Mr. Chance und Frau Nadine, ff. Samstag, 15. Januar 2011

Gestern begegnete ich ihnen nach langer Zeit einmal wieder, dem mächtigen, nun alternden Herrn und seiner Gespielin. Die dies nun lang’ schon nicht mehr ist. Die vertrauten Gesten indes sind geblieben; da liebt sich wer noch.
Ich sah – wir standen vor der Eingangstür des Restaurants – wie ihm die Pfeife mit dem Kopf nach unten aus dem Mundwinkel hing und befürchtete kurz, das sei keine Absicht.
Sieht lustig aus, deine Pfeife, so verkehrt herum, sagte ich.
Damit es nicht reinregnet, lächelte er.
Erst da bemerkte ich, es regnete. Männer ohne Haare spüren das schnell.
Lang her, dass ich den beiden aus meinem ersten Manuskript vorlas in meiner Studentinnenbude, auf dem Bett mit dem goldenen Überwurf. In der Geschichte, die kurz darauf erschien, nannte ich die beiden Mr. Chance und Frau Nadine. Er erwarb sieben Zeichnungen, bevor er ging.
Frau Nadine, heute Flipper, scheint kein Jahr älter zu sein als damals. Ich nannte sie gestern Abend um, weil Chance erzählte, sie könne so gut schwimmen. Passt auch zu ihr, Flipper; sie hat immer noch diese irre Stromlinienfigur.
Vor der Tür sprachen wir über Sex, wie immer schon. Er gab mir diesen Rat.
Glaub’ mir, alle Männer wollen das, sagte er, ausnahmslos alle. Es macht sie süchtig, deswegen liegt ein Tabu darauf.
Ich hab’ das im Keller eines französischen Comicladens mal in einem Heft gesehen, sagte ich, aber nie ausprobiert.
Tu’s, sagte er.

53 Gedanken zu „Mr. Chance und Frau Nadine, ff. Samstag, 15. Januar 2011

    • Egal was: Tun Sie es, wenn´s Ihnen gefällt, würde ich sagen. Auf keinen Fall sollte frau, finde ich, auf dem Gebiet irgendwas machen, nur um ihm (oder ihnen?) zu gefallen. “Männer süchtig machen” ist sowieso keine schwierige Übung. Meiner Erfahrung nach.

    • Sucht ist nie gut, und süchtig machen ist böse. Führt zu Krieg. Auch böse. Und warum überhaupt darüber (Sex) schreiben. Langweilig. Findet mein Gorillamädchen auch. Grüße!

    • @Gorillamännchen Finde ich überhaupt ganz und gar nicht langweilig, über Sex schreiben! Der erste Text, den ich je (unter Pseudonym allerdings) veröffentlicht habe, war eine story, die mich schon beim Verfassen ziemlich kirre machte : )
      Grüße!

    • Na gut. Habe ich eben unrecht. Dann ist das Schreiben über Sex eben toll. Aber das von anderen Geschriebene lesen, das ist langweilig. So!
      Grüße zurück!
      (Und Sucht hat mit Genuss nichts zu tun, und da habe ich recht!)

    • @Gorillamännchen. Ich empfinde auch keine Langweile dabei, von anderen etwas zu lesen, das sexuelles Geschehen beschreibt oder gar sexuelle Empfindungen. Eher im Gegenteil. Sofern es gut geschrieben ist, gar großartig geschrieben ist, kann mich das begeistern, auch erregen, eigenen Fantasien die Lust verleihen, sie zu realisieren. Besonders Erregungsschilderungen von Frauen interessieren mich enorm, und das ist k e i n “rein” geistiges Interesse. Pornografische Literatur kann zur besten Dichtung gehören, die es überhaupt gibt.
      Im übrigen ist die Aussage, es sei langweilig, über Sexualität zu schreiben und zu lesen, ähnlich banal, wie, es sei langweilig, über Essen und Trinken zu schreiben und zu lesen oder übers Atmen zu lesen oder über Ansichten, die wir haben – etwa am Meer – zu lesen. Es kommt, fühle ich, allein darauf an, wie intensiv geschrieben und gelesen wird und ob sich ein Leser einlassen oder doch lieber “nichts davon wissen” will. Die Banalisierung erzählter Sexualität entspricht der Banalisierung der Sexualität.
      Im übrigen ist auch unser Umgang mit Sexualität eine kulturelle Markierung und schon insofern notwendiger Teil eines jeden künstlerischen Aktes.

