierend sagen, mein Verstehen wächst, wenn ich etwas t u e, das ich liebe. Nie war mir Kunst so wichtig wie in der Zeit, als ich, noch Studentin, mit anderen diesen Kunstraum führte. Da gab’s kein Geld; die Einnahmen deckten, wenn’s gut lief, gerade mal die Kosten. Wir bauten die Ausstellungen auf und wieder ab, wir schleppten die Getränke und bezogen die Betten für die Gastkünstler:innen, die immer bei einem von uns unterkamen. Klar, hört sich jetzt sentimental an, so meine ich’s aber nicht: Ich denke gar nicht so oft an diese Zeit zurück. Es war aber eine, in der Aufwand und Belohnung, ohne dass Geld dabei eine bestimmende Rolle gespielt hätte, in Einklang waren für uns. Wir ächzten zwar immer, wenn wir unter uns waren, aber wir waren überzeugt von unserem Tun.

      So. Muss kurz abbrechen, obwohl ich über’s Einschwingen noch gar nicht hinausgekommen bin, grrr. Bis später..

    • @MelusineB Sie scheinen mir eher eine zypische [Nachtrag: ich meinte natürlich typisch, aber zypisch ist auch nicht schlecht – weiß jemand, was das bedeutet?] Hackbürgerin zu sein, bei dem Programm, das Sie bewältigen! Mannfrau muß sich eben zu wehren wissen.

    • soll das jetzt lustig sein oder konstruktiv, nws ?

      ich frag mich eher, wieso herr herbst nicht auf den astreinen antwortkommentar von melusine auf seinen popkommentar antwortet.
      hat er es eingesehen, dass er damit ein wenig sehr schief lag und sich kleinmütig verdrückt ?
      dann wäre aber schön, er würde das zum ausdruck bringen – ich mag das manchmal nicht wenn ein für mich haltloses aussagen gegen astreines aussagen stehenbleibt.
      das hinterlässt bei mir den eindruck, da hat jemand nichts kapiert oder will nichts kapiert haben und das muss man dann wieder einmal bestätigt bekommen, wenn ein thema reloaded wird.
      zeitverschwendung.

      so, wollte auch mal korrektiv spielen, geht es doch um dekoren.

      übrigens melusine, wir sind uns schon in einigen fragen einig, stell ich immer wieder fest – vor allem hier in diesem thread.
      hätte da kaum was zu widersprechen.

      und phyllis – dieses grrr ist ja heute putzig!
      bin grad voll entzückt von der schwärmerei.

    • @lobster Komisch und damit wahr soll das sein, lobster!

      DEN FOLGENDEN KOMMENTAR WOLLTE ICH WOANDERS PLAZIEREN, DOCH ES KOMMT IMMER EINE FEHLERMELDUNG, nämlich die: JavaException: java.lang.RuntimeException: org.jgroups.TimeoutException: TimeoutException
      Sagen wollte ich eigentlich:
      Warum reden denn jetzt alle über den Kleinbürger, noch dazu über dessen Kopf hinweg? Dabei ist die Definition doch recht klar, so wie die für Pop, Kitsch, Schönheit und Gerechtigkeit. Kleinbürger sind jedenfalls immer die anderen, man selbst kann das garnicht sein. Wie spielt man denn übrigens mit Intellektualismen, lobster? Indem man tut, was man will und dann auch noch darüber spricht? Dies vielleicht sogar völlig absichtslos, wie in einem lockeren, persönlichen Gespräch! Manchmal kommt es mir so vor, als verursache allein die Schriftform so manches Hineinlesen von Absichten.

    • @lobster. Es dürfte Ihnen nicht entgangen sein, daß ich >>>> Arbeit habe, um deretwegen ich momentan nur ausgesprochen nebenbei im Netz unterwegs bin; mir fällt es zur Zeit schon schwer, Die Dschungel >>>> angemessen weiterzubedienen. Das wird sich wieder ändern, aber momentan geht meine andere Arbeit vor.

      Aber ich schaue mir Melusines Antwort jetzt an, und eventuell antworte ich.

