… zum Thema Selbstdarstellung/Stilisierung passte gestern Abend >>> “A man within”, ein Porträt zu William Burroughs. Guter Film. Lange her, dass ich “Naked Lunch” las. Muss nachher mal nachsehen, wie der erste Satz heißt – das Buch gehört eigentlich in die “Erste Sätze” Rubrik. Von wegen Prägungen …
Sie haben sicher mitbekommen, dass ANH gerade eine sehr schöne, leidenschaftliche Reihe unter diesem Titel >>> schreibt.. Ich hätte ja ebenfalls Lust auf so einen Blick zurück – das Problem ist nur, mit dem (für mich) phänomenal anmutenden Gedächtnis des Herrn Herbst kann meines nicht mithalten; ich müsste vieles erst noch einmal lesen, um wieder reinzukommen und darüber schreiben zu können.
Anyway – Burroughs als Figur kam mir noch nie nah, ich kam auch mit seiner Cut-up-Technik nicht klar, doch als Kunststudentin starrte ich auf “Naked Lunch” wie auf eine Botschaft aus einer Parallelwelt. Was sie ja auch war. Und sie ließ mich nicht unberührt.
Sätze wie:
“Every man has inside himself a parasitic being who is acting not at all to his advantage.”
oder:
“Artists to my mind are the real architects of change, and not the political legislators who implement change after the fact.”
oder der hier:
“Nothing exists until or unless it is observed. An artist is making something exist by observing it. And his hope for other people is that they will also make it exist by observing it. I call it ‘creative observation.’ Creative viewing.”
Vieles an Burroughs ist ziemlich rough. Sein Waffentick. Seine Unnahbarkeit. Seine strikte Weigerung, Geschlechtspartner zu wählen, die er auch intellektuell hätte ernst nehmen können. Die Egomanie: Seine Empfindsamkeit kam offenbar nur seiner Kunst und seinen Katzen zugute. Aber ich mag seinen Style und seine Fresse. Die er als Greis anscheinend so gerne in die Kameras hielt, als wäre er stolz auf dieses Ding, das aussieht, als hätte Hrdlicka es geschnitzt.
Wie weit muss einer als Künstler gehen, um in Bereiche vorzudringen, die noch nie kartographiert wurden? Burroughs ist sehr weit gegangen.
“In my writing I am acting as a map maker, an explorer of psychic areas . . . a cosmonaut of inner space, and I see no point in exploring areas that have already been thoroughly surveyed.”
14:25
Bisher hat sich noch niemand beschwert, dass ich Herrn Burroughs nur ein Ohr gezeichnet habe. ; )
In die selbe Richtung wie William S. Burroughs, nämlich ins Sichtbar-Unabsehbare, geht Alexander Kluge, der letztens in einem SZ-Interview sagte: “Schreiben ist ja eine Droge, ist etwas, das Lust macht. Und diese Lust heißt, ich kann mir alles, was ich mir wünsche, vergegenwärtigen.” Manche Autoren scheinen zwar eher das zu schreiben, was die Leserschaft wünscht, aber das ist dann ja auch eher Dienstleistung als Kunst. Burroughs und auch nahezu alle anderen Bewohner meiner Bibliothek haben jedenfalls mit dieser egozentrischen Lust geschrieben, ohne die es keine Qualität gäbe. Nicht alle waren gute Selbstvermarkter (Kafka, Robert Walser), andere dagegen auf ihre Art brillante (Thomas Bernhard, Franz Werfel, Thomas Mann), doch die Hauptsache für mich ist ganz einfach, daß ich die Werke heute lesen kann.
Tja, wie weit muß man gehen mit seiner Kunst, wie weit kommt man ohne Selbstmarketing, Qualität vorausgesetzt? Das sind die Fragen, die hier auf TT seit einigen Tagen wieder im Raum stehen und die der Antwort harren. Eines immerhin ist sicher: gute Kunst entsteht nicht ohne persönliche Risiken, da der ganze Mensch, der psychische, der physische, der soziale, am Schaffensprozeß beteiligt ist, und zwar so vollständig, wie sich das die Damen und Herren Hobbykünstler (die in ihrer Freizeit Kunst machen, während Künstler in ihrer Freizeit oft Lohnarbeit machen müssen) nicht wirklich vorstellen können.
(By the way: Liebe Phyllis, ich bin und bleibe Follower von TT, werde mich aber sicher nicht bei dieser Räuberbande von facebook anmelden. Kann man sich ja gleich selbst überfallen!)
(By the way 2: ich habe das zweite Ohr nicht vermißt, weil ich Ihre Zeichnung von ganz weit links aus betrachte.)
Räuberbanden beizutreten ist ein freiwilliger Akt. Ohren übersehen ebenfalls ; )
Und … … wer hat’s ihm abgekaut??
Da fehlt ein Ohr, Frau Phyllis! Deshalb habe ich zuerst gedacht: das ist van Gogh. Aber der hat nie einen Tropenhelm getragen. Sondern nicht nur seine Seele konnte zerfransen. Wobei die Gleichung, daß