Remix. Mittwoch, 2. Februar 2011

Methoden. Radikal, auch gegen den eigenen Geschmack. Optimieren. Psychosexuell. Konkurrenzlosigkeit. Eigenheitsproduzent. Naiv. Systematisierbar. Die neuen Becketts. Reinheit und Geschmack. Gegen die Zeit. Die Bestie. Vermeidung von Adaptionen. Die Aufnahmefähigkeit der Zeitgenossen. Ungemein versöhnlich. Ohnmächte und Abhängigkeiten. Primat der bildenden Künste. Jenseits der Realität.

Wie schön, dass meine Methode – jetzt aus dieser willkürlichen Zusammenstellung Ihrer, liebe Leser:innen, Kommentare, jede, sagen wir siebte Silbe zu nehmen und diese Fragmente in unterschiedlichen Varianten so lange zusammenzufügen, bis wie von Zauberhand eine überraschend gültige Aussage auf dem Papier steht – nicht funktioniert… sonst wären wir alle nur noch am Buchstabenzählen.

Dennoch: sollten Sie das Gefühl haben, mit Ihrem Dreirad von Talent, Bildung und Lebenserfahrung immer wieder auf dem Goethe- statt auf dem Spielplatz zu landen, wäre irgendeine Methode von Zufallsgenerierung sicher hilfreich.
Wie ich darauf komme?
Ich denke immer noch über dieses Selbstoptimierungsding nach. Das Gespräch zu Black Swan. Kann sein, für mich, es geht nicht darum, sich gegen diese Sehnsucht nach Perfektion (und die damit verbundene Selbstdisziplin) zu sperren, sondern ihr ein verlässlich wiederkehrendes Element des Unwägbaren hinzuzufügen. Dafür Methoden zu finden.

Ich mag Perfektion, aber ich mag keinen Fleiß. Einer meiner ersten publizierten Texte hieß: „Wie kann man produzieren, ohne zu arbeiten?“

55 Gedanken zu „Remix. Mittwoch, 2. Februar 2011

  1. Auf der faulen Haut liegen und zugleich schöne Dinge verfertigen? Natürlich geht das, man muß sich nur machen lassen. Fleiß ist dabei allerdings ein Störfaktor, er giert nach Außenbestätigung, nach Einfügung in bewährte Produktionsmuster. Da ich aber weiß, daß Sie, liebe Phyllis, auch die Selbstdisziplin nicht mögen, frage ich mich schon, wie Sie Ihr bisheriges Werk auf die Beine gestellt haben. Delegieren Sie etwa die Ausführung jeweils an Ihr anderes Ich, den braven und fleißigen weißen Schwan, während der schwarze Schwan weiter vor sich hin spintisiert und am Ende nur noch mit leichter Hand ein Weniges hinzufügt, auf daß das Werk nicht nur gut, sondern perfekt wird?

    • Von Faulsein war nicht unbedingt die Rede… und ohne workaholic zu sein, würde ich mich doch als sehr arbeitsorientiert einschätzen. Diszipliniert sowieso – anders wäre ein selbstständiges Leben gar nicht drin.
      Kurz, ich mag Arbeit. Beschloss allerdings schon nach dem Studium, meine Erwerbsquellen nicht am Kunstmarkt zu suchen. Soweit die dürren Fakten. Jetzt das Interessantere: Ja, ich delegiere; ich arbeite mit Alter Egos. Und Ritualen. Und Settings.
      Und ja, es gibt eine fleißige, versierte, extrem konziliante Lady, die sich in der Phylliswelt um Akquisition, Lohnarbeit und Networking kümmert. Sie kleidet sich anders als die Künstlerin, hat ihren eigenen Kaffeebecher und führt to-do-Listen. Ich weiß sogar (da rechts neben meinem Schreibtisch ein riesiger Spiegel hängt) dass sie aufrechter sitzt als die Andere. Ich bin wirklich erleichtert, dass sie es ist, die sich um mein wirtschaftliches Überleben kümmert.

