Optionalitäten

Jede Entscheidung ist ein Beschnitt: Man geht den ersten Schritt aus der Fülle der Möglichkeiten, den zweiten bereits als Dienerin. Künstlerisch aktive Menschen sollten die Zahl folgerichtiger Prozesse, von denen sie sich binden lassen, auf jenes Minimum beschränken, das Stabilität gewährt. Der rote Faden im Werk wird überbewertet, von Künstlerinnen und Rezipienten gleichermaßen.

28 Gedanken zu „Optionalitäten

  1. die fülle der möglichkeiten ist so enorm, dass mensch gar nichts anderes tun kann als sich zu entscheiden.
    glücklich der, der die fülle an möglicheiten überhaupt erkennen darf.
    der lebt dann meist in einer guten zeit.
    wozu man sich aber auf einen roten faden zu werfen droht, leuchtet mir eigentlich nicht ein.
    oder wieso man sich einem starren konzept anbiedern will.
    beides ( roter faden / starres konzept ) symbolisiert doch einfallslosigkeit.
    wieso einfallslosigkeit ( bishin zur einfältigkeit gar ) repräsentieren wollen in einer fülle an möglichkeiten.
    geht mir grad so salopp durch die rübe.

    • @lobster Der rote Faden kommt ins Spiel, sobald Sie versuchen, einem Gegenüber Ihr Werk als sinnhafte Abfolge künstlerischer Entscheidungen darzustellen. Was man, so man bekannt genug ist, eigentlich ständig tun muss.
      Viele Künstlerinnen und Künstler, die ich kenne, wickeln den (und die dazu passenden Konzepte) dann nachträglich um ihre Arbeit. So was nennt sich dann Vita ; )

    • in der musik beginnt man mit einer note. die zweite note drückt schon einen teil der ungeheuren möglichkeiten aus.
      ich möchte das gar nicht ausrechnen, wieviele möglichkeiten man theoretisch hat alleine schon die vielleicht 4. note zu setzen.
      bei roter faden dachte ich vor allem an die melodie oder eine festgelegte rhythmische grundfigur ( wie walzer, bossa etc. ).
      ( beides interessiert mich nicht )
      deshalb verstand ich wohl das ausgangspost nicht.
      was das dienen anbetrifft so wäre das vermutlich grundsätzlich zu sehen.
      wünschenswert ist es für mich einer bestimmten aufgabe zu dienen, man widmet seine kreativität so etwas wie einem ziel und sei das ziel gar eine absolute ziellosigkeit.
      ein staunendes verweilen in einem sphärischen, sich allmässig aufspannenden raum.
      hörte den letzten space von pascal dusapin – leider konnte bislang nicht eruieren was das für ein stück war – die sachen, die ich von ihm habe sind allerdings eher konventionell – also ob ich da einen bruch sehen muss ?
      naja – verstehe also was sie intendierten und bin froh dass ich kein profi bin.

    • @lobster Sie haben wunderbare Formulierungen manchmal.
      Das Dienen: wenn es dem eigenen Talent ist, der eigenen Intention, ist nichts kleines daran.
      Was ich allerdings sagte, war, sich als Künstler(in) der Logik solcher Prozesse nicht mehr als zur Stabilisierung nötig anheim zu geben. Um eben das nicht zu verlieren: das “staunende Verweilen in einem sphärischen, sich allmäßig aufspannenden Raum”.

  2. Im Theater kommt der erste Schritt erste wenn er zwingend notwendig ist. Folgerichtig meist der zweite schon aus einer größeren Not heraus. Ein Schritt folgt dem nächsten, Handlung an Handlung, bis sich die Situation zuspitzt und in der Ausweglosigkeit endet.
    Das hat mein Professor für Schauspiel gesagt.

    • @der finne Der Professor beschreibt den klassischen dramatischen Aufbau eines Theaterstücks, oder?
      Außerhalb von Bühne, Manuskript oder Leinwand stehen uns komplexere, auch chaotischere Ebenen zur Verfügung: Werk interessiert mich autorenbezogen, ja, ich könnte fast sagen, mehr als das Werk selbst nimmt mich die Geschichte ein, ob fiktiv oder real, die zu ihm geführt hat.