    • nws, ich bezog mich mit dem intellektualismen-kram von oben null auf das netz.
      ich will das irgendwie nicht konkretisieren – die eigentliche aussage ist wohl nicht rübergekommen, naja.
      ich redete da ja auch nur aus meiner persönlichen erfahrung, die mir irgendwie nahelegt, bildung und hörgewohnheiten nicht überzubewerten.
      mag sein, dass andere gegenteilige erfahrungen mach(t)en.
      mehr steckt nicht hinter meinen noch so flüchtig dazugeworfenen aussagen.

    • @Phorkyas und andere wg. “Kleinbürger” Ich “bezichtige” mich nicht, eine Kleinbürgerin zu sein. Ich bin der Herkunft nach eine. Und verstehe das nicht als (Ab-)Wertung. Es prägt halt. Ich verdanke dieser Herkunft mit “beschränkter Weltsicht”: Nähe, Geborgenheit, Anteilnahme; aber auch Ängstlichkeit und Sicherheitsstreben. Es ist halt alles ambivalent. Aber ich distanziere mich weder von meiner Kleinbürgerlichkeit noch von meinen intellektuellen Interessen.

      Was das mit Kunst(-Rezeption) und Politik zu tun hat? Eine Kunst, die auf Kleinbürger herabsieht, interessiert mich so wenig wie ein Kleinbürger, der Künstler als Spinner verhöhnt. Ich lerne auch hier von meinem kleinbürgerlichen Vater. Der einfach neugierig ist. Auf Menschen und Sachen.

    • ja das auch nws.
      ich meinte noch konkreter, dass ich jemandem, der für meine begriffe schon echt gut drauf ist und z.b. ‘neue musik’ nicht kennt diese musik nicht mal nahelegen würde, geschweige zu ihr steuernd auf ihn einwirken.
      ich würde allenfalls mal diese musik zwanglos auflegen aber halt null überzeugungsarbeit leisten versuchen.

    • @lobster Ich sag mal schlaftrunken: ich habe noch nie Überzeugungsarbeit geleistet, das wäre ja eine Anmaßung. Und was zum Beispiel die sogenannte Neue Musik betrifft, so höre ich die ganz gerne, wenn ich sie zufällig höre oder umsonst ins Konzert darf, ja dann genieße ich sie oft sogar (obgleich so ein Genuß ein Sakrileg zu sein scheint, wie ein gewisse Herr Sommer bei ANH mir vor ein paar Wochen nahezubringen versuchte). Naja, was soll’s, ich habe in meiner Jugend Status Quo und Meredith Monk und Klaus Nomi und Westernhagen und und und gehört, als querbeet, da werde ich doch jetzt nicht den Kenner mimen, schon garnicht im Bereich Musik! Im Bereich der Literatur allerdings … 😉 Doch ist ein anderes Thema, dafür muß man ausgeschlafen sein. Gute Nacht!

    • @Melusine: Ich glaube, ich schrub auch etwas weicher “bezeichnen”. Wenn ich mich scheinbar scherzhaft der Kleinbürgerei bezichtigte (und auch der anderen Dinge), so mein ich’s aber auch ernst – diese ideologische “Gutmensch”-Abwertung kann ich z.B. nicht ausstehen (als sei es eine Schwäche Gut-Sein zuwollen, als sähen die Gutmenschen alles in Rosa und nur man selbst nähme es mit der harten Realität auf) – und bei Wutbürger meine ich auch schon eine despektierliche Spitze herauszuhören (so wie die Zeitungen teilweise über die Stuttgart21-Protesterlchen herziehen).

      Beim Kleinbürger ist’s aber nur so, dass ich ebefalls diesem “Milieu” entstamme (einer Familie von Auto-Mechanikern, Fliesenlegern, Krankenpflegern).

      Ansonsten möcht’ ich nur Herrn Schlinkert Recht geben:
      Kleinbürger sind jedenfalls immer die anderen, man selbst kann das garnicht sein.
      (Um vielleicht noch einmal die Kleingeldprinzessin zu posten? http://www.youtube.com/watch?v=RrVrluQY_04 )

      PS. Verkneif ich’s mir mal doch nicht: Wie ist’s mit der Petersilie (Petruschka) gehört die auch (fein-)gehackt?