      Für die künstlerische Produktion ist sie allerdings völlig ungeeignet.
      Und um die zu beschreiben, würde ich auf Schwäne, egal ob weiß oder schwarz, völlig verzichten…

    • Ich verstehe! In einem funktionierenden Wirtschaftsraum stell ich mir so eine Arbeitsteilung gut machbar vor, und natürlich geht das auch in einem weniger gut funktionierenden, selbst wenn zu viele Menschen bereit sind, sich selbst auszubeuten – doch das ist ein anderes Thema. Mein Traum während der nun schon sehr lange zurückliegenden Tischlerlehre war allerdings, mich eben nicht umziehen zu müssen, wenn es an die Kunst geht, nicht zwei Rollen leben zu müssen. Einerseits wurde man von Kunden erkannt (“Ich hab Sie in der Zeitung gesehen”), andererseits fünf Minuten später vom Altgesellen zusammengeschissen (“Mitdenken, Junge, mitdenken!”). Das war mir nicht “rund” genug, das wollte ich ändern, selbst auf die Gefahr hin, vom Wohlstandskuchen nur Brösel zu bekommen.

      Und was die Frage nach der Perfektion angeht, so sollte wahrscheinlich jeder Mensch für sich herausbekommen, in welchem Bereich er diese erreichen kann, durch Inspiration, Fleiß, Disziplin und Glück.

    • Kein Fleiß kein Fiß, am meisten beeindruckt mich doch die Lässigkeit und Schwäne sind viel zu schwerfällige Vögel für die Lässigkeit, Zwergameisenbären hingegen wirken enorm lässig und Zeichnerinnen wirken irgendwie immer schon mal etwas lässiger als Dichterinnen.

    • @Sowieso zu den Schwänen. Dafür haben Schwäne Eleganz. Diese bedarf der Disziplin, indes Lässigkeit zwar herzrührend und oft auch charmant ist, niemals aber wirklich schön.

      Wir kommen wieder >>>> zu dem Film über den Tanz: Leichtigkeit erreicht sich n u r über Arbeit. Edison hatte schon recht: “Invention is 1% of inspiration and 99% of transpiration.” Nur daß es sehr angenehm – und förderlich für die Schönheit – ist, wenn wir dieses Schwitzen nicht sehen.

      Im übrigen ist aus der Sicht der Ameisen auch der Zwergameisenbär nicht sonderlich lässig, so wenig, wie für die Blattlaus der Marienkäfer. Ich finde Ihren lockeren Anthropozentrismus deshalb zwar hübsch, aber er trifft die Natur der Dinge nicht. Einmal abgesehen davon, daß sich der Zwergameisenbär so wenig wie seine größeren Artgenossen für den Zauber nicht eignet, noch für die Verzauberung. Er ist schlicht kein mythisches Tier. Es hat G r ü n d e, daß sich manche nicht eignen.

    • Sie sind wohl gerade auf Zeichnerinnen heiß, morgen werden es Volleyballerinnen sein und die sind hübsch und sehr begabt, zumal wenn sie den Ball laut hinaufprellen und er wieder zurückfällt auf die schöne rechte Hand…

    • Aber man könnte ein magisches Tier aus dem Ameisenbär machen, allerdings, müsste dass wirklich im tiefsten Inneren gären und nicht nur mal so daher geschrieben sein.

