Jedes Mal, bevor ich loslege, überlege ich, wie privat meine Sachen werden dürfen, und müssen, um interessant zu sein – und wie diskret sie zu sein haben, um eine gewisse Haltung bewahren zu können: Angesichts der unzähligen online-Schreiber, die ungeniert ihr Privatleben teilen. Wenn nicht schlimmeres.
In den ersten Jahren nach meinem Studium habe ich öffentlich aus meinem, na ja, nennen wir’s ruhig Tagebuch, gelesen; da war ich noch nicht so spröde. Hinterher kamen immer Leute und sagten, sie hätten sich wiedergefunden in meinen Texten. Sie wünschten sich (ganz offensichtlich), dass jemand (an ihrer statt) die Vorhänge zurückzog vor den Intimitäten und Verwirrungen, den Ungereimtheiten, den Zweifeln, die uns alle plagen.
Heute frage ich mich schon, in welcher Weise es mir schaden könnte, hier zusätzlich zu meinen unverfänglichen Texten Räume privater Natur zu öffnen. In die dann alle (die Wohlmeinenden und die Hinterhältigen) hineinstolzieren könnten. Warum, würden diese Leute mit Recht fragen, machst du sie denn auf, deine Räume, wenn du nicht willst, dass man reinkommt?
Ja, warum?
Warum überhaupt Privates? Man könnte ja auch einfach Buchbesprechungen schreiben. Oder Kochrezepte. Oder feinfühliges, über die Katze. Oder sich ins Gewand scheinbarer Objektivität hüllen und Themen bearbeiten. Doch wozu? ich will keinen Buchclub, keine Kochgruppe, keinen Katzensalon gründen.
Ich will euch gewinnen, mit Tainted Talents, als Leser. Mit der Zeit. Ich möchte, dass ihr euch an mich gewöhnt. Dass ihr mitverfolgt, wie ich darum ringe, dieses Ding überraschend und lebendig werden zu lassen, für mich und für euch. Ihr seid mein erstes Publikum: Was ich hier schreibe, ist frisch. Kann sein, dass ich Texte, die hier entstehen, zu einem anderen Zeitpunkt noch einmal veröffentliche, aber ihr seid die ersten.
Und nach und nach, während ich mich in mein neues Medium finde und dieses Blog zum Funkeln bringe, könntet übrigens auch ihr ein bisschen auftauen: Legt euch ein neues Pseudonym zu und schreibt gelegentlich mal einen Kommentar. Oder gebt den Link weiter. Ihr seid ganz schön träge. Ich glaube, dieses Blog wird nur prall, wenn auch ihr euch hin- und wieder mal regt. Auf irgendeine Weise…
Schon gewonnen! Liebe Phyllis, mich hast Du auf jeden Fall schon gewonnen!
Ich glaube das ist so eine Sache mit den comments. Aus dem selben Grund wie es mit den blogs brenzlig ist, wie privat wird man, wie macht man das?
Ich schreibe Dir aber jetzt mal ganz privat und ganz öffentlich:Toll! Bitte bloggen, ich lese mit dem allerallergrößten Vergnügen!
xxx
claude
Freut mich natürlich ungemein. (“ungemein”, auch so ein veraltetes Wort, muss sofort auf meine Liste)
Aber noch eine Anmerkung zu den Comments: Die Anonymität, die ein Pseudonym verleiht, gibt einem doch alle Freiheit. Ich selbst hab’ mir natürlich auch überlegt, mir für diesen Kontext hier einen Kunst-Namen zuzulegen – doch wo bleibt dann die Nachdrücklichkeit? Und das Risiko? Also dagegen entschieden –
immer schon Hallo Phyllis,
ich lese doch schon mit; fast von der ersten Stunde ab, und warte fast jeden Tag auf neue Texte. Und manchmal muß ich tagelang an Deinen Gedanken entlangdenken. Fast unheimlich.
yep. Im besten Fall bewegt sich der Gedanke schneller als man selbst und entwickelt so eine gewisse Zugkraft, für ein Weilchen. Eine Art Doping 😉
prall? In Ordnung. Mache das hier gerne mit prall. Ich mag das Frische.
Aber Namen, URL und verzerrtes Wort eingeben dauert halt doch laenger als bei Livejournal 🙂