Auch wenn es ein Mann ist, der das Wort in den Mund nimmt, und männliche Beispiele anführt als jene, die Opfer bringen, gebracht haben, um Wert zu schaffen: ich denke unwillkürlich, alle Frauen wissen, von was er da spricht, auch wenn sie’s, wenn sie auch nur ein bißchen Lebensglück haben, nie Opfer nennen würden, vielleicht sich selbst, doch nie ihren Kindern und nicht der Welt gegenüber.
(Ich lass’ den Bauch mal beiseite – zum Empfangen und Gebären hat Melusine bedenkenswerteres zu sagen und Sie alle, werte Leser:innen, die Mütter sind)
Wir kaufen uns also unsere Lebnisse, statt sie zu er-leben, sie im Schweiße unseres Angesichts dem Gehirn, dem Körper zu entreißen, und wo dieses Wagnis nicht enthalten ist, entsteht kein Wert. Wo Behaglichkeit ist, entsteht kein Wert. Wo etwas leicht zu haben ist, ebensowenig. Wo für das Ersehnte kein Schaden an Leib und Seele “in Kauf” genommen wird, entsteht kein Wert.
Beispiele dafür gibt’s zu Tausenden. Und doch würd’ ich lieber ersticken, als das Wort in den Mund zu nehmen: Opfer. Sie sind unausweichlich, doch warum darüber sprechen? Gesprochen wird immer nur zum Zwecke der Manipulation. Wer will, soll sie erbringen, für den Everest, das Meisterwerk, den Weltruhm. Die Idee, etwas zu schaffen, das die eigene Lebensspanne überdauert. Unbedingt! Wir wären schrecklich dran ohne die Unbedingten. Als Waffe eingesetzt find’ ich’s allerdings problematisch – immer geraten da jene ins Hintertreffen, die den Weg geringeren Widerstands gehen wollen (oder nicht anders können): die sind für Opferbringer:innen die reinste Provokation. Denn mit dem Opfer geht gerne einher ein fieser Kandidat: Das Recht.
“Ich hab bitter bezahlt. Die Ware steht mir zu.” Doch was ist die Ware – und wer handelt mit ihr? Und wird sie nicht ebenso gerne als Statussymbol vor dem Publikum geparkt wie der Lamborghini des Neureichen vor dem Café?
Es ist im Sprachgebrauch eh nur noch die Hälfte vom Opfer übrig, und jene andere, die immer unsichtbarer wird, lässt mehr in mir anklingen:
Gabe.
Darbringen.
Fließen, nicht reißen.
Geht das?
13:34
Drüben in die Dschungel hat eine gewisse Edith88 unter ANH’s heutigem Reiseeintrag eine Attacke gegen mich geritten.
Interessant – was haut die Frau nach mir, ohne dass ich sie provoziert hätte (?) (Edith? Wo sind Sie? Kommen Sie zu uns! : )
Ich musste einfach antworten, die Sache hat mich irritiert amüsiert.
Immerhin – Frau 88 hat einen Impuls ausgelöst, der mich nur selten überkommt – mir einen neuen Nick zuzulegen:
Dr. Lola Stein.
(Marguerite Duras Leser:innen werden ahnen, wo er herkommt : )
22:34
Ich möchte … ach …
Verschwendung statt Opfer Liebe Phyllis,
was Sie oben zitieren, habe ich auch gelesen heute Morgen. Das Unbehagen beim Wort “Opfer”, gerade wie Sie es hier beschreiben, sofort war es da. In den alten Religionen brachten sie “Opfer” dar, um die Götter versöhnlich zu stimmen. Da sieht man es doch: Opfern ist immer ein Tauschhandel. (Nur noch nicht mit Geld; das entfremdet freilich noch mehr vom Gebrauch.) Und insofern entkommt, wer so “opfert” niemals der “Warenwelt”. Man muss raus aus dem Handel, der nur durch die Mangelwirtschaft notwendig wird. Verschwendung statt Opfer! (das hieße auch: sich aus dem Überfluss denken).
Auf der Fortbildung, die ich schon mal erwähnte, gab es eine Übung. Man sollte den Satz vervollständigen: “In meinem Leben habe ich auf……… verzichtet, weil ich eine Frau/ein Mann bin.”