    • Ich seh schon, ich bin in der Minderheit. Ob Landschaftsbeschreibungen bei Karl May oder Geschlechtsbeschreibungen bei Uhlbeck, da kommt mir das Gähnen. Und auch bei Boxkampfbeschreibungen wäre das so. Das ist alles völlig humorlos. Tierisch ernst.

    • So unrecht hat ANH da eigentlich nicht. Kommt doch wahrscheinlich immer auf die Qualität an, ganz egal was beschrieben wird. Und wenn gut geschrieben, ist auch die Wirkung entsprechend. Gute Sexliteratur fällt mir aber nicht ein, leider.

    • @Gorillamädchen pro domo. Lesen Sie >>>> Meere.

      Außerdem:
      Gerd-Peter Eigner, >>>> Brandig.
      Louis Aragon, >>>> Irène.

      Das ist nur das, was mir auf Anhieb einnfällt. Die erste drei Romane sind nicht ausschließlich erotische Literatur, aber das Sexuelle hat bedeutende Funktion und Macht in ihnen. Überhaupt besteht genau darin wahrscheinlich ein Geheimnis der großen erotischen Literatur. Das gilt selbstverständlich auch für de Laclos’ Gefährliche Liebschaften.

    • Die Tagebücher des Herrn Pepys? Ich bin aber erst beim Hirschgulasch, ständig ist auf dem Amt nix zu tun und man spielt Karten und trifft sich auf allerlei Mouthwateringding, mal hier mal da, und zwischendurch zahlt man Soldaten und Rentner aus. Und immer kann man seine Frau auch mal hier hin und da hin mitnehmen und nachher wieder abholen, Eskapaden sind versprochen, wenngleich der Herr Pepys ein ziemlich ausgeglichenes Leben zu führen scheint, aber, wer sagt denn auch, dass Eskapaden immer etwas unausgeglichenes haben müssen. Ich denke mir, wenn da nun über Sex berichtet werden sollte, alle 500 Seiten mal, passt sich das wahrscheinlich in den schönen Ennui der Pepyschen Tage, und das ist vielleicht gar nicht so langweilig. Nur,den ganzen Pepys darauf zusammenschrumpfen, das verzerrte wohl das Bild.

    • @Phyllis: Suche nach Schwere Warum soll etwas schwer sein? Schwer ist, übrigens, was anderes als schwierig. Also “schwer” finde ich in dem Zusammenhang ganz schlecht! Schwierig eigentlich auch.

      (Retro Total Headline: Der Safaripark lügt. Gorillas vor Langerweile am Leben?)

    • Gefährliche Liebschaften kenne ich als Film, den guten und den langweiligen. Ich werd mir mal Meere besorgen. (Vielleicht krieg ich ja mein Männchen auch zum lesen, who knows)

    • Da gibt es mehrere Fassungen von Meere und eine ganz teure. Kann mir mein Männchen ja im Sommer zum Geburtstag schenken. Bei Lolita habe ich beide Verfilmungen nicht zuende geschaut, fand ich langweilig.

    • Na ja, gehasst hab ich Humbert Humbert und dieses Amerika, der Roman ist schon ein ziemlich gutes Tableaux von Bigotterie. Ich las auch vor nicht allzu langer Zeit, dass das Selbstanzeigepräventivprogramm der Charité für pädophile Neigungen unglaublich gut angenommen würde, so gesehen, behaupte ich mal, ist der Roman von nicht nachlassender Aktualität.

    • @Lolita Ja, das ist ein Tabu. Gehasst habe ich es nicht. Aber es bedeutet mir gar nichts! (Das sage ich aber nie laut. Alle meine männlichen Freunde verehren Nabokov und lieben “Lolita”.)

    • lesen vielleicht, aber kaufen nicht, mein Gorillamädchen. Kann man das nicht in der Stadtbibliothek ausleihen. Oder steht das im Giftschrank? Henry Miller kenn ich übrigens, Stille Tage in Clichy. Das ist ganz gut. Gibt auch gute Comics mit Sex, aber selten.

