Freitag, 16. November 2012
Verfluchter Herbst. Brauche mehr Abenteuer. Kaum aber hab’ ich eins, versuch’ ich schon, ihm Zügel anzulegen. Deutsch halt. Immer abwiegeln. Und der Kleinmut. Die eigenen Schwächen beschnüffeln. Kenn‘ ich, den Geruch, bissi süßlich, bißchen verdorben, wie Entzündungen eben so riechen.
Klaub’ auch immerzu in meinem Wortschatz.
Warum hat das Scheißprogramm…? Seit ich weiß, mein neues Manuskript enthält nur zehntausendachthundertzweiunddreißig verschiedene Worte, ist mir permanent schlecht.
Wenn ich gewußt
[“Hätte, hätte…”]
[“Ja, äff’ nur. Hast ja Recht.”]
Ein Gewälz ist das die ganze Nacht. G e w ä l z. Ich lieb’ sie, die Wörter, nachts hilft das aber nicht, die kommen und rächen sich, wenn ich sie tagsüber nicht benutzt hab’.
“Wisper wisper.”
“Wer da?”
“Hallo, ich bin’s die kleine Schreibmaus.”
“Hau ab. Ich hab’ kein Thema. Selbst wenn ich wollte, ich könnt’ keinen neuen beschissenen Roman schreiben. Mir fällt nix ein.”
“Schreib doch was über dich”, zärtelt die Maus.
Ein Tiger muß her! Fetz’ weg den Nager, o Tiger.
Warum ich’s nur immer so mit Tieren hab’, keine Ahnung, schlichte Gemüter brauchen halt Anschauliches. Hä hä. Nee. Frag’ mich auch, wo der kauzige Stil immer herkommt, hoffentlich gewöhn’ ich mir den nicht an. Kann man echt niemandem zumuten.
Aber kürzen tu ich’s nicht.
Nö.
[Hab’ schon alles versucht heute. Arbeiten. Schlafen. Telefonieren. Wichsen. Husch, sag’ sowas nicht, das ist ein seriöses Tagebuch.]
„Gewöhn dir den schludrigen Wortschatz jetzt ma’ ruckizucki wieder ab, Farah, passt nicht zu dir.“
„Na wenn schon. Mir gefällt’s. Am besten, man hackt sowas rhythmisch, dann kocht dann der Saft…“
„Iiieh!“
Und weiter, weiter? Was tummelt sich in diesem Komposthaufen, den du Gehirn nennst, gibt’s da noch was mehr als verrottende Obstschalen?
Dann wär’s jetzt zum Beispiel ein guter Moment, damit rauszurücken.
Aber ich bin grad so schön flüssig, wenn auch schlecht, ich will net ins Literarische hinein! Mer müsse net, wenn mer net wolle! Morgen zerreiß ich den Schund, aber heute darf Dampf aufsteigen vom Misthaufen.
Japjap, da kommen gleich die ganzen Hunde und Katzen und zerfleddern, was übrig ist. Kommt nur. Aber persönlich! Große Nase, immer auf der Suche nach Verworfenem, riech’ mich, schrei’ ich. Aber da ist grad keiner.
Schon wieder ’ne Seite vollgeschlabbert.
Mir egal. Heute piss’ ich, morgen schreib ich ein schönes neues Buch. Pro Tag eins, das wär’ so meine Vorstellung.
Der erste Satz, Farah. Hat mich gar nicht erfreut – auch dann nicht, wenn Sie – ich hoffe, um mich zu schonen – wenigstens das Ausrufezeichen weggelassen haben. Immerhin hat mich der Tiger versöhnt.
Sorry, lieber ANH, aber Farah schreibt, was sie will. Und ich muss dann hinterher immer heile Segen machen!
Ts.
Mit Ihnen, Frau Phyllis. Hab ich doch gar nicht gesprochen. Also mischen Sie sich nicht ein. Es sind ja nun wirklich nicht Sie, die mich verflucht hat.
*Lacht* Okay, ich halt mich raus.
Liebe Farah, wenn ich zum intellektuellen Boxen gehe, mich bei LitBlogs an diese speziellen Ringe stelle, in denen selbstbewusst der geistige Bizeps geschwungen wird, verlasse ich mich ruhig mal auf meinen ersten Eindruck: Testoterone Männergesellschaft. Konkurrenz-, Ellbogen-, Alpha-Gehabe – nur eben auf „intellektuell“.
Sprach“gewalt“ – doch nicht im guten Sinne.
Legitimieren eigenen Tuns durch aufgebauschte philosophische Konstrukte, von den Konstrukteuren oft selbst noch als Experiment bezeichnet. Der folgerichtige erkenntnistheoretische Vorbehalt bleibt aber aus:
Dass Theorie der Praxis trottelhaft hinterhertaumelt, allenfalls vielleicht in ständiger Dialektik zu wenigen haltbaren Mindestgedanken führt, und deshalb äußerst vorsichtig zu handhaben ist, kommt denen nicht in den Sinn. Lieber mal wuchtig rumtheoretisieren, geistesgeschichtliche Moleküle zu einem ego-gerechten Theorieteig kneten, der das eigene Machen geschmeidig umgibt.