  3. Optionen + Versäumtes, Phantasie + Welt: Verpflichtungen Was Sie schreiben, liebe Phyllis, gilt nicht nur für künstlerisch aktive Menschen. Wir alle neigen dazu, rückblickend uns eine Geschichte zu stricken, die sinnhaft scheint. Jeder Weg, den man gegangen ist, schloss einen anderen (ach, viele andere) aus. Darüber sucht man sich durch Sinn-Setzung weg zu trösten. Ziel müsste es sein, den Weg so zu nehmen, dass sich die begehbaren Möglichkeiten vermehren. Meist ist es nicht so, nicht wahr? Denn wir bewegen uns nicht nur im Raum, sondern in der Zeit. Unwiederbringlich. Scheint Vergangenes. In der Erinnerung bleiben Träume. Phantastische Welten. Wer künstlerisch tätig ist, verschafft ihnen Wirklichkeit. Das ist ein Privileg. Und eine Verpflichtung. Wir anderen: schließen zum Träumen die Augen.

    • @melusine privileg. verpflichtung. kunst.
      meinen sie das wirklich, melusine ?
      dienen – ich übernahm leider den ausdruck – der künstler ein dienstleister, ein diener ?
      kunst kommt für mich von können, und darüber hinaus ist kunst machen eine stete herausforderung.
      als ich mich das letzte mal mit musik beschäftigte wünschte ich mir einfach nur mal eine woche lang wirklich locker und gut drauf zu sein.
      unverkrampft. unverspannt.
      ohne überbordenden ideenschmonzes und schon gar nicht “dienstverpflichteter” künstler.

    • @ MelusineB Ich hatte überlegt, ob ich Künstler schreiben sollte, schrieb dann “künstlerisch aktive” Menschen. Womit im Grund’ alle gemeint sind, die ihre Vorstellungskraft originär einsetzen, also nicht nach-, sondern selbst denkend.
      Dass, Entscheidungen zu fällen, immer eine Begrenzung der Möglichkeiten darstellt, ist indes eine Konstruktion: der Handlungsspielraum engt sich ja nur ein, wenn man der eigenen Entscheidung logisch nachgeht. Man kann sie ebenso schon im nächsten oder übernächsten Schritt selbst sabotieren… einen der unzähligen Seitenpfade einschlagen.
      Ob wir uns tatsächlich nicht nur im Raum, sondern auch in der Zeit bewegen? Darüber sprach ich lange mit Freunden kürzlich.
      Mal sehen, ob ich das noch zusammen kriege als Résumée, später.

    • @lobster, ff Kunst kommt von können. Ja. Aber “können” im Sinne von Selbstermächtigung, nicht im Sinne eines Handwerks, das man beherrscht.

      (Niemals würde ich Künstler als Dienstleister ansehen und hab’ das auch nie behauptet. Doch vielleicht ist Ihnen das inzwischen längst klar.)

    • Time´s not my friend. @lobster – von “Dienen” hatte ich gerade nicht gesprochen. Dennoch: Ja, ich glaube, dass wir es uns schulden (nicht einer außer uns bestehenden Moral, der Gesellschaft oder Konventionen) nicht dauerhaft unter unseren Möglichkeiten zu bleiben. Das gelingt natürlich nicht stets, aber es ist der Anspruch. Wenn man also ein Talent hat, sollte man es auch nutzen (nicht zwingend im Sinne von Nützlichkeit). Was gelingt – in diesem Sinne-, macht glücklich. Jedenfalls mich. Ohne Anstrengung, die Anspannung auf das Beste, was jetzt geht, hin, ist es nicht zu haben. Das gilt, finde ich, gerade auch fürs Musikmachen.

      @Phyllis – Mich greift die Zeit an. “Time´s not my friend.” Weil sie verrinnt, mag die Relativitätstheorie sagen, was sie will. Mein Körper spricht anders. —Die Selbstsabotage ist für künstlerisch tätige Menschen eine Strategie. In anderen Berufen ist´s anders. Ich kann, was ich mache, gut. Das ist schön. Ich gebe mein Bestes. Aber: Sabotage geht da nicht. Die mich brauchen (beruflich), brauchen vor allem Verlässlichkeit, sicheres Handwerk und Kontinuität. Einen roten Faden – auch, wenn er nur Fiktion ist. (Oh, ich erkenne gerade, ich arbeite auch “kreativ” – auf meine Weise.)