    • @WRUM. Das kann man, glaube ich, n i c h t. Weil magische Tiere ein Ausdruck symbolgewordener Menschheitsgeschichte sind und Wünsche, Ängste, Hoffnungen, Träume vieler Jahrhunderte in sich vereinen. Hier hängt selbstverständlich vieles von der jeweiligen kulturellen Codierung ab – es ist aber auffällig, daß magische Tiere, sofern in verschiedenen Kulturen gleichermaßen als Art bekannt, nahezu immer besetzt sind, – nur, ob positiv oder negativ, ist eine Frage der Codierung. Weshalb es auch ambivalente magische Tiere gibt: die Ratte etwa, zum Beispiel bei uns oder in Indien, auch der Pfau, besonders die Schlange – bei uns teuflisch und Verführerin, in den alten ägyptischen Kulturen aber heilig und weise. Während das Krokodil bei uns g a r nicht mythisch besetzt ist, es sei denn, man zählte den Drachen zu ihm. Undsoweiter.
      Dem Ameisenbär kann man ganz sicher eine wunderbare Geschichte schreiben, die sich auch einprägen wird – mythisch wird es deshalb nicht oder nur, wenn diiese Geschichte ins kollektive Unbewußte vieler Völker hineinsinkt – ein Prozeß, der eben Hunderte von Jahren braucht.

    • Wrum ist ein entsetzlicher Nick, wie komme ich da drauf? Nun klar, sie haben es schwer, aber wenn wir uns eine Zeit ohne Geschichte denken, es wäre jetzt der Punkt an dem alles entsteht und das erste was da wäre, wäre der Aneisenbär, dann würden wir sehr andersüber ihn reden, aber, ist nunmal nicht so, schicken wir ihn also zurück in die Wüste

    • Ja, es hat immer Gründe, ich eigne mich eh nicht, ich finde das Eignen an sich verdächtig, weil es das Dasein doch sehr einengt mit seinen ständigen Eignungstests, erscheien gehorsamst zum Ausmusterungsbefehl, wozu eignen Sie sich denn?
      Darum iss mir der Ameisenbär so nah und mit ihm sinds mir viele bunte Hunde. Ja, und der Pfau, der Pfau, der machte nächtelang miau bei uns auf dem Land und thronte auf Gärfuttersilos und scheiße schlecht fliegen tut der auch, so ein Ameisenbär kann hingegen kopfüber nen Baum runterklettern, und ich bin mir hundertpro sicher, das am Amazonas niemandem so wirklich viel schwant vom Mythos des hässlichen Entleins und Lohengrin konnt ich kaum ertragen.
      Es werden nie Volleyballer sein, niemals, Zeichner werden es immer sein.
      Wen soll ich noch zitieren, charmant und hübsch wie ich bin fällt mir nur ein Herrndorf ein: “Ich bin zu häßlich für mein Alter.” Disziplin, Arbeit, Struktur, ein Stift, ein Königreich für einen gezeichneten Ameisenbär.

    • @MelusineB Ich mag Leute, die gerne arbeiten. Meinetwegen auch viel. Exzessiv viel. Sofern der Motor ausreichend PS hat, hört sich das in vielen Fällen gut an, und während ihrer Boxenstopps kann man auch viel Spaß mit ihnen haben.
      Ich mag nur den Aspekt von Fleiß nicht, den Norbert W. Schlinkert “piefig” nennt. Das klingt so nach geerbt. (Ich mag eh nur wenige der Worte, die im gleichen Ställchen wie “brav” zu finden sind)

    • Diese Diskussion bietet mir Anlaß genug, meine Arbeit am Text zu unterbrechen, also nenne ich diese Unterbrechung auch mal: Arbeit. Ich mag auch Leute, die gerne arbeiten, habe aber auch schon Freunde aus den Augen verloren und sie mich, nicht primär der Arbeit wegen, sondern wegen fehlender Mittel aller Art (Zeit, Geld, Energie). Denn der Arbeitsmotor kann noch so viel Drehmoment haben (die PS-Leistung wird überbewertet), die Zeit schlägt ihren eigenen Takt. Und was diesen von mir angesprochenen piefigen Fleiß angeht, so habe ich dagegen von Anfang an revoltiert, etwa wenn der Spruch kam “Erst die Arbeit, dann das Vergnügen” – wenn überhaupt von solchen Konstellationen auszugehen ist, dann doch wohl umgekehrt! (Denn gemeint ist ja die Lohnarbeit, nicht die eigenständige.) Eigentlich mag ich fließende Übergänge ohne Kleiderwechsel, aber das sagte ich ja schon andernbeitrags.

