Nein, Doktor, mit japanischer Tusche. Wird wahrscheinlich aus zerstoßenen Hirschkäfern gewonnen, doch das darf ich jetzt nicht schreiben, sonst hab’ ich gleich wieder die Tierschützer am Hals.
Vexierbild Die Zeichnung hat die Wirkung eines Vexierbildes auf mich. Ich habe nämlich einen Blick von der Mitte der Donaubrücke aus nach Hainburg vor dem inneren Auge. Dadurch wird die Fläche unter dem kopflosen Jüngling zu Wasser. Dieser “Erfahrungshintergrund” lässt die haltgebenden Bäume an Fussufern stehen und die Szene recht bedrohlich wirken. Ein Windstoß, und die (Katzen?)Gestalt wird mit dem Knaben in die Tiefe stürzen.
Andererseits sehe ich wohl auch den Turner mit dem linken Fuß eine Wiese berühren, allein auf weiter und menschenleerer Flur. Die sehr unterschiedlichen Eindrücke sind hin und herschaltbar.
Dann frage ich mich noch, was es mit dieser dunklen Gestalt in den Bäumen auf sich hat. Ich sehe zwei Bäume, ja. Sie strecken einander zwei (abgebrochene?) Äste entgegen, verbunden durch die etwas unheimliche Gestalt. (Wie können sich Bäume verbinden? Kann es überhaupt “Verbundenheit” geben zwischen ihnen?) Mag es ein Kater sein, fett und schlaff. Er muss einen Gürtel umgeschnallt haben, an dem das Trapezseil mit der daran hängenden Kopflosigkeit befestigt ist. Der Kater als tragendes Bindeglied – kein angenehmer Job. “Armer schwarzer Kater”, fällt mir spontan dazu ein Spruch aus meiner Kindheit ein.
Nun lass’ ich’s besser wieder, womöglich steige ich sonst noch zu tief in den Keller (meinen eigenen) hinunter…
beim kurzen Hinschauen wirkt die Zeichnung übrigens wie ein Holzschnitt
Die Aussagen eines Künstlers über sein Werk sind mit Vorsicht zu genießen”, schreibt Bersarin drüben bei Alea Torik, auf Adorno Bezug nehmend.
Insofern, lieber Hans, nehmen Sie meine erklärenden Worte nicht allzu ernst. Und wenn sie gar hier, wo sie stehen, verschwunden sein sollten, nehmen Sie bitte auch das nicht allzu ernst…
Aber!
Das lässt mir nun doch keine Ruhe: ja, die Szene soll wie ein Holzschnitt wirken.
Wie schlimm wäre es denn ungefähr, wenn ich Ihnen, liebe Phyllis, eingestünde, dass mein erster Gedanke beim Betrachten des Bildes “Schiesser Feinripp” war?
Anhand Ihrer händeringend erwarteten Antwort würde ich mir dann überlegen, ob ich es wagen kann.
Frau Wie! Ringen Sie nicht weiter!
Es i s t eine Schießer Feinripp mit Eingriff. Eine so genannte Unaussprechliche. Nur – dammnit! – Sie sprechen es aus. Keine Ahnung, was jetzt passiert, vielleicht wird uns beide der… oder das … treffen …
Man wird sehen, nicht wahr?
Wie sehr man sich doch (ver)leiten lassen kann! Gestern habe ich die Zeichnung ein erstes Mal gesehen und einen kurzen Text geschrieben, um die Eindrücke zu sammeln, die mir beim Betrachten so durch den Kopf schossen:
[i]Von hier oben sah das Wasser so kalt aus. Im Himmel streute ein Flugzeug ein wenig Weiß in das Blau. Ob der Pilot da oben auch solch einen Durst nach diesem Wasser hatte? Er war wieder alleine gekommen. Die andern hatten die Klippe längst aufgegeben. Die Eltern hatten es verboten. Die Mädchen trauten sich nicht. Die Jungs hatten die Lust daran verloren. Er war noch nie gesprungen. Letzten Sommer hatte er sich das Bein gebrochen und konnte nur zuschauen, wenn die andern sprangen. Welches Blau Lara wohl eher mochte, das Himmelsblau oder das Wasserblau? Nächstes Mal würde er sie mitnehmen und fragen. Vielleicht würde sie auch springen. Wenn er es nur richtig vormachen würde. Er griff nach dem Hanfseil. Der Pilot flog in die Luft, senkrecht, es sah aus, als zeichne er einen Pfeil in das Blau. Er zerrte am Seil. Hörte nicht, wie still es um ihn herum war. Die Passagiere konnten jetzt bestimmt ihre Gurte lösen, ihre Tischchen runterklappen und bald ein Orangensaft oder ein Wasser mit oder ohne Kohlensäure trinken. Als er sprang und durch die Luft flog, sich seine Augen weit öffneten, da fühlte er für einen kurzen Augenblick die Stille dieses Tages, eine Stille, wie er sie noch nie gekannt hatte, lose farbig heiß luftig lache pupillenschwarz blau nass. Der Baum knarzte, als er irgendwo im Wasser landete.[/i]
Dann heute der zweite Blick, wo sich das Schwarz als Wiese auftut, das Knäuel oben als Papierdrache. Schön!