    • also melusine musikmachen ist ein stetes erfahren.
      ( eigentlich lernen )
      das sagte selbst henze im alter von 70 oder 8o jahren – dass auch für ihn noch unbekanntes entstehen darf.
      ( wahrscheinlich beim machen – in der musik muss man sich eigentlich stets etwas selbst erarbeiten – das ist ja auch kreativ )
      sie reden da jetzt nach verpflichtung von nutzen.
      so einfach sehe ich das nicht.
      mir ist ein verbaler zwangsapparat zuwider, am ende reden sie vielleicht noch von tugend und fleiss, ausdauer, zähigkeit und abtrotzen.
      alles vokabular was ich unter “antikünstlerisch” rubriziere.
      es gibt sachen, die sich nicht erarbeiten lassen, jedenfalls nicht für mich, sonst würde ich womöglich hier nicht ein wenig mitdiskutieren wollen.
      ( oder auch keine drogen nehmen, ob harte wie whiskey oder weiche wie gras, egal )
      die musikalische textur steht dann nicht für sich, sondern sie sollte vielleicht mit aussermusikalischem korrespondieren, wenn sie wollen z.b. mit sprache.
      soll sie quasi musikalisch übersetzte sprache sein, so erwarte ich von der sprache defintiv gute schwingungen aber auch gute aussagen.
      danach suche ich jetzt schon seit jahren.
      vielleicht hab ich auch nur allzu edle vorstellungen.
      da hilft mir mein talent ( der ausdruck können gefällt mir besser – also talentiert kann auch ein kind sein ) aber auch nicht weiter.

    • @melusineb. Mich auch. Mein Körper signalisiert mir das, mein Rückgrat – real wie metaphorisch – ist nicht mehr unbekümmert, schon lang’ nicht mehr. Ein Verlust von physischer – ach, was sag’ ich, auch psychischer -Selbstverständlichkeit.

      —- Selbstsabotage ist eine Schwäche, die sich zur Stategie transformieren lässt, wenn man ihr ins Auge blickt. Ich denke, es gibt künstlerisch produktivere Modelle, doch man arbeitet eben mit dem, was man hat. Ich habe mich immer mehr ausgebremst, als meinem Werk gut tat. Bis ich ihr erlaubte, als Grundthema in meine Arbeit einzufließen, auf allen Ebenen.

      (In der Lohnarbeit, übrigens, bin ich von fast unheimlicher Zuverlässigkeit ; )

      Ein letztes: selbstverständlich sind sie schöpferisch aktiv. Mit jeder Zeil’, die Sie schreiben. Gerade Sie.

    • @ lobster – good vibrations erwarte ich auch, lobster, also…klar!
      aber: talent + können gehören dazu. und dass man sein bestes gibt, an die grenze geht – nennen sie´s halt nicht arbeit, wenn sie das nicht mögen. ich finde, es i s t arbeit. auch richtig ist: das ´mehr´, worauf´s dann ankommt, das lässt sich nicht ´erarbeiten´. aber ohne (vor-) arbeit wird´s gar nicht möglich. entsteht´s nicht.

      THIS BIG HUSH: http://www.youtube.com/watch?v=0azNbGp2Yn8&feature=related

    • ps.

      es ist eigentlich blödsinn dass ich hier mitdiskutiere.
      ich bin nach langen jahren eigentlich zu dem vorläufigen schluss gekommen, dass für mich musik und sprache eigentlich nichts miteinander zu tun haben sollten, weil die freiheit der musik bei übertragener konnektiertheit mit sprache eigentlich flöten geht.
      musik wird dabei leicht zum sklaven von meist schlecht denkenden menschen, sie sich seltenst gut ausdrücken können ( für mich ).
      an einer malerei interessieren mich ja auch wirklich gut leuchtende farben, welche das grau behördlicher alltagsregulation aufs angenehmste zu kontrastieren wissen.
      oder formen, welche rechtwinkligem denken und handeln mit üppigkeit und ausuferndheit begegnen.
      oder etwas lustiges wie die smileys letztens hier.
      sie können jetzt einwenden, dass man als künstler an einem handlangerdasein null vorbeikommt.
      stimmt.
      auch der rebell ist angepasst.
      was macht man dann ?
      man versucht zu dekonstruieren, die strukturen zu verändern und sie zu sich hin zu biegen.
      oder etwas allgemeingültiges zumindest zu simulieren.
      was aber ist in der musik allgemeingültig ?
      der einzelne ton ?
      gewiss.
      mehr aber auch nicht, sag ich mal so.

      sorry das blabla musste ich noch dranhängen.

