“Dass es Paris gibt und dass jemand den Entschluss fasst, woanders ßu leben, wird mir immer ein Rätsel bleiben”
(Schaue gerade einen Film, der in Paris spielt. Und Ihr Foto, ich weiß gar nicht was daran, macht mich gerade sehr innehalten, sehr nachdenklich. Vielleicht das Motiv der Maske? Unnötig zu sagen: Ein sehr schönes Foto, das, will mir gerade scheinen, weit über ‘Schönheit’ und all das Spiel darum hinausweist.)
Abgesehen davon, dass Entschlüsse, die n i c h t rätselhaft bleiben, meistens zu den pragmatischen gehören, die man im Dutzend billiger trifft, stimme ich dem Zitat natürlich uneingeschränkt zu. Bei mir, zu Paris, waren es vor vielen Jahen Rilkes erste Sätze in den “Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge”, die schweren Eindruck bei mir hinterließen:
(…) So, also hierher kommen die Leute, um zu leben, ich würde eher meinen, es stürbe sich hier. Ich bin ausgewesen. Ich habe gesehen: Hospitäler. Ich habe einen Menschen gesehen, welcher schwankte und umsank. Die Leute versammelten sich um ihn, das ersparte mir den Rest. Ich habe eine schwangere Frau gesehen. Sie schob sich schwer an einer hohen, warmen Mauer entlang, nach der sie manchmal tastete, wie um sich zu überzeugen, ob sie noch da sei. Ja, sie war noch da. Dahinter? Ich suchte auf meinem Plan: Maison d’Accouchement. Gut. Man wird sie entbinden – man kann das. Weiter, Rue Saint-Jacques, ein großes Gebäude mit einer Kuppel. Der Plan gab an Val-ge-grâce, Hôpital militaire. Das brauchte ich eigentlich nicht zu wissen, aber es schadet nicht.
Die Gasse begann von allen Seiten zu riechen. Es roch, soviel sich unterscheiden ließ, nach Jodoform, nach dem Fett von Pommes frites, nach Angst. Alle Städte riechen im Sommer. Dann habe ich ein eigentümlich starblindes Haus gesehen, es war im Plan nicht zu finden, aber über der Tür stand noch ziemlich leserlich: Asyle de nuit. Neben dem Eingang waren die Preise. Ich habe sie gelesen. Es war nicht teuer. (…)
(Die Maske, ja. Ihr Instinkt trügt sie nicht – es ging mir nicht um “Schönheit”. Ich habe die Serie erst ohne Maske und auch ohne Bewegung, also posierend, gemacht, stellte dann aber fest, wie wenig Assoziations-Spielraum das noch beim Betrachten übrig ließ.)
Das Bild ist großartig. Repräsentativ empfinde ich es in gewisser Weise auch : die Maske entpersönlicht, vergöttlicht gewissermaßen (im Sinne eines Schicksalhaften, wie ich mir es in einer antiken Tragödie vorstelle). Es ist in einer Art : gewaltig. LG tinius
Entpersönlichung oder Abstraktion – wenn mir das in dieser Serie tatsächlich nach und nach gelänge, wäre ich einen Schritt weiter: Dieser Prozess interessiert mich wirklich.
Und noch einmal Rilke: Ich lerne sehen. Ich weiß nicht, woran es liegt, es geht alles tiefer in mich ein und bleibt nicht an der Stelle stehen, wo es sonst immer zu Ende war. Ich habe ein Inneres, von dem ich nicht wußte. Alles geht jetzt dorthin. Ich weiß nicht, was dort geschieht.
In dem Bild sehe ich “die Frau” im Begriff, eine Linie (die Abdeckung oder was immer das ist zu Ihren Füßen) zu überschreiten. Das ergibt sich ganz natürlich aus der Dynamik. Ob’s gut oder schlecht ist für “die Frau”, stellt sich mir nicht als Frage. Sie wird sich behaupten, empfinde ich. Und das ist wunderbar.
Ich verstehe Ihre Anspielung, Spürhund, und stimme zu. Merkwürdig, dass sie sich auf die übertretene Linie beziehen: Ich habe in meinen Zeichnungen in letzter Zeit viel mit der Idee von Grenzüberschreitungen herumgespielt. Dass sich eine solche auch als Andeutung ins Foto geschmuggelt hat, war mir nicht bewusst. Na, auf mein Unbewustes ist eben auch Verlass!
Es mag durchaus sein, liebe Phyllis, dass mein eigenes Unbewusstes mehr versteht, als “Ich” fassen kann.
(was aber die anstehenden Überschreitungen keineswegs leichter macht)
nach sätzen suchen, die mit “elle entra” beginnen (wer aber sieht das hereintreten?), weiße heizkörper die schwarze vorhänge in brand setzen, den die maske nur andeutungsweise entfacht, in die vertraute welt als fremde einfallen, die auf sie hereinfällt, l’ètrangère chez soi im evergreen
“Dass es Paris gibt und dass jemand den Entschluss fasst, woanders ßu leben, wird mir immer ein Rätsel bleiben”
(Schaue gerade einen Film, der in Paris spielt. Und Ihr Foto, ich weiß gar nicht was daran, macht mich gerade sehr innehalten, sehr nachdenklich. Vielleicht das Motiv der Maske? Unnötig zu sagen: Ein sehr schönes Foto, das, will mir gerade scheinen, weit über ‘Schönheit’ und all das Spiel darum hinausweist.)