    • @Melusine. “und gar keine Genies oder “bedeutende” Werke.” – Das ist unterdessen ein solches banales, mainstreamiges, profanierendes Klischee! Meine Güte…

      Sie mögen Faust II nicht? Ah ja, ist kein bedeutendes Werk. Il nozze di Figaro auch nicht? Nein, klar, ist ebenfalls kein bedeutendes Werk, genau so wenig wie Musil eines verfaßte. Das sind alles, heißt es im Wolpertinger, Fernsehserien. Schon klar. Bachs h-moll Messe ist eine Unterabteilung der Medi-Max-Bespaßung… bloß kein Pathos, Gott, was haben wir Angst davor…. keine großen Gefühle, sondern komisch und witzig und uneigentlich, das ist unser Credo. Nur keine Ehrfurcht vor irgend etwas. Da könnte ja was größer sein als der Bäcker von nebenan… Verzeihung: – und natürlich die Bäckerin… Völlig undemokratisch, Sie haben ganz recht. Wir lieben unser Mittelmaß und wenn sich das machen läßt, zerbröseln wir selbst das noch durch Quote.

      Verzeihung, aber diese Kleinheit kotzt mich an.

    • @Norbert W. Schlinkert Kleiderwechsel können eben diese Umkehrung bewirken: dass die (Lohn)Arbeit vergnügt getan werden kann, und wenn sie noch so vereinnahmend ist. Ein spielerisches, kein zwanghaftes Herangehen an Prozesse.
      Fließende Übergänge sind meine Sache nicht, wär’ schön, hat sich aber als schwächend erwiesen, ich brauche einen klaren Schnitt, bevor ich ins Atelier gehe.

    • @Kleiderwechsel Da hat sicher jeder seine eigene Methode, auch abhängig von der Arbeit selbst. Ich zöge mir auch einen Arbeitsanzug an, wenn ich etwa wieder zu malen begönne, vielleicht aus den selben Gründen wie Sie. Wer weiß. Bei mir ist aber in jeder Hinsicht Schreibarbeit angesagt, auch wenn sich der Lohn- oder Honoraraspekt vornehm im Hintergrund hält. Dies führt natürlich zu der Sache mit den “bedeutenden” Werken, die zu schaffen ich beabsichtige und die ich dementsprechend auch schaffen werde – aber das ist ein anderes Schlachtfeld, das ich nur von Ferne sehe (ein Spruchband leuchtet auf: keine Genies oder “bedeutende” Werke.”).

    • Accidental Grace nannte Judith Beveridge einen ihrer Gedichtbände. Beiläufige Eleganz. Man darf vielleicht auch nicht vergessen, wie beiläufig sich manches große Werk erst ins Bewusstsein geschlichen hat, da standen sie nicht alle mit einem Mal und wurden bejubelt, die Impressionisten, die Van Goghs, die Musils und Brochs, die Balzacs und Joyce. Man muss den Bäcker nicht klein machen, um den Künstler zu würdigen, das wäre nicht in seinem Sinn, denke ich, man muss ihn aber auch nicht am Bäckerhandwerk messen, das sicher auch nicht, aber, wer tut das? Und was hat das mit Demokratie zu tun? Als wenn Monarchien oder Diktaturen irgendwie kunstförderlicher gewesen wären, einzig und allein, betrachtet man die Geschichte, war es wohl noch der Klerus, betrachtet man die bildende Kunst, aber das goldene Zeitalter war auch ein bürgerliches, zeigen Sie mir den antidemokratischen Staat, der große Kunst befördert hat. Im Barock brachen sich gerade bürgerliche Strukturen Bahn, Könige wurden vertrieben, dann wieder eingesetzt, dazwischen herrschte Opportunismus mit allem, was einem das Leben schöner machte, Theater zum Beispiel, als das Theaterverbot aufgehoben wurde, Samuel Pepys rennt ständig ins Theater. Und warum sollen in all den Kleinheiten keine großen Gefühle versteckt sein, ich habe diese Dichotomie nie verstanden, dem Bäcker widerfährt Tod, Geburt, Liebe genau so wie allen anderen, und gute Kunst schafft dem sicher den Ausdruck in allen seinen Facetten.