Können Sie sich das Ergebnis denken? Alle Frauen konnten die Lücke füllen, keinem der Männer fiel etwas ein (außer einem, dass er im Stimmbruch aus dem Chor geworfen wurde). Es gibt Opfer. Es gibt keine Gründe sie zu feiern.
Fließen, nicht reißen. Ja.
Über das Geben sprechen wir ja nicht zu ersten Mal. Im Juli entspann sich aus dem “Wofür?” ein langes Gespräch mit vielen Stimmen.
Istwelt, Sollwelt, Warenwelt.
Stattdessen, ja, sich aus der Fülle heraus denken. Ich glaube, wir können das, doch ohne Glauben wird das Auffüllen schwierig. Etwas irrationales muss her, um die Logikketten der Warenwelt zu relativieren. Religiosität, in welcher Form auch immer. Wenn es nicht nur darum gehen soll, dass Einzelne das schaffen, sondern eine relevante Anzahl von Menschen.
Unser christlicher Glaube baut nun aber auf genau diesem auf: dem Opfer. Dem größten, sozusagen.
In meinem Leben habe ich auf die Beantwortung solcher Fragen verzichtet, weil ich ein Mensch bin und mich solche Überlegungen persönlich gar nicht weiter bringen, weil sich danach ja eh keine Sau verantwortlich fühlt, da mal was am Mangel zu ändern und Verzicht zu beheben und die Essensmarken für die Kantine haben auch nicht für die Woche Fortbildung gereicht, in diesem verschissenen Hintertüpfelhausen, wo man Leute von Fortgebildeten fortbilden lässt, ach macht doch euren Mist allein.
An einem Herbstabend in Leichlingen bedrohten sich der Seminarleiter und eine Seminaristen mit Thermoskannen, niemand wurde verletzt, allein Teebeutel machten die Reinigung eines Anzuges nötig. Frau Struck zog dann noch ihre Unterhose aus und verließ den Raum.
Verzerrt einzugebende Wort: usxed. So jetzt hoat siachs ussext, aber ei für alle moal.
Dass ich ein Mensch bin, …kann ich nicht direkt bestreiten. Es interessiert mich nur, so lange die meisten Definitionen vom “Menschen” unausgesprochen vom Mann ausgehen, weniger, als dass ich eine Frau bin. Was ich schön finde.
Ich auch. Sowohl dass Sie, als auch ich welche sind.
Frauen.
Falls das nicht klargeworden sein sollte.
“Erfundene Fortbildungen”, oh, unbedingt fotografisch festhalten, das toppt die Blumes!
Verzerrtes Wort: go to, aha, aber wohin denn? Die Dinger sind besser als das Delphi, ich werde künftig verzerrte Worte befragen.
Mist, hat nicht gefunzt, zweites verzerrtes Wort: bals, womit das ausgesexte auch widerlegt wäre.
Gabe. Darbringen. Diese Funktion des Geldes hat sich in unserem Kulturkreis – meines Wissens nach – nie etabliert. Im Gegensatz dazu wird beispielsweise in Teilen des polynesischen Kulturraums die Bezahlung als ausdrückliche Anerkennung des Nehmenden für den Leistenden verstanden. Geld wird dort mit beiden Händen und direktem Blickkontakt als Form einer Würdigung übergeben und in diesem Verständnis auch angenommen. Diese Menschen leben miteinander und voneinander. Sie opfern beständig und fließen.
Hingegen ist hier bei uns das Geld zum Trennmedium schlechthin geworden. Mit der Bezahlung wird von Nehmenden jegliche Beziehung zum Leistenden unterbunden oder verhindert. Das rührt wohl aus dem Schuldrecht her und dem sich verstärkenden Bedürfnis, ungebunden (im Beziehungssinne) und unschuldig (= unabhängig) zu sein. Individualismus eben. Die Rechtsbestimmungen werden dann auch nicht mehr als stützende Richtlinien zur Schadensvermeidung im beziehungsvollen Zusammenleben wahrgenommen, sondern als anonyme Anspruchsquellen. Daher rührt übrigens die Perversion des Opferbegriffs, dem ich die Analogie der fußballerischen “Schwalbe” beigebe. Denn einer der Glaubenssätze dieser Menschen – insbesondere der sogenannten Leistungsträger – lautet: “Es steht mir zu, weil ich b i t t e r bezahlt habe.” Daran knüpft ein weiterer Glaubenssatz: “Wer nicht leidet, dem steht n i c h t s zu.” In diesem selbstgewählten Gefangensein im Schuldglauben irrlichtern diese Menschen durch das Leben und grapschen gierig nach allem, was sie vermeintlich befreien könnte. Sie opfern nichts, sondern reißen.