    • Ich war (zu) jung und habe Lolita geliebt und mich doch geschämt, geekelt oder doch ein anderes seltsames Gefühl im Widerstreit mit dem eine, da zu lesen, dass ich Macht habe, unendliche Macht, aber dass diese Macht auch so vieles so schwierig macht. Humbert Humbert war bie klar identifizierbar aber in Spuren in so vieln Männern…

    • @ gorillamännchen >>Das ist alles völlig humorlos. Tierisch ernst.<<

      Wenn das Ihr Kriterium sein soll, dann verpassen Sie wohl noch einiges mehr außer guter Literatur, in der Sex eine (tragende) Rolle spielt, Schilderungen von Boxkämpfen und Landschaftsbeschreibungen bei Karl May. Überhaupt: was verstehen Sie unter Humor? Da stellt Sich mir die Frage, wie umfassend Sie dieses Konzept humor definieren, wenn Sie glauben, dessen Mangel so flott attestieren zu können.

    • @MelusineB. Ich verehre Nabokov ebenfalls, vor allem für Ada oder Das Verlangen. Hingegen hat mich Lolita nie wirklich berührt – was allerdings daran liegen kann, daß ich zwar junge Frauen mag, bekanntlich; aber Frauen müssen es schon sein. Pubertätszickigkeit find ich ganz nett, aber völlig unerotisch. Und Sex hat das schon gar nicht.
      (Wahrscheinlich braucht man, um Lolita nachempfinden zu können, eine stark homosexuelle Ader. Auch die Neigung Aschenbachs zu Tadzio, um das andere Extrem zu nennen, ist mir dementsprechend fremd.)

    • Erotische Literatur ?
      Wenn man/frau jeden Tag mit einer/einem anderen vögeln will und mit seinem/ihrem Namen dafür einstehen kann, jenes Wollen zu einem tragenden Gebot seiner/ihrer Sexualität zu machen, so stellt man/frau sich unweigerlich ausserhalb des Establishments und kann auf langwieriges Lesen von sexgeschwängerter Literatur getrost verzichten.
      Welt wird demzufolge wieder extrem ( weil durchwegs ) praxisbezogen er- und durchlebbar.

    • Die Anzahl der Leute, die ich kenne, die “jeden Tag mit einer/einem anderen” vögeln wollen, hält sich ja sowas von in Grenzen.

      Insofern besser nochmal ein paar Bücher im Regal stehen lassen.

    • @Ada (et.al.) Ada gehört zu den Büchern, die ich noch lesen m u s s. Wie so vieles (Lesen und Tun). Die Zeit wird knapp.

      @Gorillamännchen (paradoxer Name, irgendwie – Phyllis, die Kasse klingelt -) – humorloser Sex? Gekicher turned ab, echt! Sex in Büchern nicht immer, aber parallel schon.

    • Den Namen Gorillamännchen hat er von mir! Weil … nee, das gehört hier nicht her. Wenigstens will er jetzt lesen. (wieso: die Kasse klingelt?)

    • Das ist ja eine wüste – Debatte! Da sollte man eine aus der Antike stammende Debattenregel anwenden: immer das zuvor Gesagte wiederholen, bevor man selber seine Ansicht zum besten gibt. Jetzt ist es dafür allerdings zu spät. Was natürlich interessant wäre: unter welchem Pseudonym ist der erste und gleich erotische Text der Phyllis erschienen? Und wie heißt der Text? Und warum unter Pseudonym? Ich habe meine erste (kleine) Veröffentlichung (die thematisch natürlich in die gleiche Richtung geht) unter meinem (sogenannten) Klarnamen veröffentlicht. Fanden einige mir bekannte Zeitgenossen und Zeitgenossinnen allerdings “peinlich” – die Armen!

    • Das ist durchaus und auf gar keinen Fall ein peinlicher Porno, das ist die hohe Kunst der Literatur! (Bei Ihnen doch sicher auch, oder!) Bei Lesungen gab es sogar heftige Wortwechsel, damals. Aber kommen Sie ruhig darauf zurück, ich bin gespannt 😉

    • Selbstkritische Pornographische Literatur .. … ich habe unlängst “Pornos machen traurig” von Peter Redvoort als Rezensionsexemplar in die Hände bekommen – und das ist einmal ein Roman, in dem der Pornographiekonsum selbst recht offen thematisiert wird …

      Hannelore

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