    • Bedeutende Werke schaffen zu wollen, hat etwas anmaßendes: erst der Wahn, dann die Größe. Man muss ihn fest in die Hand nehmen wollen, diesen Maß-stab, und ihn zum Ausschreiten ebenso einsetzen wie zur Abwehr des Gesindels.
      Ein bescheidenes Ego hat es schwerer, das Werk aus sich herauszubaggern als ein anmaßendes. Was nicht heißen soll, dass alle Werke, die wir bewundern, von Egomanen geschaffen wurden – es scheint aber zu helfen.
      Ob dieses Werk dann Bestand hat über Jahrhunderte – ob der alte Satz von der Qualität, die sich durchsetzt, wirklich stimmt? Wenn es von immer neuen Generationen immer wieder entdeckt wird, ohne an Kraft zu verlieren, finde ich es völlig natürlich, es als genial oder bedeutend zu bezeichnen. Als Rezipientin ist’s mir dann auch einerlei, ob die Urheberin/der Urheber ein komplettes Egoschwein oder ein netter Mensch war.

      (Die Sache mit dem Bäcker verstehe ich nicht; er taucht immer wieder auf, wissen Sie da etwas, das mir entgangen ist, Leser:innen? Hat ihn jemand angegriffen, den Bäcker? Hindert ihn jemand daran, das zu tun, was er tun will? Kann man nicht mal ein paar Takte über Genies nachdenken, ohne damit jene zu beleidigen, die keine sind?)

      Hm.

    • Es geht doch aber keiner daher und sagt, ich schreib mal ein bedeutendes Werk.
      Da stell ich mir wirklich einen vor, mit zwei Flaschen Wein in der Hand und dann aber gib ihm Zunder.
      Das habe ich übrigens mal geglaubt, da zog ich mit Flaschen Slivovitz auf den höchsten Berg Bosniens und was ist wohl dabei herausgekommen

    • @Sturznest Doch, doch, genau so, Sie gehen doch auch nicht hin und sagen, Sie schreiben mal ein unbedeutendes, oder? Wer würde das wollen? Ob man solch einen Anspruch einlösen kann, zunächst mal vor dem eigenen strengen Richter, steht auf einem anderen Blatt. Vielleicht nochmal auf den Berg steigen – ? : )

    • Na ja man schreibt weil man schreiben muss, das ist es doch, da geht es doch nicht um un oder bedeutend, ich kann mir nicht vorstellen, dass das bei irgendeinem Werk Thema ist, nein das ist es nicht, ich hab Bulgakovs Tagebuch gelesen (ich gestehe es)) und da berichtet er nur davon dass er einen neue Roman anfängt, nichts anderes und was schrieb er wohl…der Meister

    • Stoff und Bedeutung Die Bedeutung des Stoffes ist für einen selber ja schon vor dem Werk da – eben deswegen m u s s man es ja angehen, das dem Stoff angemessene(!) und dann deswegen und aus keinem anderen Grunde bedeutende Werk. Das muß durchaus nicht gelingen, kann aber. Die Anmaßung liegt darin, der Welt diesen Stoff in der mir gewählten Form zuzumuten. Ich selber lese gerne gut abgehangene Werke, die durch mehrere Generationen gegangen sind, denn gegenwärtig gibt es immer nur sehr wenig Bedeutendes. Auf die Mischung (der Zeiten) kommt’s an.

    • Aber vielleicht ist er oder sie danach bedeutend pinkeln gegangen?
      Glaub ich beides nicht, ich glaub man möcht erst mal was machen, was einem selbst gefällt.