Dem Menschen in seiner großartigen Vielfältigkeit – aber auch seiner großen Beschränktheit – wird das nicht annähernd gerecht.
Kluge Frauen wie Sie – durch Intuition, individuelle Intelligenz, uneitle Eigennähe und Gefühl für den Einzelfall ein viel größerer Gewinn – sollten sich diesen intellektuellen Scharmützeln formal, sprachlich, strategisch auf keinen Fall anpassen.
Sonst vereinheitlicht das Ganze, und die gesunde Theorie- und Allmachtskepsis verliert ihre besten Anwältinnen.
Verlassen Sie sich einfach auf sich selbst und nehmen Sie sich – notfalls auch die eigene Beschränkung – einfach so, wie Sie sind. Dann sind Sie viel besser.
“Dass Theorie der Praxis trottelhaft hinterhertaumelt”. Eigentlich ein interessanter Gedanke, aber wo in unserer Gegenwart sehen Sie ihn eingelöst? Nahezu unsere gesamte Welt, soweit sie technisch fundiert ist – und wo wäre sie es nicht? -, hat sich doch nicht aus try&error entwickelt, sondern zumeist aus vorhergegangener Theorie. Ich fände es schön, wenn Sie ein paar Beispiele nennten für das, was Sie offenbar sehr sicher zu wissen glauben.
Und da Sie “litblogs.net” ansprechen: Ich habe gerade da von “Testoterone Männergesellschaft. Konkurrenz-, Ellbogen-, Alpha-Gehabe” wirklich noch gar nichts mitbekommen. Zu Litblogs.net gehören zum Beispiel die wunderbare Lyrik-Site >>>> Helmut Schulzes, die oft sehr poetischen, geradezu schwebenden Texte >>>> Mandelbaums, >>>> Piveckovas kluge Gleisbauarbeiten und einige sehr weibliche mehr. Da finde ich es so seltsam, wenn Sie für >>>> Litblogs.net insgesamt von “testosteronaler Männergesellschaft” sprechen, daß ich mich frage, ob Sie sich diesen Zusammenschluß Literarischer Weblogs überhaupt einmal angeschaut haben. Richtig ist, daß auch Männer dabeisind, aber auch sie je nach Hormon-Temperament höchst verschieden. Ihre Attacke kommt mir deshalb sehr gefärbt vor, fast in Ihrem Sinn männlich, weil Sie alle Frauen dort gleich mit wegwischen, mit Ausnahme nunmehr Frau Kiehls. Insofern glaube ich, daß Sie etwas anderes stört, das Sie aber bewußt nicht zum Ausdruck bringen wollen. Insofern kann ich Ihre Kritik nicht wirklich ernst nehmen – wenngleich ich den Gedanken, Theorie stolperte der Praxis – zumal trottelhaft – hinterher, erst einmal interessant finde, einfach schon deshalb, weil er sehr ungewöhnlich ist.
Liebe @Leserin, zunächst einmal Dank für Ihre Zeilen. Die ich beim ersten Hinsehen (yeah ; ) erst einmal als Anerkennung meiner Arbeit gelesen habe. Und auch weiterhin lese, klar. Trotzdem möchte auch ich die Litblogs verteidigen. Sie sind eine Initiative von >>> Christiane Zintzen und >>> Hartmut Abendschein – zwei Menschen, deren Ansätze ich persönlich nicht als aufgebauscht empfinde. Und die Weblogs, die dort vertreten sind … manche liebe ich einfach. Piveckova sowieso, Sofia Mandelbaum, aber auch … Moment, wie heißt er schnell, ich komm’ gleich drauf …
ja! Andreas Louis Seyerlein. Ein schräger Vogel. Love his stuff. Und schließlich bin ja auch ich bei litblogs. Wollten die nur bizepsschwingende erkenntnistheoretische Scharmützel auf ihrer Site, wäre ich dort definitiv fehl am Platz.
*Lächelt*
Aber mal abgesehen von litblogs –
Sie schreiben so leidenschaftlich gegen Territorialgetue (ob nun von männlicher oder weiblicher Seite, sei mal dahingestellt) an, dass mir das Herz aufgeht. Auch ich bin für Positionen, die sich nicht erhöhen, indem sie andere diskreditieren – in unseren Zusammenhängen meist, indem sie sich intellektuell aufplustern wie die Kugelfische. Was ja nun ebenfalls Anpassung ist – eine an das hierarchische Denken. (Dengähn ; )
Die Praxis. Ja. Kunst jedenfalls entsteht nicht unbedingt daraus, dass eine(r) seine Theorie gelesen und verstanden hat. Obwohl’s nicht schadet. Meine eigene Arbeit war schon immer mehr im Intuitiven zuhause, die freie ebenso wie die angewandte. Und ich bin inzwischen lange genug unterwegs, um mir nicht mehr ständig die kontextuelle Landkarte vergegenwärtigen zu müssen. Insofern ja: Ich verlasse mich auf mich selbst.
(An guten Tagen. Aber über die schlechten sprechen wir ein anderes Mal ; )