  5. Ich möchte Sie auf eine mögliche Schwachstelle in Ihrer Argumentation hinweisen, liebe Phyllis: “Klar – die unverbildete Reaktion hat ihren eigenen Reiz; die gebildete wirkt manchmal betulich dagegen, oder starr. Für mich ist es trotzdem interessanter, künstlerische Erfahrungen mit jemandem zu teilen, der oder die sich auskennt.”, sagen Sie. Von jenem, der sich auskennt, kann gelernt werden, wenn es gewollt wird auf der einen Seite, und zugelassen auf der anderen. Soweit, so gut. Doch was hat das mit (Allgemein)Bildung zu tun, frage ich mich ernsthaft?

    Ich stelle mir diese Frage vor dem Hintergrund des von Ihnen jüngst zur Diskussion gestellten Jelinek-Zitats, dessen weiteren Kontext ich nun endlich eruieren konnte und mit den begleitenden Gesprächen dazu ein völlig anderes Verständnis dafür entwickeln konnte, als es unter jenem Ihrem Beitrag offenbart wurde. Ein (modernes) Werk kann aus meiner Sicht nicht annähernd verstanden werden, wenn die Grundgestimmtheit der Künstler:in nicht mitbedacht wird. Wer behauptet, Kunst müsse ohne Ansehung der Erschaffenden Gültigkeit haben, redet abgrenzbaren (Pseudo)Kategorien das Wort. Das hat natürlich den Vorteil, dass ein lehrbarer Kataster künstlerischer Landschaftsflächen erstellt werden kann, innerhalb dessen sich die p.t. Künstler mit ihrem dazu kompatiblen Schaffen doch bitte selbst verorten wollen – sonst fallen sie aus der lehrenden Wahrnehmung schlicht heraus.

    Das Wissen um das Denken und die Gestimmtheit Jelineks – nochmals als konkretes, soeben selbst erlebtes Beispiel strapaziert – kann in meiner Sichtweise niemals zur Bildungfrage werden. Sehr wohl allerdings erkenne ich im Umgang mit vorerst nicht vollständig Fassbarem einen gewissen Ausdruck von Bildung. Bescheidenheit in der versuchten Interpretation des Erlebten ist vielleicht ein wesentliches Merkmal eben solcher – sicher darf ich mir dabei aber keineswegs sein, schließlich möchte ich mich ja selbst für halbwegs gebildet halten, nicht wahr? Für Jelinek gilt dasselbe, wie für Poulenc: es ist Sprache, mit denen beider Werk (zuerst aber: jenes der darstellenden Künstler) beschrieben wird. Ob sie verständig ist, kann geglaubt werden, oder eben auch dahingestellt bleiben. (an dieser Stelle hakte der “Impostor” ein, vermute ich übrigens). Jelinek fürchtet diesen “Hund” ausdrücklich, der sie nun beißen will, wie sie sagte (damit meint sie das [notwendig falsche] Beschrieben werden).

    Möglicherweise verhält es sich auch ein wenig so, wie mit den Kochkünsten: Alle wissen, wenn sie erst mal gekostet haben, dass es ihnen schmeckt (oder eben nicht). Doch die wenigsten verstehen, welche Überlegungen und Entscheidungen – und vor allem: Fertigkeiten – des Kochkünstlers zu diesem Geschmackserlebnis geführt haben. Die Versuchung, dieses Wissen mit Bildung gleichzusetzen, möchte ich vorsichtig anzweifeln und gleichzeitig aber festhalten, dass Sie, liebe Phyllis, solche Meinung in Ihrem Beitrag keineswegs ausgestellt hatten. Sie sprachen eben von der Bescheidenheit. Der langen Rede kurzer Sinn: Der individuellen Genussfähigkeit sind verallgemeinert kaum Grenzen gesetzt, denn die kann selbstverständlich “gebildet” werden. Die Verständnismöglichkeit dagegen ist auf sehr enge Bahnen eingeschränkt. Bildung verhilft dazu, das zu erkennen, jedoch nicht, die Beschränktheit aufzuheben.