Fließen und verschwenden ist schöner.
Der berühmte polynesische Kulturraum, wiederholt schon kam er mir unter als Beispiel einer anderen Verhaltenskultur.
Dagegen Geld als “Trennmedium”: wie fürchterlich, eigentlich. Und doch scheint uns ja genau diese Konstruktion zu befriedigen, sonst würden doch häufiger mal außerhalb der Seminare grundsätzliche Fragen gestellt.
Hm.
Wir sind schwer mobilisierbar. Nur als Einzelne. Manche von uns.
@ Edith Achter Edith88 ist es – selbstverständlich – nicht, doch erinnert mich Heilmanns Gefährtin ein wenig an diese: Kamp und Krampf ( http://gleisbauarbeiten.blogspot.com/2010/10/edith-achter-kampf-und-krampf.html ) Auch klaute ich von ihr (also der 88er) die schöne Formulierung: “erotische Verlorenheit”.
welch schöne Formulierung… Einer solchen Frau will man doch nicht grollen, nicht wahr?
p.s. Auch die “sonderbare Erregung”, die sie mir andichtet, will ich schon jetzt nicht mehr missen.
Ich mag niemals Opfer sein. Notfalls treffe ich Entscheidungen, die wenigstens den Anschein erwecken, ich unterläge nicht einem fremdbestimmenden Schicksal. Ich mag keine Opfer bringen, sondern mich einbringen, auch wenn es manchmal in Vergeblichkeit endet.
LG tinius 😉 Ich dachte mal, ich passe mich an. 😉 LG tinius
Schön. Ich mag es nämlich eigentlich ein wenig persönlich, gerade wenn ich jemanden mag und schätze. 🙂 LG tinius
Welches Opfer brachten wir eigentlich, als wir uns verliebten, sofern es mal nicht unglücklich war?
Manch schwarzes Schaf findet ja auch mal ein blindes Huhn.
Der Mythos von Mühe scheint mir doch auch ein sehr katholisches Erbe, im Schweiße Deines Angesichtes. Rückblickend fielen mir die glücklichsten Momente meines Lebens allerdings völlig unverdient und anstrengungslos zu, und so manche Anstrengung ließ mein Belohnungszentrum, was darob entsetzlich nölte, unbelohnt im Regen stehen. Frau Kiehl, ihre geschmeidige Art des Widerspruchs gefällt, sie versteht widrige Kräfte durchzuleiten, asiatischen Kampfsportarten nicht unähnlich.
sowieso, p.s. Es ist, glaub’ ich, weniger der Katholizismus als Herr Calvin, der uns den Mythos von der Mühe so erfolgreich aufgedrückt hat, dass wir glauben, es sei der Hals, der uns so drückt, und sehen das Joch gar nicht mehr.
ach, düt kan doch jedem passieren…
Wird unterschrieben!
(Wo ist denn Ihr nettes LG Tinius geblieben?? : )
Ich erhebe mein Glas auf alle verliebten schwarzen Schafe. Und blinden Hühner. Wenn ich’s mir recht überlege, möchte ich sie hiermit segnen:
Was die Geschmeidigkeit anbelangt, machen Sie mir eine große Freude, an der liegt mir nämlich viel.
@ sowieso, ich bestreite hiermit, dass es sich ausgesext hat, aber heftig, und wenn das verzerrte Wort noch so dringlich darauf hinweist.
Womit die wichtigste Frage schon geklärt wäre.
Mit Fortbildungen kenne ich mich ziemlich wenig aus – ich erfinde welche : )
Nicht doch, Tinius, hier muss nicht angepasst werden! : )
Sehen Sie, ich auch. Sonst hätte ich ja keine Anmerkung dazu gemacht.
Seien Sie desgleichen versichert – auch wenn das LG weiterhin Ihnen vorbehalten bleiben wird – es gehört einfach nicht zu meinen Gewohnheiten : )
Ach, stimmt, düt waaan ja Protestantens, ich armes Heidenkind werfe aber auch alles durcheinander.
Absolut genialer Einfall, die verzerrten Worte als Orakel herzunehmen.
Balsend, bitte, wenn möglich, das potenziert die Phantasieleistung.