Gestern bekam ich diese Mail, unterschrieben mit LaSolitude, dazu die dringende Aufforderung, den Text hier auf Tainted Talents zu veröffentlichen.
Ich tue das, weil ich nicht weiß, was sie damit bezweckt. Bin eben neugierig.
Warum sie sich Öffentlichkeit von mir leiht? Warum zieht sie sich nicht einfach zurück?
LaSolitüde, Sie werden das hier natürlich lesen.
Vielleicht antworten. Nein. Doch.
Aber was auch immer Sie sich von dieser Veröffentlichung erhoffen, möge es eintreten.
Hier also der Text von LaSolitude:
“Ihr seid mir alle zuviel, Fremde, Vertraute, die Vertrauten noch mehr als die Fremden. Alle wollt ihr irgendwas, und wenn’s nur sprechen ist. Mit mir. Doch ich will nicht dieses Austauschen von Leben. Keine Lust, ständig beschreiben zu sollen, wie es mir geht, was in mir vorgeht.
Dieses ganze Reden kommt mir vor, als ob währenddessen meine Felder überschwemmt würden, die ganze Ernte vorzeitig abgetragen wird. Und ich bleibe mit dem verdammten, trostlosen Matsch zurück. Wie soll ich mit Matsch arbeiten? Für das Entwickeln eigener Ideen brauche ich Wachstum. Sorgfalt und Ruhe. Nicht dieses ständige abtastende Wohlfühlgelaber.
Kauft euch eine Wärmflasche. Ich bin keine. Ich bin nicht die Erfüllungsgehilfin für eure Bedürfnisse. Warum wollt ihr euch eigentlich ständig austauschen, habt ihr nichts Besseres mit eurem Innen zu tun, als es dauernd mit dem der Anderen zu vermischen? Psychischen Ausfluss nenne ich das. Dieses Bedürfnisgetue: Ich kann es riechen. Es widert mich an. Mit mir könnt ihr nicht mehr rechnen.
Das Einzige, was ich wirklich brauche, ist Ruhe. Ich kann mich mühelos selbst befriedigen, in jeder Beziehung.
Dazu brauche ich nichts weiter als einen Baustopp. Hört auf, die verdammten Schwalbennester eurer Begehrlichkeit an mein Dach zu pappen. Zieht nicht bei mir ein. Kommt nicht jedes Jahr wieder zum Brüten vorbei. Ihr Arschgeigen. Ihr denkt, ihr kennt mich, weil ihr mein immer währendes Lächeln kennt. Die ist nett, denkt ihr, die rettet mich vor Leere und Verfall, an die kann ich mich kuscheln.
Verflucht noch mal, könnt ihr nicht.
Ich hab euch zu sehr verwöhnt, eine einzige Wohlfühlorgie war das. Das Lächeln ist schuld; es macht euch weich. Hat was sanftes, mein Lächeln, man kann gut draufspritzen. Und dann erwartet ihr noch, dass ich mit diesem Nährschleim des gebraucht-werdens auf dem Gesicht rumlaufe, mit dem ihr mich bei Laune halten wollt.
Schluss damit.
Ich bin weg.”
Ende des Briefes.
Schade das die Abrechnung nur als Brief kam… ich stell mir einen sehr theatralischen Auftritt vor. Publikumsbeschimpfig.
Große Abrechnung eben. Am Ende abdampfen.
Ich wär gern zu dem Auftritt gekommen, um Sie am Schluß anzuflehen zu bleiben, oder so…
Stimmt, eine Publikumsbeschimpfung mit einer weiblichen Hauptdarstellerin gab’s, glaube ich, bisher noch nicht. Wer käme wohl dafür in Frage? (Handkes Landsmännin Elfriede Jelinek? Tracey Emin? Oder LaSolitude?) Früher, als ich noch Lust an der Bühne hatte, war auch mir die verbale Attacke ganz selbstverständlich.
In dieser Periode wurde mir klar, dass man Menschen nicht los wird, indem man sie beschimpft – im Gegenteil, man schafft eine Verbindung. Nur, wer sich nach einer solchen Abrechnung wirklich aus dem Staub macht, kann sich lösen. Ich jedenfalls hab es damals so gemacht und seitdem keine Bühnen mehr betreten.
Insofern bin ich gespannt, ob und in welcher Form sich LaSolitude noch einmal meldet.
Abrechnungen sind immer gut, nur die Form muss stimmen. Die obige ist stark, lässt aber eine Vorgeschichte vermissen. Doch das ginge wohl zu weit. Ebenso wie die Frage, ob Sie das nicht doch selbst sind.
der Wanderer
LaSolitude Welch kraftvolle und entschlossene Klarstellung.
Und nicht unbedingt weiblich.
Ich spüre Resonanz.
Sehr intensiv.
Quälend.