    • Da sind wir wieder bei den ersten Sätzen, denn wenn ich beim Anlesen eines Buches sofort das große Gähnen kriege, dann lese ich eben nicht weiter. Passiert mir (und sicher allen anderen) sehr, sehr häufig, und selbst die Bücher, die ich weiter- und meist zuende lese, sind nicht unbedingt “bedeutend”. Gut, unterhaltsam, anregend und unter Umständen spannend reicht mir manchmal schon. Die Bedeutung kommt erst später, viel später, aber das ist dann auch ein völlig anderer Kontext als unser gegenwärtiges Lesevergnügen.
      Zur Erinnerung: ich schrieb oben, daß ein Buch dann – erst einmal, sozusagen grundlagig – bedeutend ist, wenn der gewählte Stoff angemessen umgesetzt wurde. (Der einzige Punkt, bei dem Kant und ich einer Meinung sind.) Deswegen muß ich es nicht mögen, sozusagen der “richtige” Leser sein, doch diese Angemessenheit ist dann die Grundlage, in einem größeren Kontext (Kulturgeschichte) womöglich als bedeutend gehandelt zu werden.

    • @ANH Herrje, was regen Sie sich so auf? Was kann denn eine Winzigkeit wie meine dem göttlichen Genie und dem monumentalen Werk anhaben? So weit kann ich den Nacken gar nicht zurücklegen, dass ich da rauf spucken könnte…Und mögen muss ich gar nichts. (Mein Bäcker ist nett und ich mag ihn. Ja, so banal und mittelmäßig bin ich und gern.)

    • Herrje, Herr Herbst – droht Ihnen da jemand aus dem Ruder zu laufen oder ist es vielleicht gar schon…? Da scheint mir ‘Faust II’ in Tateinheit mit dem ‘Wolpertinger’ das rechte Drohmittel!

    • @Walhalladada. Es gehört schon einiger Sadismus dazu, Genuß- als Drohmittel zu suggerieren, oder, invers betrachtet, Masochismus – wenn man denn nicht genießen w i l l.

      (Wer sollte das sein, der mir aus dem Ruder läuft? So weit ich weiß, steuere ich d i e s e Schiff eh nicht. Aber ich kenne die Sirene(n) – damit haben Sie recht.)

    • @Herbst Auch Sie verbreiten ein Künstlerklischee und es ist änlich “mainstreamig”, wie das, was sie Melusine B vorwerfen. Es ist das Spiegelbild dessen, was Melusine propagiert. Kunst, die “lässig” erstellt wird, ist keine Kunst. Einverstanden. Aber dieses Klischee des Berserker-Künstlers ist doch auch ein lächerlicher Popanz. Selbstbehauptungsrhetorik, um von der immer wieder drohenden Nichtigkeit des eigenen Schaffens abzulenken (ich meine das metaphorisch, nicht persönlich). Sie sind natürlich nie “mittelmäßig” und sicherheitshalber überlassen Sie dieses Urteil nicht den anderen, sondern postulieren es selber, damit es auch jeder erfährt. Ihre Hybris umgibt sie längst wie eine Hornhaut. Würde man sie entfernen, ginge nichts mehr. Also pflegen Sie sie. Wer Ihnen dabei in die Quere kommt, wird niedergemacht – ebenfalls ein Indikator für Schwäche (und nicht für Stärke).

      Es ist ein wohlgehütetes Märchen, dass herausragende Werke nur von Egomanen wie Goethe oder Thomas Mann produziert werden. Nicht nur Kafka und Pessoa sind Gegenbeispiele. Man denke an die vielen spät und später entdeckten Autoren. Für die Gegenwartskünste (bzw. -literatur) gilt dies freilich, weil – das war schon immer so: wer am lautesten schreit, wird gehört. Bei mir als schnöder Leser leuchten bei Schreihälsen, die sich dabei fast chronisch immerzu selbst beweihräuchern, inzwischen Warnlampen auf.

