TTag, 6. Juli 2010. Flugdrachen. Und Gedichte.

Die Vorhänge bauschen, ein Wind, ein kühler sogar. Der gestrige Tag war voller Verweigerung, nicht einmal den Anrufbeantworter hab’ ich abgehört, nur meine Freundin versuchte ich zu erreichen, die heute operiert wird; sie nahm aber nicht ab. Ich werde einfach später ins Krankenhaus fahren. Das Lämpchen des Anrufbeantworters blinkt immer noch, doch ich gelobe, ich drücke den Knopf gleich, wenn ich diesen Beitrag geschrieben habe.
Der nur ein kleines Winken in den Morgen ist, liebe Leser:innen; ich werd’ mich gleich für den Termin bei der Stiftung fertig machen.
Die gestrige Nacht übrigens – Sie werden es an der Kommentarfolge sehen – war anscheinend eine sehr angenehme für gewisse Gäste von TT: da waren Freunde und schwere Rauchwaren involviert und man nahm den letzten L.-Brief zum Anlass, sprachlich auch die letzte Bremsstufe hinter sich zu lassen. Da die Sache recht spät vor sich ging, lass’ ich sie mal stehen: die benebelten Beiträge flattern als nächtliches Ende der Kommentarfolge wie diese Schleifen, die an den Schwänzen von Kinderdrachen befestigt sind. So what.

So. Duschen. Anziehen. Und, ach ja, die Nachrichten abhören…

Wir sprechen uns später!

16:00
Die Gartengrasmücke singt. Jede Stunde ein anderer heimischer Singvogel: Geschenk meiner Mutter, eine Wanduhr. Besucher, die zum ersten Mal hier sind, wundern sich immer, wer bei mir so alles zwitschert.
Bin zurück von der Teamsitzung. Alles besprochen, vorgeplant, jetzt muss ich meine Texte und Interviews für Juli und August konzipieren, schreiben, in Reihenfolge für die Publikation auf der Homepage bringen.
Ich liebe diese Arbeit. Das Team ist klein, nur Frauen, g u t e, kluge, motivierte Frauen. Ein Privileg, so arbeiten zu dürfen. Als ich selbst. Dass niemand heute sagte: also von K**** aus, Frau Kiehl, das war aber, na ja, eher Standard, was Sie da an Texten geliefert haben. Den Schuh hätte ich mir sofort angezogen: ich hab’ in der Fremde zwar sorgfältig, aber nicht originell geschrieben. (Meine offizielle Arbeitsanweisung lautet: “Kreativ, sorgfältig und schnell!”) Na, diese Scharte, die mir niemand vorwarf, werde ich in nächster Zeit wieder wettmachen.

Noch ein Wort zu Gedichten: Sie werden sehen, eines steht als Kommentar unter diesem Text. Als ich zurück kam, war ich sehr versucht, mit einer Variante zu reagieren, fragte aber natürlich erst beim Autor nach, ob ihm das recht wäre. War es. Bin mal gespannt, ob Sie was dazu sagen (?) Oder selbst mal eines schreiben?
Ich mag Gedichte. Man braucht etwas Courage, aber.
(Oder Drogen ; )

23 Gedanken zu „TTag, 6. Juli 2010. Flugdrachen. Und Gedichte.

  1. Nachbrennen
    Der Blick ertränkte sich seufzend
    in den Bildern, die stetig vorüberzogen.
    Faltete Gedankenschiffchen
    und stubste sie hinaus in die Strömung.

    Wollte mich zerklirren
    wie eine matte Kristallkugel
    am Ende ihres Falls auf Stein platzend.
    Und splitterweise mitfahren.

    Dann mit den Fingern den Fluss seihen
    nach Streifen zerrissener Seele.

    Geduldig des Ankommens harren,
    Temperatur annehmen.

    (mich eines kleinen Textchens … – entbindend)
    ((dilettantisch experimentierend, gewissermaßen ; ))

    • Nachbrennen, Variation .
      Mein Blick tränkt sich
      mit den Bildern, die stetig vorüberziehen.
      Faltet Gedanken, stubst sie hinaus.
      Strömung.

      Lass mich mattes Kristall
      zerklirren
      auf Stein platzend
      in jedem Splitter noch: sein.

      Später mit den Fingern den Fluss sieben
      nach dem Blinken geborstener Seele.

      Geduldig des Ankommens harren.
      Temperatur annehmen.

