Heute flog mir via >> Klaus Walter ein Textausschnitt des Philosophen>>Maurizio Lazzarato in den Kasten. Er beschäftigt sich mit dem Begriff des ‘umherschweifenden Produzenten’.
»Hier finden sich kleine und kleinste produktive Einheiten, häufig nur eine Person, die sich zu Ad-hoc-Projekten organisieren und gegebenenfalls nur für die Dauer eines bestimmten Vorhabens existieren. Der Produktionszyklus selbst ist dabei abhängig von der kapitalistischen Initiative; sobald der ‘Job’ erledigt ist, löst sich der Zusammenhang auf in jene Netzwerke und Ströme, die den produktiven Vermögen die Reproduktion und soziale Ausdehnung ermöglichen.
Prekäre Beschäftigung, Hyperausbeutung, hohe Mobilität und hierarchische Abhängigkeiten kennzeichnen diese metropolitane immaterielle Arbeit.
Unter dem Etikett ‘nicht abhängiger’ oder gar ‘selbstbestimmter’ Arbeit verbirgt sich tatsächlich ein intellektuelles Proletariat, das aber als solches höchstens von den Kapitalisten (an-)erkannt wird, die es ausbeuten. Bemerkenswert ist noch, daß es unter den skizzierten Bedingungen zunehmend schwierig wird, freie Zeit von Arbeitszeit zu unterscheiden – in gewissem Sinn fällt das Leben mit der Arbeit in eins.«
Mit Lazzarato hab ich vor Jahren mal in Bilbao an einer spektakulären interdisziplinären Konferenz teilgenommen, ins Leben gerufen von >>Clementine Deliss, die eine der Ersten war, die meine Texte publiziert hat. Das Besondere – eine der vielen Besonderheiten der Konferenz – war, dass jeder Teilnehmer im Vorfeld einen schriftlichen Zwischenstand dessen einreichen musste, an dem er gerade arbeitete. Wir waren 24 Teilnehmer – Künstler, Kuratoren und Philosophen – und jeder von uns bekam diese Unterlagen in Form 24 rot gebundener A5-Hefte per Post vorab.
Die Sache endete nach drei höllisch anstrengenden, leidenschaftlichen Tagen im Éclat, und wie.
Egal.
Warum ich das erwähne? Weil Lazzarato am zweiten Tag morgens beim Frühstück drei Worte sagte, die mir als Glanzstück intellektueller Arroganz ewig im Gedächtnis bleiben werden – Jahre später weiß ich immer noch nicht, ob ich beeindruckt oder beleidigt sein soll.
Wir waren alle kaputt vom Vortag und der Nacht in Bilbao, die wir reichlich ausgekostet hatten, hingen etwas apathisch in den Frühstückssesseln. Lazzarato kam, nein schnürte herein; ein Blick zum Serviermädchen und er hatte seinen Espresso vor sich. Dann blickte er in die Runde und sagte:
»I feel underexploited.«
Und ging.
Ich glaub’, den Satz werd’ ich bei Gelegenheit selbst mal fallen lassen. Allein der Gesichter wegen. An unsere kann ich mich noch gut erinnern.
Muss sagen: finde den Satz ziemlich gut.
Als Gegenentwurf zum allgegenwärtigen burnout jedenfalls brauchbar. (Auch wenn man ihn damit wahrscheinlich anlockt wie trocken Reiser)