Abgesehen davon, dass Entschlüsse, die n i c h t rätselhaft bleiben, meistens zu den pragmatischen gehören, die man im Dutzend billiger trifft, stimme ich dem Zitat natürlich uneingeschränkt zu. Bei mir, zu Paris, waren es vor vielen Jahen Rilkes erste Sätze in den “Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge”, die schweren Eindruck bei mir hinterließen:
(…) So, also hierher kommen die Leute, um zu leben, ich würde eher meinen, es stürbe sich hier. Ich bin ausgewesen. Ich habe gesehen: Hospitäler. Ich habe einen Menschen gesehen, welcher schwankte und umsank. Die Leute versammelten sich um ihn, das ersparte mir den Rest. Ich habe eine schwangere Frau gesehen. Sie schob sich schwer an einer hohen, warmen Mauer entlang, nach der sie manchmal tastete, wie um sich zu überzeugen, ob sie noch da sei. Ja, sie war noch da. Dahinter? Ich suchte auf meinem Plan: Maison d’Accouchement. Gut. Man wird sie entbinden – man kann das. Weiter, Rue Saint-Jacques, ein großes Gebäude mit einer Kuppel. Der Plan gab an Val-ge-grâce, Hôpital militaire. Das brauchte ich eigentlich nicht zu wissen, aber es schadet nicht.
Die Gasse begann von allen Seiten zu riechen. Es roch, soviel sich unterscheiden ließ, nach Jodoform, nach dem Fett von Pommes frites, nach Angst. Alle Städte riechen im Sommer. Dann habe ich ein eigentümlich starblindes Haus gesehen, es war im Plan nicht zu finden, aber über der Tür stand noch ziemlich leserlich: Asyle de nuit. Neben dem Eingang waren die Preise. Ich habe sie gelesen. Es war nicht teuer. (…)
(Die Maske, ja. Ihr Instinkt trügt sie nicht – es ging mir nicht um “Schönheit”. Ich habe die Serie erst ohne Maske und auch ohne Bewegung, also posierend, gemacht, stellte dann aber fest, wie wenig Assoziations-Spielraum das noch beim Betrachten übrig ließ.)
Das Bild ist großartig. Repräsentativ empfinde ich es in gewisser Weise auch : die Maske entpersönlicht, vergöttlicht gewissermaßen (im Sinne eines Schicksalhaften, wie ich mir es in einer antiken Tragödie vorstelle). Es ist in einer Art : gewaltig. LG tinius
Entpersönlichung oder Abstraktion – wenn mir das in dieser Serie tatsächlich nach und nach gelänge, wäre ich einen Schritt weiter: Dieser Prozess interessiert mich wirklich.
Und noch einmal Rilke:
Ich lerne sehen. Ich weiß nicht, woran es liegt, es geht alles tiefer in mich ein und bleibt nicht an der Stelle stehen, wo es sonst immer zu Ende war. Ich habe ein Inneres, von dem ich nicht wußte. Alles geht jetzt dorthin. Ich weiß nicht, was dort geschieht.
Wie einfachschön das ist.
LG Phyllis
Sie bzw. Ihr Bild haben mich inspiriert : http://liebesenden.twoday.net/stories/weissagung/ LG tinius
Und ich habe Ihnen drüben geantwortet, lieber Tinius.
DAS ist kein “Mädchen”! (codierter Commentar)
In dem Bild sehe ich “die Frau” im Begriff, eine Linie (die Abdeckung oder was immer das ist zu Ihren Füßen) zu überschreiten. Das ergibt sich ganz natürlich aus der Dynamik. Ob’s gut oder schlecht ist für “die Frau”, stellt sich mir nicht als Frage. Sie wird sich behaupten, empfinde ich. Und das ist wunderbar.
Ich verstehe Ihre Anspielung, Spürhund, und stimme zu. Merkwürdig, dass sie sich auf die übertretene Linie beziehen: Ich habe in meinen Zeichnungen in letzter Zeit viel mit der Idee von Grenzüberschreitungen herumgespielt. Dass sich eine solche auch als Andeutung ins Foto geschmuggelt hat, war mir nicht bewusst. Na, auf mein Unbewustes ist eben auch Verlass!
Es mag durchaus sein, liebe Phyllis, dass mein eigenes Unbewusstes mehr versteht, als “Ich” fassen kann.
(was aber die anstehenden Überschreitungen keineswegs leichter macht)
@Spürhund Leider ist das Unbewusste wie ein Fußballfeld ohne Tore, wenn ich das mal so sagen darf.
nach sätzen suchen, die mit “elle entra” beginnen (wer aber sieht das hereintreten?), weiße heizkörper die schwarze vorhänge in brand setzen, den die maske nur andeutungsweise entfacht, in die vertraute welt als fremde einfallen, die auf sie hereinfällt, l’ètrangère chez soi im evergreen
Merkwürdig, @parallalie, gestern las ich das das noch wie Heimat, heute schon wie Abschied: mein Blick hat sich über Nacht gewandelt.
die nicht
wir waren die ganze zeit sowas an von air