      (Das sei bittschön keine “Verbesserung”, sondern eine Replik aus dem subjektiven Gedankentakt heraus : )

    • *lacht*
      Es ist I h r Gedicht. Versinken Sie also in Andacht vor sich selbst ; )

      Vollblut-Dichter:innen wie parallalie oder read an würden wahrscheinlich sowohl Ihre als auch meine Fassung freundlich belächeln… aber wer sagt, das Dichten sei nur den Profis vorbehalten? Schade wäre das.

    • *wieder auftauchend*

      Naja, also – hmm…
      ich sehe klobige Pranken das Wasser wahllos verwirbeln
      und grazile Finger die Strömung ruhig teilen.

      Aber so ist das eben, schreibende Kleinkinder haben zu Beginn schon Freude am reinen “Plantschen”, nicht wahr ; )

    • Vielleicht sollte ich noch erklären, dass ich auch eben aus sowas wie einem Urlaub zurück gekehrt bin, eine Ankunft, sagen wir: bewältige. Mein Textversuch ist aus dieser Ecke heraus motiviert und suchte wohl deshalb die Nähe.

    • Das, was Sie Ihren Textversuch nennen, hat eigentlich keine erklärende Stabilisierung nötig: ich denke, die darin enthaltenen Empfindungen kennen wir alle. Hoffentlich “versuchen” Sie weiter, sich in dieser poetischen Form auszudrücken – sie passt zu Ihnen. Zu dem, was Sie bisher über Kommentare hier und anderswo von sich gezeigt haben.
      Willkommen zurück! Was auch immer da zu bewältigen ist, wird schreibend besser gelingen.

    • nun war ich während der zweiten halbzeit ja selbst versucht, weil Sie, phyllis, mich da nun mal ins kleingedruckte geschickt haben. profi indes ist ungerecht und macht einen zum sportler: nee! arbeit und immer wieder arbeit an bildern, sich wiederholen bis zum erbrechen. und da kam mit dem material (hans und Ihnen sei dank) sowas heraus, was überhaupt sich anders hinstellt. belächelt habe ich nichts:

      birst bild
      mit jedem bild

      licht zittert
      gedanken
      splittern

      aber ruhig
      fließet der rhein

      die hand
      am reißverschluß
      der sich
      schließende
      kragen

      vielleicht könnte ich als variante “rijn” vorschlagen, auf holländisch, wegen der zweiten halbzeit. und pipapo.

    • Ich möchte Ihnen noch gerne eine Rückmeldung zu Ihrer Variation geben, liebe Phyllis: durch die “Zeitenverschiebung” legten Sie mir die Erkenntnis in die Hand, wie sehr ich unbewusst um Distanzierung bemüht war. Es ist aber. Das geht mir intensiv unter die Haut.

      Den gesuchten Abschluss kann ich im sich schließenden Kragen erahnen, wie es parallalie beschreibt. Dazu denke ich mir noch Hände, die sich in Jackentaschen vergraben – dann umdrehen, entschlossen aufbrechen…

    • @hans & parallalie Was ich nun an parallalies Version spannend finde ist, wie schmal es geworden ist. Wie ein Giacometti so schmal. Und hat trotzdem alle Aussagen noch drin, nur eben giacomettisiert.
      Das Bild, das entsteht, ist nun für mich kein Kristall mehr, sondern das eines Gletschers … bersten … splittern
      dazu der Rhein, fast ironisch, und der Kragen zum Abschied – ein einziges Bild und ein höchst schlichtes, aber der Abschied s i t z t.
      Das Ich in diesem Text ist gefasst, nicht verwundet: wirklich eine Variation.
      Na ja.
      Bin noch nicht in Form.
      Kaffee.

    • man muss aufpassen, dass die drogen nicht in die falschen hände geraten, werte miss talents – ergo :
      keine macht den drogen!

      naja

    • für mich als strikter opiatvermeider ist tabak die suchtdroge schlechthin.
      also auf alles an drogerei könnte ich problemlos verzichten, müsste dies sein, aber vom tabak bekomm ich echte, wahrhaftige & einzigartige entzugserscheinungen.
      nun die einen brauchen vielleicht dieses frauenparfum was stark nach schokolade riecht für ihre positive nucleus accumbens stimulation, mir reicht schon dieser geradezu pyramidale duft, der aus den gewissenhaften bröseleien unserer verehrten miss mary aufsteigt. 🙂

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