@Jean Martinus. Ich schätze das sehr, wenn alte Beiträge in neuen Kommentaren wieder aufgenommen werden. Es zeigt, daß zumindest ein künstlerisches Weblog eben n i c h t, wie allzu gernschnell behauptet wird, in die sofortige Vergessenheit hineingeschrieben wird.
Beiträge wie der Ihre geben einem Weblog Kraft. Selbstverständlich muß dem etwas vorausgegangen sein, das die Autorin oder der Autor eines Weblogs den Lesern und Betrachtern gab.
@Jean Martinus Ver-leiten lassen: eigentlich ein seltsamer Ausdruck. Ebenso seltsam wie Vorstellung, dass der Pilot da oben auch Durst nach Wasser haben könnte. Nach d i e s e m Wasser. Die kurzen Sätze, überhaupt die kurze Form, gefällt mir.
Schön, dass Sie Ihren Text eingestellt haben: TT will seine Gäste gerne zu eigenen Produktionen ver-locken.
beeindruckend
Obwohl keine Eulen drauf sind : )
Obwohl der zusammengenudelte Kiteschirm ja etwas von einer Eule hat.
Finde ja, der sieht eher wie ein schlaffer, fetter Kater aus, aber …
wo Sie recht haben…
Haben Sie dieses eindrucksvolle Bild mit Teer & Feder gemalt, Frau Phyllis?
Nein, Doktor, mit japanischer Tusche. Wird wahrscheinlich aus zerstoßenen Hirschkäfern gewonnen, doch das darf ich jetzt nicht schreiben, sonst hab’ ich gleich wieder die Tierschützer am Hals.
Die Tierschützer wären im Vergleich ja noch harmlos….
Ich frag’ jetzt nicht, in welchem Vergleich…
Sie wissen anscheinend, welche Fragen obsolet sind 🙂
ob solet mio … : )
Vexierbild Die Zeichnung hat die Wirkung eines Vexierbildes auf mich. Ich habe nämlich einen Blick von der Mitte der Donaubrücke aus nach Hainburg vor dem inneren Auge. Dadurch wird die Fläche unter dem kopflosen Jüngling zu Wasser. Dieser “Erfahrungshintergrund” lässt die haltgebenden Bäume an Fussufern stehen und die Szene recht bedrohlich wirken. Ein Windstoß, und die (Katzen?)Gestalt wird mit dem Knaben in die Tiefe stürzen.
Andererseits sehe ich wohl auch den Turner mit dem linken Fuß eine Wiese berühren, allein auf weiter und menschenleerer Flur. Die sehr unterschiedlichen Eindrücke sind hin und herschaltbar.
Dann frage ich mich noch, was es mit dieser dunklen Gestalt in den Bäumen auf sich hat. Ich sehe zwei Bäume, ja. Sie strecken einander zwei (abgebrochene?) Äste entgegen, verbunden durch die etwas unheimliche Gestalt. (Wie können sich Bäume verbinden? Kann es überhaupt “Verbundenheit” geben zwischen ihnen?) Mag es ein Kater sein, fett und schlaff. Er muss einen Gürtel umgeschnallt haben, an dem das Trapezseil mit der daran hängenden Kopflosigkeit befestigt ist. Der Kater als tragendes Bindeglied – kein angenehmer Job. “Armer schwarzer Kater”, fällt mir spontan dazu ein Spruch aus meiner Kindheit ein.
Nun lass’ ich’s besser wieder, womöglich steige ich sonst noch zu tief in den Keller (meinen eigenen) hinunter…
beim kurzen Hinschauen wirkt die Zeichnung übrigens wie ein Holzschnitt
Die Aussagen eines Künstlers über sein Werk sind mit Vorsicht zu genießen”, schreibt Bersarin drüben bei Alea Torik, auf Adorno Bezug nehmend.
Insofern, lieber Hans, nehmen Sie meine erklärenden Worte nicht allzu ernst. Und wenn sie gar hier, wo sie stehen,
verschwunden
sein sollten, nehmen Sie bitte auch das nicht allzu ernst…
Aber!