    • @Gregor Keuschnig Natürlich “propagiere” ich keine “lässige” Kunst. Der ganze Beitrag war ironisch gemeint.Wer mich kennt und den Anfang liest: arbeiten und fleißig sein, der weiß das auch. Mir ging halt das ganze klischeehafte Geschwätz über Genies und ihre Außergewöhnlichkeit etc. pp. auf die Nerven. Tut´s immer noch. Ich hätte auch nichts mehr dazu geschrieben, nur Ihnen gegenüber mag ich das klarstellen.

    • @MelusineB Klischeehaftes Geschwätz über Genies und ihre Außergewöhnlichkeit? Kann ich hier nicht entdecken, das wabert allenfalls im Hintergrund. Vielmehr ging es u. a. um die Bedeutung von literarischen Werken, vor allem um das Wie des Herstellens, damit das Werk ob seiner Qualität überhaupt bedeutend w e r d e n kann.

    • lässig sein ( können ) verleiht kunst durchaus auch souveränität.

      einer “abgetrotzten kunst” merkt man das abgetrotztsein dort noch an, wo sie das abtrotzen nicht ganz einfach sein will ( dargestellt haben will ).
      der künstler in den momenten seiner souveränität ist lässig und nicht verkrampft, er steht über dem fleiss, war schon fleissig und spielt lässig mit seinem – sich und anderen nichts mehr beweisen müssenden – können.

      ansonsten fasse ich ein “ehrfurcht haben vor” als ein zeichen von kleinheit auf.

      ( nur noch son ephemerer einwurf. )

    • So lässt Pessoa sein literarisches alter ego, den Hilfsbuchhalter Bernardo Soares, sagen:

      “Das ist meine Moral oder meine Metaphysik oder mein Ich: Ich gehe an allem vorbei – sogar an meiner eigenen Seele – ich gehöre zu nichts, ich wünsche nichts, ich bin nichts – ich bin ein abstrakter Mittelpunkt unpersönlicher Empfindungen, ein fühlender zu Boden gefallener Spiegel, der der Mannigfaltigkeit der Welt zugekehrt ist. Bei alledem weiß ich nicht, ob ich glücklich oder unglücklich bin; und mir liegt auch nichts daran.”

      http://www.dradio.de/dlf/sendungen/buechermarkt/1330679/

    • @Gregor Keuschnig & MelusineB. Es ist ja nicht so, als ob wir uns hier zum ersten Mal begegneten, oder? Als ob wir nicht wüßten, wer mit Selbstironie arbeitet, wer eine kurze Zündschnur hat, wer eitel ist, wer moderat? Wer mit welchen Reizwörtern aus der Reserve zu locken ist? Kommen wir darüber nicht hinaus?

    • @lobster: Der Text muß am Ende für sich stehen, das Abgetrotztsein darf ihm nicht versehentlich anzumerken sein. Wer einmal ein perfektes Möbelstück aus einer vollchaotischen Werkstatt hat entspringen sehen, weiß was ich meine. Überhaupt: die Werkstatt. Vor etwa 200 Jahren hat Jean Paul mit seiner “Vorschule der Ästhetik” (und vielen Autoreinwürfen in den Texten) Einblick gewährt in die seine, das in etwa selbe macht nun ANH mit seinem DieDschungel. Ist der Text dann abschließend in die Welt gesetzt, ist der Schriftsteller natürlich lässig, aber auch erst dann und keine Sekunde früher.

    • beim zurücklehnen nach getaner, definitiv abgeschlossener arbeit entsteht wohl z.b. eine gelassenheit, die nichts mehr an dieser arbeit ändern will und diese arbeit gelassen an andere weitergeben kann, kann sie’s .
      was aber nichts damit zu tun hat, ob ich lässig mit meinem material umgehen k o n n t e oder halt nicht.
      ( ich persönlich favorisiere zudem noch phasen lässiger grundgestimmtheit ungemein zwecks verkürzung des arbeitsvorganges hinsichtlich einem erzielen lässiger resultate, das/ die gefühle braucht man ja nur festzuhalten und sich nicht irgendwie zusammenfabulieren oder anderen entwerfen oder ausarbeiten wollen )

      bei einer “lässigen grundidee” würde das schon schwieriger, benötigte man dafür gleichermassen lässig sein könnende interaktionen oder “vorstellungswelten” ( und derer akteure / handlungsträger:innen )
      hör grad flower power rufen.
      sorry, abgeschwiffen.

