Valery: „Was ist das eigentlich, selbst bestimmt sein?“
TT: „Sprechen wir über den idealen Zustand“
Valery: „Bitte, ja.“
TT: „Das wäre jener, in dem die grundsätzliche Dynamik des eigenen Handelns aus freiwilligen Entscheidungen heraus entsteht.“
Pause.
Valery: „…..und die ganzen Verpflichtungen?“
TT: „Eine Frage der Benennung und der Interpretation.“
Valery: „Natürlich. Verzeihen Sie.“
TT: „Lassen Sie das! Wir führen ein Gespräch. Achten Sie darauf, nicht passiv zu werden in Ihrem Gesprächsanliegen. Was ist Ihr Thema?“
Valery: „Selbstbestimmtheit.“
TT: „Gut.“
Valery: „Sie sagten, die ideale Form von Selbstbestimmtheit sei Freiwilligkeit.“
TT: „Das sagte ich.“
Valery: „Ich möchte mehr darüber wissen! Ich… Alles, was ich mache, besteht zu neunzig Prozent aus Pflichten, Notwendigkeiten und Verbindlichkeiten.“
TT: „Beispiel?“
Valery: „Alle intelligenten Leute tun, was sie wollen, und nur die einfach gestrickten werden von anderen manipuliert. Dachte ich immer. Aber ich werde selbst auch ständig gegängelt!“
TT: „Ich fragte nach einem Beispiel.“
Valery: „Ausgesaugt! Wie in dem Film Matrix, verstehen Sie? Ich träume. Und während ich träume, ernähren sich die anderen von meiner Substanz.“
TT: „Dann wachen Sie mal auf…“
Valery: „Sie sollen mich ernst nehmen!“
TT: „Das tue ich. Doch Sie müssen präziser werden. Ich frage nach Ihren eigenen Erfahrungen, nicht nach einem Hollywood-Film. Nun wiederhole ich: Was gibt Ihnen das Gefühl, Ihr Leben nicht in der Hand zu haben?“
Valery: „Alles. Was die Leute von mir erwarten. Fremde. Arbeitskollegen. Alle, die ich lieb habe. Die erwarten, dass ich so bin, wie sie mich sehen.“
TT: „Und haben wollen…“
Valery: „Um ihr Bild von mir bestätigt zu kriegen, setzen sie alle möglichen Hebel an. Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll.“
TT: „Na, so ein Schäfchen.“
Valery: „Man merkt es nicht rechtzeitig! Ich sag’s Ihnen! Haben Sie mich nicht eben auch gemaßregelt? Sie wollten unbedingt ein Beispiel dafür, wie fremdbestimmt ich mich fühle. Dann sage ich, so wie in diesem Film, Matrix. Das hat Ihnen dann aber nicht gepasst. War das etwa keine Manipulation?“
TT: „Ich ermutige Sie, bei sich selbst zu schauen und eigene Bilder zu entwickeln. Die sind im Zweifelsfall nicht so spektakulär. Es ist auch weit anstrengender, eine individuelle Form für das eigene Gefühlsleben zu erfinden, als sich mit einer Figur in einem Kinofilm zu identifizieren. Doch diese Anstrengung wird Ihnen mehr Substanz verleihen.“
Schweigen.
Valery: „Okay, also, ganz banal jetzt. Eigene Erfahrung. Wenn sie“
TT: „Wer?“
Valery: „Ist doch egal! Wenn mir eine Person auf Band spricht, einmal, zweimal, dann zwei Tage Pause, dann wieder. Immer wieder. Ich bin aber vielleicht gerade nicht in Stimmung, zurückzurufen, okay? Hab vielleicht viel zu tun. Ich behalte im Hinterkopf, dass sie mich sprechen will. So. Wenn ich Lust habe, werde ich zurückrufen. Ist schließlich kein Notfall.“
TT: „Und dann?“
Valery: „Ich vermisse dich, sagt die Person. Hab schreckliche Sehnsucht nach dir. Wann sehen wir uns. Ruf an. Alles auf meinem Band. Nicht einmal, sondern immer so gesteigert, wissen Sie? Wenn ich das abhöre, wird mir von Mal zu Mal mulmiger. Das ist doch emotionale Erpressung, oder?“
TT: „Na, vielleicht auch einfach Impuls. Zuneigung, ganz unverstellte. Was macht Sie denn daran so aggressiv? Die meisten Leute werden ganz gerne vermisst.“
Valery: „Ich nicht! Ich vermisse auch niemanden!“
TT: „Na, na. Jetzt bleiben Sie mal auf dem Teppich.“
Valery: „Da! Sie machen es schon wieder! Sie maßregeln mich für ein Gefühl, das ich formuliere, weil es nicht dem entspricht, was Sie glauben, was ich empfinden sollte!“
Pause.
TT: „Mag sein. Trotzdem reagieren Sie recht unverhältnismäßig. Darf ich Sie an den Anlass dieses Gesprächs erinnern? Es ging um Freiwilligkeit.“
Valery: „Genau. Es fängt an beim telefonieren und endet, keine Ahnung, im Beziehungsleben, Beruf, wahrscheinlich endet es gar nicht! Die Erpressung. Die Manipulation.“
TT: „Ich weiß.“
Valery: „Das Einzige, was ich will, ist eine Methode, wie ich mich dieser Manipulation entziehen kann. Ich will dem nicht ausgesetzt sein. Wie machen Sie das denn? Wie schaffen Sie es, so frei zu sein?“
TT: „Die Frage ist, welchen Preis man dafür zu zahlen bereit ist. Wer keine gängigen sozialen Vereinbarungen bedienen will, muss neue Maßstäbe entwickeln. Sie mit Begriffen und Handlungen bekleiden. Eine Methode gibt es dafür nicht. Eher die Bereitschaft, selbst zum Schöpfer zu werden.“
Valery: „Anstatt immer nur zu reagieren auf das, was die anderen…“
TT: „Treten Sie heraus aus dem Reaktiven, der Passivität. Das ist ein guter Anfang.“
Valery: „Und wie soll ich das machen?“
(…)