    • ich halte übrigens nichts davon, wenn leute kunst als therapie begreifen wollen und jeden scheiss, der ihnen so durch die verletzte birne strömt unzensiert rausgeben müssen.
      so a la : “schaut mal her ich bin einer von euch !
      kuckt mal !
      meine zweifel schaut her – meine ambivalenzen – hier sind sie für euch jetzt manifest –
      ich verewige sie für euch.”
      wenn alle, die kunst machen, wirklich sorgfältig an strukturen arbeiteten und vor allem wüssten wieso, dann gäbe es weitaus mehr kunst die mir gefiele.
      ( selbst wenn sie mit der kettensäge musik machen oder mit schwarzpulver leinwände strukturieren )
      ein instrument lernen kann jeder trottel und ein paar sätze aneinanderreihen auch.
      oder ein paar farbkleckse auf ne leinwand malen.
      aber tatsächlich zu wissen, was man von den ersten einfällen wieauchimmer hinterher umzuschreiben hat oder was man wieder wegstreichen sollte aus dem ersten meistens
      ja grossen flow, das wissen die wenigsten und wollen es auch nicht wissen.
      sie wollen glänzen.
      sie wollen kokettieren selbst noch mit ihren verletzungen wenns dumm läuft.
      sie wollen geliebt werden.
      gehätschelt.
      und mutig sein.
      “schaut mal mein inersters gebe ich euch noch preis, schenke ich euch.
      zugegeben es ist ein wenig finster – naja so wie die welt in ihrem kern.”
      bin ich jetzt ein misanthrop ?
      naja – das musste ich noch rauslassen.
      wenns den thread stören sollte weil es ja das thema verfehlt, so löschen sie das doch bitte.
      ( manchmal packt mich echt der ekel angesichts (m)eines blablas )

    • Ach, Lobster, fangen Sie doch einfach mal an, mir zu glauben, wie sehr ich Ihre Kommentare schätze. Und sicher nicht als Einzige. Ich lösch’ Sie nicht, und wenn Sie noch so darum flehen.

    • naja zum flehen fehlt mir das zeug genauso wie zum heulen.
      aber falls sie mich featuren wollten – das duldete ich nicht.
      sie haben ne menge drauf find ich.
      wenn sie noch mit farben zuwege wären in richtung kandinsky wären sie wohl spitzenklasse.
      so wie ich das sehe, müssten sie noch leicht ihr pflichtgefühl dabei desavouieren und ihrer bestimmt in ihren grundzügen heiter ausgelegten persönlichkeit gutes tun.
      mehr kann ich leider dazu nicht sagen so gern ich das täte.

      ich will vor allem niemand unter (leistungs)druck setzen – am günstigsten wäre es ja, ideen entwickelten sich aus good vibrations innerhalb von komunikation.
      aber ob ich da wirklich beiträge zu leisten kann ?
      ich wäre gerne ein bisschen lustiger oder raffinierter.
      aber auch dazu kann man sich ja nicht zwingen.

      einen lieben tag wünsche ich ihnen erstmal.
      ( aber keine “mütterlichen gefühle” für mich – und das wäre keine paralipse )

      l.

    • naja weil sie eben auf meine für meine verhältnisse schon ellenlangen beitrage ( + themaverfehlung ) nicht mit harschester zurechtweisung reagierten, brüskiert, wild stampfend, das haupt nach allen seiten schüttelnd.
      irgendwie finde ich meinen jargon nämlich teils selbstwidersprüchlich teils bärbeissig.

      ansonsten eine sorge weniger 🙂

    • @lobster Was keine Antwort auf meine Frage ist. Aber sei’s drum, wir kommen auch so zurande.

      Ich will hier eine Vielzahl eigen-williger Stimmen, so einfach ist das.

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