Das lässt mir nun doch keine Ruhe: ja, die Szene soll wie ein Holzschnitt wirken.
@22:08 Gerade habe ich mich nochmals reingesuumt:
ich nehm’ alles zurück und behaupte das Gegenteil : )
@22:08, ff Sie haben’s gut: Ihnen steht das frei. Ich kann noch nicht mal radieren – ist Tusche : )
tja… : ))) mit einem Rasiermesser ging das früher, kann ich mich dunkel erinnern…
Stapeln sich heute noch irgendwo, diese elenden Entwürfe mit den fein durchgeschabten Stellen.
Bei mir wird nicht geschabt, kommt gar nicht in Frage, wenigstens d i e s e n Grad des Elends hab’ ich hinter mir gelassen.
Elend. Ja. Ein grobes Aderngeflecht anstelle eines feinen Strichs. Jetzt ist es wieder da.
Wie schlimm wäre es denn ungefähr, wenn ich Ihnen, liebe Phyllis, eingestünde, dass mein erster Gedanke beim Betrachten des Bildes “Schiesser Feinripp” war?
Anhand Ihrer händeringend erwarteten Antwort würde ich mir dann überlegen, ob ich es wagen kann.
Frau Wie! Ringen Sie nicht weiter!
Es i s t eine Schießer Feinripp mit Eingriff. Eine so genannte Unaussprechliche. Nur – dammnit! – Sie sprechen es aus. Keine Ahnung, was jetzt passiert, vielleicht wird uns beide der… oder das … treffen …
Man wird sehen, nicht wahr?
Well!
Furchtlose!
*rückt sich beide Augenklappen zurecht*
*kichert*
Ich liebe Frauen mit Schmackes.
Wie sehr man sich doch (ver)leiten lassen kann! Gestern habe ich die Zeichnung ein erstes Mal gesehen und einen kurzen Text geschrieben, um die Eindrücke zu sammeln, die mir beim Betrachten so durch den Kopf schossen:
[i]Von hier oben sah das Wasser so kalt aus. Im Himmel streute ein Flugzeug ein wenig Weiß in das Blau. Ob der Pilot da oben auch solch einen Durst nach diesem Wasser hatte? Er war wieder alleine gekommen. Die andern hatten die Klippe längst aufgegeben. Die Eltern hatten es verboten. Die Mädchen trauten sich nicht. Die Jungs hatten die Lust daran verloren. Er war noch nie gesprungen. Letzten Sommer hatte er sich das Bein gebrochen und konnte nur zuschauen, wenn die andern sprangen. Welches Blau Lara wohl eher mochte, das Himmelsblau oder das Wasserblau? Nächstes Mal würde er sie mitnehmen und fragen. Vielleicht würde sie auch springen. Wenn er es nur richtig vormachen würde. Er griff nach dem Hanfseil. Der Pilot flog in die Luft, senkrecht, es sah aus, als zeichne er einen Pfeil in das Blau. Er zerrte am Seil. Hörte nicht, wie still es um ihn herum war. Die Passagiere konnten jetzt bestimmt ihre Gurte lösen, ihre Tischchen runterklappen und bald ein Orangensaft oder ein Wasser mit oder ohne Kohlensäure trinken. Als er sprang und durch die Luft flog, sich seine Augen weit öffneten, da fühlte er für einen kurzen Augenblick die Stille dieses Tages, eine Stille, wie er sie noch nie gekannt hatte, lose farbig heiß luftig lache pupillenschwarz blau nass. Der Baum knarzte, als er irgendwo im Wasser landete.[/i]
Dann heute der zweite Blick, wo sich das Schwarz als Wiese auftut, das Knäuel oben als Papierdrache. Schön!
@Jean Martinus. Ich schätze das sehr, wenn alte Beiträge in neuen Kommentaren wieder aufgenommen werden. Es zeigt, daß zumindest ein künstlerisches Weblog eben n i c h t, wie allzu gernschnell behauptet wird, in die sofortige Vergessenheit hineingeschrieben wird.
Beiträge wie der Ihre geben einem Weblog Kraft. Selbstverständlich muß dem etwas vorausgegangen sein, das die Autorin oder der Autor eines Weblogs den Lesern und Betrachtern gab.
@Jean Martinus Ver-leiten lassen: eigentlich ein seltsamer Ausdruck. Ebenso seltsam wie Vorstellung, dass der Pilot da oben auch Durst nach Wasser haben könnte. Nach d i e s e m Wasser. Die kurzen Sätze, überhaupt die kurze Form, gefällt mir.
Schön, dass Sie Ihren Text eingestellt haben: TT will seine Gäste gerne zu eigenen Produktionen ver-locken.