Wird Zeit, dass Madame in ihr Pariser Atelier abtaucht.
Weil die Träume in letzter Zeit immer wilder werden und die Tage immer wortkarger.
Denn das war kein Teenager-ich-hab-mein-Pferd-lieb Traum heute Nacht, sondern ein Wutschrei.
Und an Wut, das weiß ich zufällig, kommt Madame nur ran, wenn sie sich gehen lässt.
Sich gehen lassen.
Was für ein Versprechen.
Sich gehen lassen.
In die Stille der All.Ein.Samkeit.
Platz nehmen auf jenem nackten Stein,
den alle kennen und ängstlich meiden.
Die Trense aus dem Maul nehmen,
das Zaumzeug ablegen.
Wut zu Zorn schärfen
in wachsender Gewissheit,
die Zügel selbst geführt zu haben.
(führen, fahren, fahren lassen… was denn? wohin denn?)
Sich besinnen,
sich aufrichten,
die Zähmung verweigernd
sich gehen, ohne zu lassen.
Platz aufgeben,
Raum greifen.
Bin gespannt, wann ich den Arsch hoch bekomme.
In den vergangenen Monaten habe ich aktiv zu träumen gelernt. Während der Phase des Aufwachens, welche mit dem Hören beginnt, kann ich mittlerweile Träume halbbewusst intensivieren.
Das “runter von meinem Pferd” würde darin so ablaufen, dass ich mit einem Stock den imaginären Reiter energisch herunterzustoßen versuchen würde. Oder, anders geträumt, ich würde den Sattel abzunehmen versuchen, indem zuvor eine unbefugte Person saß. Jene unbefugte oder auch imaginierte (das heißt, auch im Traum nicht “real” vorhandene, aber präzise identifizierbare) Person repräsentiert eine angemaßte Autorität. Das stolze Ross, hochgewachsen und kraftvoll, zeigte mit seinem unruhigen Schnauben und Tänzeln, den Kopf hin und her werfend, die Notwendigkeit an. Die Notwendigkeit zur Intervention, zur Befreiung von Unautorisiertem.
Noch im Traum würde mir als Traumakteur klar geworden sein, dass dieses Ross mich selbst darstellt. Umso energischer fiele deshalb die Intervention aus – und wutentbrannt. Im vollendeten Aufwachen, wenn sich also vollständige räumliche und zeitliche Orientierung eingestellt hat, ist die Wut noch spürbar. Sie lebt mit dem Traumbild noch einige Minuten fort. In dieser Zeit vertieft sich der konzentrierte Einblick, in welche Richtung befreiende Energie mit Gewinn einzusetzen sei. Dann bündelt sich die Wut zu konservierbarem Zorn, der sich zum adäquaten Zeitpunkt schließlich als dienstbar erweist.
@Textflüsterer Der Unterschied zwischen Wut und Zorn interessiert mich, und auch der Umgang mit Träumen. Merci für Ihre Reaktion: Sie ahnen sicher, dass mir solche tastenden Texte sehr liegen. Und das Bild, das die Formulierung
Platz aufgeben,
Raum greifen
in mir wachruft, ist wirklich grandios. Sanssourir lässt grüßen …
Mit einem Lächeln:
Phyllis
Zum Unterschied zwischen Wut und Zorn schwebt mir ein Gedankenbrocken vor Augen, den ich auf der anstehenden Tagestour ausführlich bemeißeln will.
Ob Sanssourir das auch so sieht, dass der “Platz” eine verschwenkbare zweidimensionale Projektion meint und der “Raum” eine weitere Empfindens-, Denk- und Handlungsdimension aufdrängt, würde wiederum mich sehr interessieren. Fragen Sie danach, bitte.
Muss los jetzt, bis später!
Bei der Behauerei ist das herausgekommen:
Wut gleicht dem Nebel bildenden Auskondensieren von Wasserdampf als Folge eines plötzlichen Implosionsunterdrucks.
Zorn hingegen beschreibt die einem Stachel anhaftende Ablagerung von Wut in dem Moment, da die Ablagerung als Antithese formerhaltend abnehmbar wird.
Ui, Textflüsterer. Darüber muss ich, gelinde gesagt, erst einmal nachdenken jetzt.
die zeiten werden gediegener, sie werden ( diese zeiten ) gleichgeschalteter, die zeiten werden in ihrer gleichschaltungsvirtualität noch gediegener mit den kleinen balkonen der zurückgezogenenm primitiven
abgrenzungserzogenheit, gleichgeschaltet der architektur des klimatisierbaren grauens.
wohlbekomms
will sagen paris is not they answer – is just a little bit more on they strait ( street )
@Schizzo Ein Ort kann nie Antwort sein, da gebe ich Ihnen recht. Aber Ihre Kommentare auch nicht, sie sind immer apodiktisch und tendenziell von oben herab. Doch welchem oben? Wir kennen uns nicht, Lobs, wir wissen nur voneinander, das ist kein Ersatz für wirkliches Kennen.
Meistens versteh’ ich zu wenig von Ihren Überlegungen, um überhaupt antworten zu können, dieses Mal meine ich, etwas mehr zu verstehen, deswegen reagiere ich auch darauf. Und sage hiermit, mit “den Zeiten” von Gediegenheit und Gleichschaltung hab’ auch ich zu kämpfen, frage aber: Was hat das mit mir zu tun?
Im übrigen brauche ich keine Antworten. Ich brauche neue Fragen.