    Herzlich,
    Ihr
    Kienspan
    (Großbürger, kraft 193cm Leibeshöhe)

    Muss wirklich alles künstlerische Schaffen vollends verstanden und erklärt werden können? Falls ja: zum Eintritt in welchen Club berechtigte dieser Ausweis?

    • @Kienspan. Muss wirklich alles künstlerische Schaffen vollends verstanden und erklärt werden können?
      Wenn das ginge, wäre es sogar – furchtbar. Jedes “vollends” beerdigt das Erlebte.

      (Ihre Poulenc-Anspielung, die sich wahrscheinlich >>>> darauf bezieht, wüßte ich gerne ein wenig ausgeführt. Allmählich bin ich erstaunt darüber, wieviele Parteigänger der Klöster, zumal ausgerechnet des Carmels, es gibt. Das emanzipatorische Denken findet rein kein Ende.)

      Und… d o c h: Bildung verhilft dazu, Beschränktheit aufzuheben. Das ist ihr Wesen. Tut sie es nicht, ist es nicht Bildung, sondern Faktenwissen. Und das ist ein Riesenunterschied. (Mittelbürger: einsneunundsiebzigeinhalb).

    • Wo schrieb ich es noch? TT ist ja inzwischen so proppetextvoll, daß man garnicht mehr weiß, wo die Gedanken stecken. Jedenfalls sprach ich davon, daß der Blick hinter die Kulissen, also das Wissen um die Bedingungen des Künstlerischen, den Blick schärft, nicht aber zwingend die Freude an der Kunst zerstören muß, jedenfalls nicht an der großen. Dennoch wird nie jemand ein Kunstwerk vollständig verstehen, nicht mal der Künstler selbst. Wie heißt es doch so schön: der Text ist schlauer als sein Autor. Darauf einen Toast!

    • @Kienspan, Großbürger kraft Leibeshöhe 193 cm Da werfen Sie aber jetzt ein Pfund Text in den Ring : )
      Spannend, wie es da offensichtlich mit Ihnen und der Jelinek weitergeht. Im Gegensatz zu Ihnen bin ich aber keine Nachteule und verschiebe mein Sinnen darüber auf morgen…

    • @ANH Sehen Sie mir bitte die späte Antwort auf Ihr Zuspiel nach, ich habe es eben erst entdeckt. Sie haben recht damit, dass ich Ihren verlinkten Beitrag meinte – eben jenen, den Frau Kiehl kommentierte und darin in Folge die “Rezeptionsfragen” einhakte.

      Der Glaube an die eine Sache verständig beschreibende Sprache trägt in sich das Risiko, andere Beschreibungsmöglichkeiten (und damit Deutungsmöglichkeiten) zu übersehen. Jelinek, zum Beispiel, sprach das in ihrer Nobelpreisrede an: “Das von diesem Blick Getroffene sagt noch im Hinsinken, obwohl es ja kaum angeschaut wurde, obwohl es noch nicht einmal dem scharfen Blick der Öffentlichkeit ausgesetzt worden ist, das Getroffene sagt niemals, daß es auch etwas andres hätte sein können, bevor es dieser einen Beschreibung zum Opfer gefallen ist.”

      Dass es auch dahingestellt bleiben könne, ob die beschreibende Sprache verständig sei, sollte heißen, dass mit dieser Haltung der Weg zur Erarbeitung eigener Wahrnehmungs- und Deutungsmöglichkeiten völlig unverstellt bliebe. Nachdem ich durch Ihren Impuls, werter ANH, auch auf diese meine Formulierung nachträglich aufmerksam wurde, erscheint sie mir nun nach sorgfältigem Umschreiten als tendenziell abwertend auslegbar. So wäre sie allerdings nicht meiner Intention entsprechend interpretiert. Der betreffende, von mir oben geschriebene Satz drückt also nicht exakt aus, was ich ursprünglich benennen wollte.

Schreibe einen Kommentar zu Shaima Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.