Eigentlich zur Lesung. Doch schwirrt mir anderes im Kopf nach der Sauna. Leute beim Schwitzen kennen lernen ist ja heikel; nackt und rot steht nicht jedem. Bin eine Stunde geschwommen, nun erstmals nach Wochen wieder mal öffentlich unbekleidet. Der lange Weg von der Dusche zum Bademantel: Fast nur Männerblicke kreuzen den Raum; die wenigen Frauen schauen alle in sich hinein, besonders die schönen. Nacktsein und Exponiertsein ist nicht das Gleiche, sage ich mir dringlich, Du, Phyllis, bist ersteres. Kopf hoch. Haltung. Jetzt schreiten. Sò.
Minuten später bette ich den Körper auf Holz. Viel zu heiß zum sprechen. Er ignoriert das. Die Dänen üben das Saunieren schon mit fünf, vielleicht deswegen.
»Äußerst zweischneidig« sage ich später beim Eiweißshake an der Bar. »Es gibt wohl keinen Ort, an dem man so scheiße aussieht wie in der Sauna.«
Er, lächelnd: »Oh, da möchte ich entschieden widersprechen.«
»Andererseits, ist das überstanden, hat man das schlimmstmögliche Aussehen schon hinter sich. Das spricht in gewisser Weise dafür, neue Begegnungen mit einer Saunasession einzuleiten« sage ich.
Er: »Man lernt sich ohne Panzer kennen. Gut.«
Er sieht zu jung aus für einen Professor. Und als ich ihn angezogen sehe, auch zu smart. Gefährlich smart.
Doch was rede ich. Den Moment, in dem jemand sagt: »Wir brauchen mehr Stühle« verstehen nur Leute, die wissen, wie schlecht besucht Lesungen sein können. Man hat auch gelegentlich schon vor sieben Leuten oder so gesessen mit seinem Buch. Gestern aber: alles paletti. Die Freunde zahlreich erschienen, dazu ein paar interessante Fremde. Ich sitze neben von Wolzogen, wie immer perfekt gekleidet der Mann, und hadere mit meiner Lieblingsbluse. Grasgrün, seit Jahren passte sie nicht mehr, nun wieder, aber knapp. Sehr knapp. Kann sein, die beiden Knöpfe, um die es mir geht, halten keine zwei Stunden mehr durch. Hm. Was denken andere Autorinnen kurz bevor’s losgeht?
Wolzogen macht den Einstieg, ein paar Sätze zum Bibliotheksprojekt, paar Eckdaten zu mir, schulische Laufbahn, Studien. Meinerseits Begrüßung. Dann nehme ich den druckfrischen Horen-Band, beginne zu lesen. Gleich ein Versprecher im zweiten Satz. Konzentrier Dich, Phyllis. Sitz gerade, hör’ auf, an Knöpfe zu denken. Früher las ich, dass sich die Balken bogen! Ah… Ihr Freunde wart damals schon dabei. Da seid Ihr ja alle wieder. Wie schön, zusammen Lebensgeschichten zu schreiben.
Nach und nach werde ich sicherer.
Oh je, wie bleiern die Müdigkeit mich grad umfängt. Fortsetzung morgen. Gute Nacht, Leserzzzzzzzzzzzzzz.