Einer geht noch

(Ab morgen ist aber Schluss mit grimmig, Phyllis!)

((Mei, heute ist ja 1. Advent, wo ist das Kerzlein?))
(((uff, hier isses.)))

11:51
Zufall? Im Hause meiner Mutter erhielt ich heute morgen einen Fingerzeig meiner Urahnin in Sachen gutes Benehmen. Aus dem alten Bücherschrank meiner Großmutter heraus. Dort nämlich fand ich vorhin ein Buch mit dem schönen Titel: “Der gute Ton. Ein Handbuch für den Verkehr in der Familie, in der Gesellschaft und im öffentlichen Leben”. Herausgegeben von Franz Ebhardt im Jahr 1921 im Verlag Julius Klinkhardt, Leipzig.
“Darf ich?” fragte ich.
“Ich schenke es Dir” sagte meine Mutter. “Es gehörte Deiner Urgroßmutter.”

Darf ich kurz mal aus dem Vorwort zitieren?

“Die erste Auflage des “Guten Tons” ist kurz nach dem Deutsch-Französischen Kriege erschienen. Die vorliegende zwanzigste Auflage erscheint nach dem Weltkriege. Sie ist, wie die früheren Aiflagen, den Bedürfnissen der Zeit angepasst, nicht in dem Sinne, dass sie jede kleine Schwankung der Tagesmode als wichtige Neuerung hervorhebt, aber doch derart, dass sie größere Wandlungen in Sitte und Gebräuchen gebührend verzeichnet. Dabei konnten manche Abschnitte ganz unverändert bleiben, und zwar gerade solche, die die Grundlagen aller Gesittung behandeln, wie die Abschnitte über das Haus, die Familie u.s.w. In manchen dieser Abschnitte ist absichtlich die Ausdrucksweise der ersten Auflagen erhalten geblieben. Der Leser möge aus solchen Stellen entnehmen, wie verhältnismäßig geringfügig die Wandlungen sind, denen die Grundlagen des “Guten Tons” selbst im Laufe eines längeren Zeitabschnitts unterworfen sind.”

Ich erwäge ernstlich, geschätzte Leser:innen, mir dieses Werk zu Gemüte zu führen! Sollte es sich als ergiebig erweisen, werde ich keine Mühen scheuen, Sie auf die eine oder andere Weise daran teilhaben zu lassen.
Aber genug. Heute, da kann auch die Urahnin nichts ausrichten, ziehe ich mich ab sofort wieder in meine gepflegt schlechte Laune zurück.
Amen und aus.

Signaturen

Wenn das Eigene sich löst
träum ich fremde Signaturen: da
und d a
kein Papier, kein Vertrag, nur
ein Mal
vom Lager entfernt seyn.

Davon, das gleiche Hemd zu tragen, bis es starrte
kein Wasser, Lappen, nichts, was untreu macht
kein zweites Gesicht zu haben,
keine alte Signatur
kein anstatt
Wer die Meduse schluckt
hat die Adern voller Blindschleichen

Farah Days Tagebuch, 7

Mittwoch, 21. November 2012

Jetzt soll ich also einen Text über LICHT schreiben.
Pressemitteilung ist raus, ich hatte bereitwillig zugesagt, klar schreib’ ich einen Text über LICHT. (Pah, ein Klacks)
Obwohl, außer nachts bei Kadim auf dem Futon, wenn der Ölofen seine flackernden Ringe an die Decke wirft, denke ich selten über LICHT nach, und das wär’ ja was, der Futon, den vorzubringen mit Marie im Publikum, bestimmt wieder in der ersten Reihe, die an die gleiche Decke und auf die gleichen Ringe starrt, wenn sie neben ihm liegt.
Fällt also flach. Eh zu privat, wenn die Kollegen was real LICHTiges schreiben. Aus der Pressemitteilung klingt’s, als hätten die seit Jahren nichts anderes gemacht als über LICHT nachzudenken, wow, heißes Eisen. Das ganze Land ist davon ergriffen, anscheinend!
Mein eigener Text jedenfalls, der imaginäre, gleisst mir im Kopf, ich steh’ Qualen aus, weil, mit Transferleistung hab’ ich schon lang’ nichts mehr verfasst. Privates geht mir locker von der Hand, aber LICHT?
Da kommt der alte Trotz hoch, wenn’s einen Sinnzwang gibt denk’ ich mir immer schnell was aus, natürlich originell und möglichst kühn, aber trotzdem, umgehend.
(Kadim erinnerte mich gestern vergnügt an die einzige Hausarbeit, die ich ihm mal abgeliefert hab’: wie mutwillig lüstern die am Thema vorbei war.)
Also, LICHT. Ich schreib’ so schnell ich kann um dem Kalkül voraus zu sein, denn, fast sicher, weiß ich wirklich was Grundlegendes über LICHT. Komm raus, komm’ ohne Üben raus, beLICHTe mich.
(Frag’ mich ja schon, wie Kadim da drauf gekommen ist. Hat einfach genommen, was ihn selbst am meisten interessiert und es zum allgemein relevanten Thema hochgejubelt. Wie komm’ ich eigentlich dazu, mich darauf einzulassen, schön blöd.)

Schon witzig, wie sehr ich das Schreiben hasse. Ich richte mich ein, die richtigen LICHTverhältnisse, Kissen, Musik, alles in Reichweite, beginne und das einzig tröstliche ist die Zukunft, in der das alles schon geschehen sein wird, als würd’ ich mir von weiter vorne in der Zeit dabei zusehen, wie ich schreibe.
Mein Lieblingstrick. Die Vorstellung, daß ich später LICHT sein werde. In der Gegenwart auf Grund laufen, später ein LICHTfisch mit Laternchen am Kopfe. (Denke ja immer noch, ich muß strahlen, aber lieber später als früher. Modifikationen jedenfalls.)
Jedes externe LICHT ist gelogen. Worte sind einfacher, weil flexibler zu handhaben, aber schwieriger, weil flexibler zu handhaben.
Immerhin bieten sie ein Aufgrundgefühl.