    • Mir ist schon ein wenig nach: STREIK! Wir sind doch keine Rennpferde! Wetten abzuschließen! Also ehrlich. Was würden Sie sagen, wenn ich Ihre Reaktion auf das hier bewetten würde? Kriegt man wenigstens ein Gläschen ab? 😉

    • @Norbert W. Schlinkert Moin. Die Wettbude hat hiermit geöffnet. Und ich fürchte, Frau Melusine hat ihre Flasche Wein längst mit ihrem Liebsten geteilt…

      Muss erstmal an die Hanteln. Bis später.

    • @Gewonnen? Ich wette nur, wenn ich sicher gewinne. Bei Ihnen, Herr Schlinkert, wäre mir das Risiko zu hoch, dass ich mich verschätze. Hier war´s leicht: zwei Reizwörter mit mangelnder Hochachtung erwähnt und jemand, der sie ganz sicher auf sich bezieht. Die Flasche, liebe Phyllis, ist in der Tat schon geleert.

      War das die Reaktion, auf die Sie gewettet haben, Herr Schlinkert? (oder hätten?)

  2. Schriftsteller zu sein bedeutet für mich, daß man in sich selbst eine zweite, verborgene Persönlichkeit entdeckt und in jahrelanger geduldiger Mühe diese und ihr Umfeld sich herausschälen läßt. Und bei dem Wort Schreiben fallen mir nicht zuerst Romane, Gedichte und literarische Traditionen ein, sondern vielmehr der Mensch, der sich alleine an einen Tisch setzt, in sich hineinhorcht und mit Worten eine neue Welt erschafft. Dabei mag er eine Schreibmaschine verwenden, sich die Bequemlichkeiten des Computers zu Nutze machen oder, wie ich seit über dreißig Jahren, das Papier mit einem Füller beschreiben. Er kann dabei Kaffee oder Tee trinken, rauchen, sich hin und wieder vom Schreibtisch erheben und zum Fenster hinaussehen, auf draußen spielende Kinder, eine dunkle Mauer oder, wenn er Glück hat, auf Bäume oder eine schöne Aussicht. Er kann Gedichte schreiben, Theaterstücke oder wie ich Romane. All diese Unterschiede aber entfalten sich erst auf der Grundlage der eigentlichen Tätigkeit, nämlich der Tatsache, daß man sich an einen Tisch setzt und sich geduldig dem eigenen Inneren zukehrt. Schreiben bedeutet, daß man die innere Einkehr in Worte faßt, daß man aus sich heraus voller Geduld, Hartnäckigkeit und Freude an einer neuen Welt arbeitet. Wenn ich am Tisch sitze und auf eine leere Seite nach und nach Wort um Wort schreibe und darüber Tage, Monate, Jahre vergehen, dann fühle ich, daß ich eine neue Welt erstehen lasse und einen anderen Mensch aus mir heraushole, so wie man Stein auf Stein eine Brücke oder eine Kuppel baut. Der Stein des Schriftstellers ist das Wort. Wir nehmen das Wort in die Hand, befühlen es, setzen es mit anderen Wörtern in Zusammenhang, betrachten es manchmal aus der Ferne, fahren mit dem Finger oder dem Stift gleichsam streichelnd oder abwägend darüber, dann setzen wir es an seinen Platz, zäh, geduldig, hoffnungsfroh, über Jahre hinweg, neue Sphären erschaffend.

    (Orhan Pamuk, Der Koffer meines Vaters)

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